Keine Atteste mehr vor den Ferien: Kinderärzte haben die Nase voll

Wenn Kinder kurz vor oder nach den Ferien fehlen, findet die Schule das erstmal verdächtig. Wurde hier etwa eine Krankheit vorgeschoben, um zu schwänzen? Schließlich gibt es immer wieder Eltern, die schon früher in den Urlaub starten oder etwas länger dort verweilen, als es die Ferien zulassen würden. Deswegen gibt es an den meisten Schulen in diesen Zeiträumen eine Attestpflicht, wenn die Kinder fehlen. Doch dabei hat bisher niemand an die Leidtragenden gedacht – die Ärzte, die die Krankschreibungen vornehmen müssen.

Die Kinder- und Jugendärzte in NRW wollen den Wahnsinn nun nicht mehr mitmachen.

Normalerweise können Eltern ihren Kindern selbst ein Entschuldigungsschreiben verfassen, sollten sie krank sein und deswegen nicht zur Schule können. Doch immer wieder fehlen auffallend viele Kinder kurz vor oder nach den Ferien. „Och, so kurz vor den Ferien passiert doch eh nichts mehr im Unterricht”, scheinen sich viele Eltern zu denken, wenn sie verfrüht mit den Kids in den Urlaub starten. Die Schulen lassen das natürlich nicht auf sich sitzen und fordern deswegen oftmals ein Attest, sollte ein Kind in den verdächtigen Zeiten fehlen.

Wenn eine Schule „begründete Zweifel“ hat, dass ein Kind aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Unterricht kommt, „kann die Schule von den Eltern ein ärztliches Attest verlangen“, heißt es auf der Homepage des NRW-Schulministeriums. Doch dagegen wehrt sich nun der Berufsverband der Kinder und Jugendärzte (BVJK).

„Wir sind doch nicht die Schulpolizei.”

Christiane Thiele, die Vorsitzende des Verbandes Nordrhein erzählt dem WDR, dass die Eltern das Gespräch in der Praxis häufig schon mit dem Satz beginnen: „Ich wäre ja nicht gekommen, aber die Schule verlangt ein Attest.” Die Vorsitzende ist genervt: „Wir brauchen unsere Zeit, um kranke Menschen zu behandeln und nicht, um Atteste auszustellen.“ Schließlich sind die Kinderarztpraxen so überlastet wie schon lange nicht mehr (mehr dazu HIER).

Thiele sieht das Atteste ausstellen als totale Zeitverschwendung an – verständlicherweise. Wenn eine Schule den Eltern nicht glaube, sei es nicht ihre Aufgabe, zu kontrollieren, meint Thiele. Denn die Kinder- und Jugendärzte seien nicht die Schulpolizei. Außerdem sei es Unsinn, wenn die Schulen argumentieren, dass sich mit einem Attest klären lasse, ob ein Kind wirklich krank sei. „Wenn mir Eltern sagen, das Kind habe starke Migräne oder Durchfall, dann kann ich das kaum widerlegen.“

Ärzte fordern andere Lösung, um Kinder „zu überwachen”

Die Mediziner finden: Die Schule muss eine andere Lösung finden, wenn sie sicherstellen will, ob die Kinder sich tatsächlich zu Hause befinden oder verfrüht in den Urlaub gestartet sind. Darüber hat der Verband nun auch das Schulamt informiert. Sie sind überzeugt, dass solche Kontrollen der öffentliche Gesundheitsdienst ausführen sollte oder das Ordnungsamt. Oder aber die Schulen selbst.

Der BVJK geht davon aus, dass viele Kinderärzte sich weigern werden, kurz vor den Ferien noch Atteste auszustellen. „Sie werden sagen, dafür ist mir meine Zeit zu schade und diese Zeit wird anderen Kindern gestohlen“, erklärt Thiele.

„Begründete Zweifel” machen Attestpflicht durch die Hintertür möglich

Auf WDR-Anfrage heißt es aus Düsseldorf vom Ministerium für Schule und Bildung NRW, dass „Schulversäumnisse aus Krankheitsgründen grundsätzlich durch die Eltern schriftlich zu entschuldigen sind“. Das gelte auch kurz vor und nach den Ferien. Hier gebe es keine generelle Attestpflicht. Trotzdem kann die Schule den Eltern mit „begründeten Zweifeln” drohen, denn dann darf sie doch einen Attest einfordern. Da bleibt die Fragen offen, was begründete Zweifel sind – und ob Eltern im Zweifelsfalls das Risiko eingehen.

Mehr zum Thema Urlaub und Ferien findest du hier:

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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