Ist mein Kind noch zu klein für die Schule? Das rät ein Psychologe!

Die Einschulung ist ein neuer Lebensabschnitt – für Kinder wie auch für ihre Eltern. Viele Mamas (und Papas) fragen sich spätestens im letzten Kita-Jahr mit wachsender Sorge: Ist mein Kind wirklich schon bereit dafür, ein Schulkind zu sein? Oder wäre ein Jahr später vielleicht besser für mein Kind?

Um etwas mehr Klarheit in dieses Gefühlschaos zu bringen , haben wir mit Klaus Seifried, einem erfahrenen, ehemaligen Schulpsychologen aus dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, über genau dieses Thema gesprochen. Seine Antworten geben nicht nur Orientierung – sie nehmen auch ein Stück der Unsicherheit.

Jedes Kind ist einzigartig – und entwickelt sich unterschiedlich

Seifried betont gleich zu Beginn, wie wichtig es ist, das eigene Kind individuell zu betrachten – und sich nicht zu sehr von Vergleichen mit Geschwistern oder anderen Kindern leiten zu lassen:„Kinder entwickeln sich unterschiedlich, im Einschulungsalter gibt es Entwicklungsunterschiede von bis zu zwei Jahren.“ Das bedeutet: Ein Kind, das gerade sechs geworden ist, kann von seiner Reife her wie ein Siebenjähriges wirken – oder eben wie ein Fünfjähriges.

Deshalb sei der Austausch mit den pädagogischen Fachkräften in der Kita unerlässlich. „Eltern sollten sich grundsätzlich beraten lassen von der Erzieherin in der Kita“, sagt Seifried. Denn dort sehe man, wie das Kind sich in der Gruppe verhält – ob es bereit seine Impulse steuern und Verantwortung übernehmen kann oder wie es mit anderen Kindern interagiert.

Soziale Reife ist genauso wichtig wie kognitive Fähigkeiten

Was viele Eltern nicht wissen: Nicht nur die „Schlauheit“ zählt, sondern vor allem auch das soziale Miteinander. „Wie ist das Kind sozial integriert in die Kita-Gruppe?“, fragt Seifried. „Ist es schon in einer gewissen Weise selbstständig, übernimmt es Verantwortung – etwa für das Anziehen oder den Toilettengang?“

Und ja, viele Eltern, gerade mit akademischem Hintergrund, achten vorrangig auf die kognitive Entwicklung – sie fördern ihr Kind frühzeitig mit Lesen und Rechnen. Doch genau davor warnt der Schulpsychologe: „Vor der Einschulung mit dem Kind Lesen, Schreiben und Rechnen zu üben ist nicht sinnvoll, weil man Schulstoff vorwegnimmt und die Kinder sich dann in der Schule langweilen.“

Stattdessen sei es viel hilfreicher, Kinder durch Vorlesen, Gespräche, Musikinstrumente, Basteln oder Malen zu fördern – ohne den Schulstoff „vorzuziehen“.

Motorik und Selbstständigkeit nicht unterschätzen

Auch die körperliche Entwicklung spielt eine Rolle bei der Schulreife. „Kinder sollten klettern, Fahrrad fahren, schwimmen können – so dass die Körperkoordination auch altersentsprechend ist“, erklärt Seifried. Dazu komme das Verhalten in der Gruppe: Können Kinder sich einfügen? Kommen sie mit anderen klar? „Für uns Erwachsene würde man sagen: teamfähig sein“, sagt er mit einem Schmunzeln.

Ein Aspekt, der oft vergessen wird, ist die Orientierung im Alltag. Seifried empfiehlt, den Schulweg im Vorfeld mit dem Kind zu üben – und dabei das Kind führen zu lassen: „Dann merken Eltern auch: Ist mein Kind in der Lage, sich zu orientieren?“ Diese Fähigkeit sei wichtig, gerade wenn sich das Kind von der kleineren, vertrauten Kita in die deutlich größere Welt der Schule bewegt.

Früheinschulung – Fluch oder Segen?

Natürlich gibt es auch Kinder, die besonders weit sind. „Es gibt Kinder, die ihrer Kita-Gruppe entwachsen sind und sich dort langweilen“, erklärt Seifried. „Solche Kinder sollte man einschulen, wenn sie altersgemäß entwickelt und stabil sind.“ Doch generell rät er zur Vorsicht bei einer allzu frühen Einschulung – vor allem, wenn das Kind klein, zurückgezogen oder wenig selbstsicher ist.

„Die Schule stellt andere Anforderung an das Kind als die Kita“, betont Seifried. „Die Gruppe ist doppelt so groß. Das Kind muss sich stärker selbst regulieren und auch zurücknehmen können. Es steht nicht sofort im Mittelpunkt, wie vielleicht bei Mama und Papa.“

Und was ist, wenn man das Kind zu spät einschult?

Kinder, die später eingeschult werden, sind natürlich ein Stück älter und selbstbewusster“, sagt der Experte. Ob das ein Vor- oder Nachteil ist, lasse sich pauschal nicht sagen – auch hier komme es auf die individuelle Entwicklung an. Wichtig sei: Nicht das Alter entscheidet, sondern die Reife.

Eltern sollten außerdem die Einschulungsuntersuchungen der Schulärzte abwarten, rät Seifried. Denn dort werde die kognitive und motorische Entwicklung des Kindes überprüft. Die sozialen Kompetenzen dagegen sehe man eher in der Kita.

Zuhören. Hinschauen. Vertrauen.

Vielleicht der wichtigste Rat, den uns Klaus Seifried mit auf den Weg gibt, ist der einfachste – und gleichzeitig der beruhigendste: „Lassen Sie sich beraten.“ Sowohl von den Erzieherinnen als auch von den Schulärztinnen. Und: „Jedes Kind ist verschieden und es ist wichtig, dass man auf das Kind schaut: Was tut dem Kind gut? Was sind die Stärken meines Kindes?“

Denn oft stecken hinter Einschulungsentscheidungen nicht nur kindliche Bedürfnisse, sondern auch elterliche Emotionen: „Es gibt Eltern, die überfürsorglich sind und sagen: ‚Die Schule ist so rau, ich will mein Kind beschützen‘ – obwohl das Kind eigentlich schulreif ist. Und es gibt andere Eltern, die ihr Kind überschätzen und überfordern. Beides ist nicht gut.“

Die Schulreife ist ein Zusammenspiel aus unterschiedlichen Faktoren

Die Einschulung ist keine Deadline, kein Wettbewerb und kein Meilenstein, den alle gleichzeitig erreichen müssen. Sie ist der nächste große Lebensabschnitt – aber nur dann, wenn das Kind bereit dafür ist. Vertraut euch selbst, euren Kindern – und den Menschen, die eure Kinder im Alltag erleben. Denn Schulreife ist kein Zeitpunkt im Kalender, sondern ein Zusammenspiel aus Kognition, Sozialverhalten, Motorik und Selbstständigkeit.

Oder, wie Klaus Seifried es sagt: „Auf das Kind schauen. Auf die Entwicklung schauen. Und sich beraten lassen.

Vielen Dank an unseren Experten Klaus Seifried!


Klaus Seifried. Foto: Markus Wächter / Waechter

Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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