Umgang mit depressiven Kindern: Was Eltern tun können

Immer mehr Eltern kommen beim Umgang mit depressiven Kindern an ihre Grenzen. Weltweit steigen die Fälle von Depressionen bei Kindern, denn die Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen setzten ihnen zu. Doch auch abseits von Corona und Lockdown gibt es Kinder, die unter Depressionen leiden und Hilfe brauchen.

Andererseits sind eine vorübergehende Niedergeschlagenheit und schlechte Laune nicht gleich ein Indiz dafür, dass eine Depression vorliegt. Wie ihr erkennt, ob euer Kind Symptome für eine depressive Erkrankung zeigt und was ihr tun könnt, erfahrt ihr im Beitrag.

1. Alles Wichtige auf einen Blick

  • Die Anzahl der Kinder, die unter psychischen Auffälligkeiten leiden, ist seit Beginn der Pandemie stark angestiegen.
  • Kinder mit Depressionen brauchen dringend und schnellstmöglich professionelle Hilfe.
  • Depressionen treten häufig in Zusammenhang mit Angststörungen und ADHS auf.
  • Kinder verschiedener Altersgruppen zeigen unterschiedliche Symptome.
  • Eltern sollten sich an den Kinderarzt / die Kinderärztin wenden.
  • Eine echte Mama erzählt von der Zeit mit ihrer depressiven Tochter.

2. Gibt es wegen Corona mehr depressive Kinder?

Auch vor der Pandemie gehörten depressive Verstimmungen bis hin zu schweren depressiven Störungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Laut der Deutsche Depressionshilfe sind im Vorschulalter ein Prozent der Kinder betroffen, im Grundschulalter sind es zwei Prozent. Bei der Gruppe der Jungendlichen zwischen 12 und 17 Jahren erkranken drei bis zehn Prozent.

Aber Kita- und Schulschließungen, Lockdown und fehlende soziale Kontakte sind für Familien eine große Herausforderung. Dass auch Kinder sehr unter der Situation leiden, zeigen alarmierende Studien. Laut einer Erhebung des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)  zeigt jedes dritte Kind in Deutschland „psychische Auffälligkeiten“, Ängste und  depressive Symptome. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen aus sozial schwächeren Familien lassen sich psychischen Schwierigkeiten durch die Pandemie nachweisen.

Besonders erschreckend: Die extreme Zunahme von Suizidversuchen bei Kindern. Im zweiten Lockdown ist diese Zahl laut RND um 400 Prozent gestiegen, eine Zahl, die auch Expert*innen überrascht hat.

3. Umgang mit depressiven Kindern: Das solltet ihr wissen

Eines möchten wir gleich vorwegnehmen: Wenn ihr Grund habt anzunehmen, dass euer Kind unter Depressionen leidet, ist es ganz wichtig, dass ihr euch schnell Hilfe holt. Je eher euer Kind professionelle Unterstützung bekommt, desto besser. Es ist nicht mögliche psychische Erkrankungen als Familie aufzufangen oder gar zu „heilen”. Der Umgang mit depressiven Kindern ist für Angehörige oft überfordernd. Macht euch also bewusst, dass es das beste für euch und das betroffene Kind ist, schnellstmöglich Hilfe von außen anzunehmen.

Außerdem wichtig im Umgang mit depressiven Kindern: Bei jungen Erkrankten ist es meistens so, dass die Depression gemeinsam mit anderen psychischen Erkrankungen auftritt. Beispiele dafür sind Angststörungen und ADHS.

4. Depressionen bei Kindern erkennen: Das sind die Symptome

Aber wie erkennen Eltern den Ernstfall? Schließlich ist „einfach nur” schlechte Stimmung nicht immer ein Hinweis darauf, dass psychotherapeutische Hilfe nötig ist. Eine Diagnose kann selbstverständlich nur von einem Experten oder einer Expertin gestellt werden. Dennoch gibt es bestimmte Hinweise, die den Verdacht bekräftigen können, dass das Kind möglicherweise unter Depressionen leidet.

Eltern kennen ihr Kind am besten, deswegen ist es einer der wichtigsten Hinweise, wenn sie eine untypische Veränderung bemerken. Zeigt euer Schatz plötzlich ganz neue Verhaltensweisen, solltet ihr genauer hinschauen. Vielleicht hat er gar keine Lust mehr, sich mit Freunden zu treffen oder rauszugehen, obwohl es möglich wäre? Das kann ein Warnzeichen sein.

Umgang mit depressiven Kindern: Typische Anzeichen im Alter von 1-3 Jahren

  • Wenig(er) Gestik und Mimik
  • Kind wirkt ängstlich und gehemmt
  • kein Interesse am Spielen
  • weniger Entdeckerdrang
  • Trennungsängste
  • Hyperaktivität
  • Ess- oder Schlafstörungen

Umgang mit depressiven Kindern: Typische Anzeichen im Alter von 4-6 Jahren

  • leicht reizbar
  • starke Stimmungsschwankungen
  • ausgeprägte Müdigkeit
  • Kind spricht von Bauch- oder Kopfschmerzen
  • Schlaf- oder Essstörungen
  • Plötzliches frühkindliches Verhalten, z.B. Einnässen

Umgang mit depressiven Kindern: Typische Anzeichen im Alter von 7-10 Jahren

  • negative Selbsteinschätzung
  • starke Hemmungen
  • Zukunftsängste
  • Kaum Kontakt zu anderen Kindern
  • Wenige oder schwache Beziehungen
  • Kein altersgerechtes Sprechen
  • Häufiges Grübeln
  • Konzentrationsprobleme
  • Plötzliches frühkindliches Verhalten

Umgang mit depressiven Kindern: Typische Anzeichen im Alter von 11-15 Jahren

  • ausgeprägte Selbstzweifel
  • diffuse Angstgefühle
  • Konzentrationsschwächen
  • Kind wirkt apathisch, zieht sich zurück
  • Ess- und Schlafstörungen
  • Extreme Stimmungsschwankungen

5. Depressionen bei Kindern: Was können Eltern tun

Wenn ihr bei eurem Kind Auffälligkeiten feststellt, die länger anhalten, solltet ihr zunächst versuchen, das Gespräch zu suchen und Interesse an dem zu zeigen, was es tut oder was es beschäftigt. Bei kurzzeitigen Stimmungsschwankungen oder Traurigkeit hilft es manchmal schon, wenn Mama oder Papa sich ein bisschen mehr Zeit nehmen und etwas Extra-Liebe verteilen.

Wenn es aber Anzeichen gibt, dass das Kind an einer depressiven Verstimmung leidet oder sogar schon mitten in einer ausgewachsenen Depression steckt, sollten Eltern nicht zögern, sich an einen Kinder- oder Jugendtherapeuten zu wenden und sozialpsychiatrische Beratungsangebote zu nutzen.

6. Hier findet ihr Hilfe für den Umgang mit depressiven Kindern

Grundsätzlich ist der Kinderarzt oder die Kinderärztin eure erste Ansprechpartnerin, wenn ihr vermutet, dass euer Kind depressiv sein könnte. Diese kann bei Bedarf an Fachärzt*innen überweisen. In Notfällen, z.B. bei drängenden und konkreten Suizidgedanken, können sich Eltern an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt wenden.

Um die ersten Fragen zu klären, kann das Info-Telefon Depression der Deutschen Depressionshilfe eine Hilfe sein. Die Mitarbeiter*innen informieren zu Krankheit und Behandlung und geben Hinweise zu Anlaufstellen. Erreichbar ist das Info-Telefon unter der Rufnummer 0800 3344533. Auf der Webseite der Deutschen Depressionshilfe gibt es außerdem eine Übersicht zu Krisendiensten und Beratungsstellen.

7. Behandlungsmöglichkeiten für Kinder mit Depressionen

Die Behandlung von Kindern findet meistens in Form einer ambulanten Psychotherapie statt. Das heißt, die Kinder müssen in der Mehrheit der Fälle nicht stationär in eine Klinik aufgenommen werden. Außerdem umfasst die Behandlung eine Aufklärung der Eltern sowie eine altersgerechte Aufklärung des Kindes über die psychische Erkrankung. Um die Eltern beim täglichen Umgang mit depressiven Kindern zu unterstützen, sind sie in die Therapie eingebunden. Auch Geschwister oder weitere Bezugspersonen können einbezogen werden.

Zusätzlich kann es eine medikamentöse Behandlung der Depression geben. Medikamente können zwar Spannungen in der Familie, Schwierigkeiten in der Schule oder andere schwierige Lebensumstände nicht beheben, aber durch eine erfolgreiche medikamentöse Behandlung verschwinden Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Freudlosigkeit. So erscheinen die bestehenden Probleme weniger groß. Das Kind hat im besten Fall wieder neuen Mut, dass es diese bewältigen kann.

8. Umgang mit depressiven Kindern: Eine echte Mama erzählt

Auch eine Mama aus unserer Community musste bereits erleben, wie ihre siebenjährige Tochter unter Selbstmordgedanken und depressiven Episoden litt. Wie sie diese Zeit wahrgenommen hat, erzählt sie uns in ihrer berührenden Geschichte, die gleichzeitig Hoffnung macht, dass es immer einen Weg aus der Dunkelheit gibt:

Im ersten Lockdown randalierte meine Tochter täglich, sie zerschlug alles, was in ihrer Nähe war vor Wut und Verzweiflung. Wenn sie gerade mal nicht wütend war, dann lag sie mit starrem Blick oder weinend im Bett, unfähig aufzustehen oder zu essen (…) Einmal sagte sie mir, dass es sich besser anfühlen würde, wenn sie tot wäre, da war sie gerade sieben Jahre alt.

Irgendwann hing ein Strick vom Dachfenster ihres Zimmer, ich geriet komplett in Panik.

Meine Tochter kam überhaupt nicht mehr klar, morgens klammerte sie sich weinend an mich, wenn sie zur Schule musste. Sie schlug mich und andere Familienmitglieder und erbrach sich ständig. Irgendwann wog sie nur noch 18 Kilo, hatte tiefe Augenringe. Es war so furchtbar.

(…) Ich ging zur Erziehungsberatung, zum Jugendamt, telefonierte wie eine Verrückte, um Hilfe zu bekommen. Erst als ich den Kinderarzt wechselte und eine gute Psychologin für unsere Tochter bekam, ging es endlich bergauf. Im Mai 2021 bekam meine Tochter einen Platz in einer Tagesklinik, dort erhielt sie die Diagnose ADHS und Medikamente.

Seitdem geht es ihr viel besser.

An Weihnachten sagte meine Tochter mir, dass sie sehr dankbar sei, dass ich das alles mit ihr durchgestanden und nicht aufgegeben habe. In ihrem Kopf ist nun alles viel strukturierter. Ich musste vor Freude beinahe weinen und war unglaublich stolz auf mein Kind. Ich hoffe, unsere Geschichte ermutigt andere Eltern, sich so schnell es geht Hilfe zu suchen und ihre Kinder nicht aufzugeben.”

Die ganze Geschichte könnt ihr hier noch einmal nachlesen: Suizidgedanken bei Kindern: „Plötzlich hing ein Strick im Kinderzimmer.”

 

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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