Hat mein zappeliges Kind ADHS? Welche Anzeichen sind typisch? Welcher Arzt hilft mir weiter – und muss ich wirklich unbedingt Ritalin geben? Immer wieder lesen wir in unserer Community Fragen wie diese. Das Thema „ADHS bei Kindern“ sorgt bei vielen Mamas für Verunsicherung und Zweifel. Deshalb haben wir einen Experten dazu befragt: Kinderarzt Dr. med. Vitor P. Gatinho ist bei Instagram als der Kids.Doc bekannt und hat uns die wichtigsten Fragen beantwortet:

Kinderarzt Dr. med. Vitor P. Gatinho hat uns die wichtigsten Fragen zu ADHS bei Kindern beantwortet.
Foto: privat
1. Woran kann ich ADHS bei Kindern erkennen?
ADHS zeigt sich durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität. Kinder sind leicht ablenkbar, haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, handeln unüberlegt und sind oft motorisch unruhig.
2. Auf welche Symptome sollte ich bei meinem Kind achten?
- Unaufmerksamkeit: Das Kind vergisst Dinge, wechselt schnell von einer Aufgabe zur nächsten, träumt oft vor sich hin.
- Impulsivität: Es platzt mit Antworten heraus, kann nicht abwarten, unterbricht oft, ist impulsiv und körperlich in den Pausen.
- Hyperaktivität: Das Kind zappelt ständig, kann nicht ruhig sitzen, läuft oft herum.
3. Kann es sein, dass die Symptome von ADHS nur zuhause oder nur in der Kita/Schule,… auftreten?
Ja, das kann sein – aber ADHS ist eine alltagsübergreifende Störung. Manche Kinder können bis zu einem gewissen Grad in machen Settings die Symptome maskieren. Dafür sind sie um so intensiver dann in anderen Umgebungen. Laut Leitlinie müssen Symptome in mindestens zwei Lebensbereichen (z. B. zuhause und in der Schule, Verein, etc) auftreten, um als ADHS zu gelten. Deswegen ist es um so wichtiger, genau hinzuschauen, wenn nicht alle Kriterien immer passen.
4. Ab welchem Alter tritt ADHS bei Kindern auf?
Die ersten Anzeichen zeigen sich oft schon vor dem 6. Lebensjahr, aber die Diagnose wird meist erst ab der Schuleingangsphase gestellt.
5. Was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass mein Kind an ADHS leidet?
Beobachte dein Kind und dokumentiere die Auffälligkeiten. Sprich mit Erziehern oder Lehrern. Danach kannst du einen Kinderarzt oder Spezialisten (z. B. Kinder- und Jugendpsychiater) aufsuchen.
6. Zu welchem Arzt gehe ich?
Zuerst zum Kinderarzt, der dich dann an Fachärzte überweisen kann. Fachärzte sind Kinder- und Jugendpsychiater, Neuropädiater oder spezialisierte Psychotherapeuten.
7. Wie wird ADHS bei Kindern diagnostiziert? Gibt es einen Test?
Ja, die Diagnose ist komplex und vielschichtig. Deswegen stimmt der Mythos auch nicht, dass man ganz schnell eben mal die Diagnose bekommt. Die Diagnose erfolgt durch Eltern- und Lehrerfragebögen, Verhaltensbeobachtungen, Tests zur Aufmerksamkeit und Intelligenztests. Es gibt keinen einfachen Bluttest oder Scan für ADHS.
8. Muss ADHS bei Kindern zwingend behandelt werden?
Nicht immer mit Medikamenten, aber eine Behandlung ist wichtig, wenn das Kind darunter leidet oder es den Alltag stark beeinträchtigt. Eine Hauptsäule, die leider viel zu oft vernachlässigt wird, ist die psychotherapeutische Begleitung.
9. Wie kann man es behandeln?
Um ADHS bei Kindern zu behandeln, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Verhaltenstherapie: Hier erlernt das Kind Strategien zum Umgang mit ADHS-Symptomen.
- Ergotherapie: Zur Förderung von Konzentration und Motorik.
- Medikamente: Falls notwendig, um die Symptome zu lindern.
- Elterntraining: Um den Umgang mit ADHS-Kindern zu erleichtern.
10. Kann man ADHS auch ohne Medikamente behandeln?
Ja! Verhaltenstherapie, Elterntraining, Bewegungsförderung und feste Strukturen helfen vielen Kindern. Medikamente sind nicht immer nötig, aber für die, die sie brauchen oft ein Gewinn.
11. Ich habe Angst, meinem Kind Ritalin zu geben – sind die Nebenwirkungen wirklich so schlimm?
Die Nebenwirkungen (Appetitlosigkeit, Schlafprobleme) sind meist mild und verschwinden oft nach kurzer Zeit. Im Verlauf der Behandlung wird dann regelmäßig der Blutdruck und das Gewicht kontrolliert, damit man da frühzeitig Auffälligkeiten entdecken und entgegensteuern kann.
Medikamente sollten nur gegeben werden, wenn der Nutzen größer als die Risiken ist.
12. Wie kann ich mein ADHS-Kind fördern?
Als Eltern könnt ihr einiges tun, um euer Kind zu unterstützen. Hilfreich sind:
- Klare Tagesstrukturen
- Bewegung und Sport
- Geduld und positive Verstärkung
- Ablenkungsarme Lernumgebung mit Anpassung an das Bedürfnis des Kindes (im Stehen lernen, Fidget-Toys, etc.)
- Feste Regeln mit Flexibilität
Vielen Dank, lieber kids.doc für die hilfreichen Infos!
Erfahrung: „Die ADHS-Diagnose war eine Erleichterung, aber auch beängstigend“
Auch in unserer Community lesen wir immer wieder Erfahrungen von Mamas, bei deren Kindern ADHS festgestellt wurde. Eine von ihnen ist Steffi. Ihre Tochter leidet an ADHS, ihr Sohn hat eine Autismus-Spektrum-Störung, und auch bei Steffi selbst wurde ADHS diagnostiziert. Bis die Diagnosen feststanden, hatte die Zweifach-Mama mit einigen Hürden zu kämpfen, beim Kinderarzt stieß sie auf Unverständnis, und auch heute noch kämpft die Familie, die privat versichert ist, mit den hohen Kosten für die Therapien.
Als die Diagnosen endlich feststanden, war es für Steffi eine große Erleichterung – und gleichzeitig auch ein Schock. Denn sie hatte Angst davor, was auf ihre Kinder zukommen würde. Auch jetzt steht die Familie im Alltag vor einigen Herausforderungen, und das Unverständnis vieler Leute macht ihnen das Leben oft schwer. Was Steffi sich wünschen würde und ihre ganze Geschichte von den ersten Symptomen bis zur aktuellen Situation, könnt ihr hier nachlesen:
„Die ADHS-Diagnose war eine Erleichterung, aber auch beängstigend“