Erschreckend: So viele Kinder leiden psychisch unter dem Lockdown

Viele Eltern machen sich im Lockdown Sorgen um ihre Kinder, schließlich fehlen ihnen über längere Zeit die sozialen Kontakte und die Abwechslung durch Kita oder Schule. Nun bestätigt eine aktuelle Studie, dass Kinder durch die Pandemie psychische Auffälligkeiten entwickeln können. Außerdem alarmierend: Experten warnen, dass auch die Gewalt gegen Kinder durch den Lockdown zunimmt.

Kaum wurde der Lockdown verlängert, schon gibt es schlechte Neuigkeiten. In einer aktuellen Untersuchung hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) herausgefunden, dass sich die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie verschlechtert hat. Die Ergebnisse der Copsy-Studie (Copsy als Zusammensetzung von „Corona“ und „Psyche“) sind leider erschreckend, wie unter anderem der Spiegel berichtet.

Jedes dritte Kind leidet an psychischen Auffälligkeiten

Laut der Studie leide jedes dritte Kind unter „psychischen Auffälligkeiten“. Ängste und  depressive Symptome hätten zugenommen und auch psychosomatische Probleme traten häufiger auf. Besonders tragisch: Mal wieder trifft es die, die es sowieso schon schwer haben. Denn vor allem bei Kindern und Jugendlichen aus sozial schwächeren Familien lassen sich die psychischen Auffälligkeiten durch die Pandemie nachweisen.

Unsere Ergebnisse zeigen erneut: Wer vor der Pandemie gut dastand, Strukturen erlernt hat und sich in seiner Familie wohl und gut aufgehoben fühlt, wird auch gut durch die Pandemie kommen“, sagt Ulrike Ravens-Sieberer, Leiter der Copsy-Studie und Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE.

Für die Copsy-Studie nahmen von Mitte Dezember bis Mitte Januar mehr als 1000 Kinder und Jugendliche und mehr als 1600 Eltern per Onlinefragebogen teil. Im Zentrum der Untersuchung standen 7- bis 17-Jährige. Nach eigenen Angaben ist die Studie die erste ihrer Art in Deutschland.

Dunkelziffer von Misshandlungen in der Pandemie gestiegen

Die Experten des Forschungsnetzwerks Medizinischer Kinderschutz am UKE haben leider noch mehr schlechte Nachrichten. Sie vermuten, dass auch die Dunkelziffer von Kindeswohlgefährdungen in Deutschland während des Lockdowns gestiegen ist. Ihren Ergebnissen zufolge, ist in den Ambulanzen ein Rückgang von 15 Prozent festzustellen, im stationären Bereich sogar um 20 Prozent im Vergleich zu den Monaten März und April 2019. Daraus leiten die Forscher ab, dass die Dunkelziffer von Misshandlung und Vernachlässigung betroffener Kinder weiter gestiegen sein könnte.

Der Grund: Die fehlende soziale Kontrolle durch Schulen oder Kitas. Denn wenn ein Kind mit beispielsweise einem blauen Auge in die Schule komme, dann würden Lehrer oder Erzieher nachfragen und idealerweise einschreiten. Im Lockdown bleiben solche Spuren von körperlicher Misshandlung im Verborgenen. Zusätzlich ist es für die Kinder schwerer, sich anderen mitzuteilen, wenn sie nur mit den Tätern zusammen sind. Und da liegt auch gleich das nächste Problem, denn natürlich ist das Konfliktpotenzial in den Familien viel höher, wenn sie den ganzen Tag in einer kleinen Wohnung zusammen verbringen.

Lockdown als „Medikament“ mit Nebenwirkungen

Deswegen sind die Experten des UKE nicht die einzigen, die die Schließungen von Schulen und Kitas kritisch sehen. Auch andere Stimmen sind in den vergangenen Wochen immer lauter geworden. So fragt Virologe Hendrik Streeck im Gespräch mit dem Focus: „Wo sind die Psychologen und Soziologen? Wo sind die Kinderärzte, die fundiert etwas über Kinder sagen können?“ Er fordert, dass im Beraterteam von Kanzlerin Merkel auch Experten gehört werden, die sich genau mit diesen Themen beschäftigen.

Denn ein Lockdown ist laut Streeck wie „eine Art Medikament in der Pandemie“. Er habe eine messbare Wirkung, aber gleichzeitig gebe es auch Nebenwirkungen. „All die Kollateralschäden, all die Dinge, die um diesen Lockdown herum passieren. Die wirtschaftlichen, sozialen und auch psychischen Folgen müssen wir berücksichtigen“, schließt der Virologe.

Seelische Belastungen politisch mehr berücksichtigen

Dies scheint mittlerweile auch bei Bund und Ländern angekommen zu sein, denn inzwischen machte die Kanzlerin die Öffnung von Schulen und Kitas zu Ländersache. Einige Bundesländer werden deswegen die Schließungen vorzeitig aufheben. Voraussichtlich ab dem 1. März werden dann alle Länderchefs nachziehen, wenn die Infektionszahlen nicht wieder steigen.

Doch Hendrik Streek ist sich (wie auch viele andere Virologen) sicher, dass uns das Coronavirus noch eine Weile begleiten wird. Deswegen mahnt er, ebenso wie die Leiterin der Copsy-Studie, dass die seelischen Belastungen von Familien und Kindern während der Pandemie zukünftig stärker berücksichtigt werden sollten.

Bei Verdacht auf häusliche Gewalt oder Kindeswohlgefährdung ist es also aktuell wichtiger denn je, hinzuschauen und nicht wegzusehen. Hier erfährst du, woran du erkennst, ob ein Kind möglicherweise vernachlässigt wird.

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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