Sprachentwicklung eurer Kinder: Darauf könnt ihr achten

Die Sprachentwicklung eurer Kinder ist Teil ihrer allgemeinen kindlichen Entwicklung. Wir alle haben irgendwann gelernt, uns verbal zu verständigen: Wir sprechen miteinander und setzen dafür unsere Stimme ein.

Doch ab wann braucht die Sprachentwicklung von Kindern logopädische Unterstützung und wie erkenne ich als Mutter oder Vater Sprachentwicklungsstörungen?

Sprachentwicklung der Kinder: Was Eltern wissen sollten

Für die Sprachentwicklung eurer Kinder ist die Beziehung zu allen anderen Entwicklungsbereichen, d.h. der sensorischen, motorischen, sozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung wichtig. Wenn dabei Schwierigkeiten auftreten, dann ist das das Spezialgebiet der Logopädie. 

Die Logopädie, also die Wissenschaft und Behandlung von Sprachstörungen, kann Kommunikationsstörungen vorbeugen. Auch während einer Erkrankung können Logopäd*innen helfen, mögliche Folgen für die Sprache, das Sprechen oder die Stimme abzuwenden beziehungsweise abzumildern. 

Im Interview mit Logopädin Hannah Neufeld vom Deutschen Bundesverband für Logopädie e.V klären wir Fragen rund um die kindliche Sprachentwicklung. Außerdem verrät sie uns, wie Eltern ihre Kinder beim Sprechen lernen unterstützen können.

1. Wie sieht eine altersgemäße Sprachentwicklung bei Kindern aus?

Zur Orientierung ein paar Meilensteine der Sprachentwicklung:

  • Ca. 15 Monate: das Kind beginnt, sein erstes Wort zu sprechen
  • Ca. 18 Monate: die meisten Kinder können nun ihre ersten drei Worte (außer Mama und Papa) sprechen
  • Ca. 1 bis 2 Jahre: das Kind beginnt, Wörter miteinander zu kombinieren und produziert sogenannte Zwei-Wort-Sätze (z.B. Ball da/ Mama haben/ Papa is?), zusätzlich kommt es zur Wortschatzexplosion. Viele Kinder sprechen in diesem Alter mehr als 50 Wörter und bauen ihren Wortschatz rasch aus.
  • Ca. 2 bis 3 Jahre: Der Wortschatz wächst, die Satzlänge nimmt zu. Einige Kinder bilden nun auch Nebensätze. Auch schwierige Lautverbindungen (z.B. Bl-, Br-,…) werden erlernt.
  • Ca. 3 bis 4 Jahre: Der Wortschatz wächst immer weiter an. Pronomen (er, sie, mich,…) werden verwendet. Auch der Satzbau wird immer besser. Das Kind kann nun auch über Ereignisse aus Vergangenheit und Zukunft erzählen. Zudem beginnt es, den Konjunktiv zu verwenden (z.B. ‚Also du wärst jetzt die Mutter und ich wäre das Kind und dann würdest du mich füttern‘).
  • Ca. 4 bis 5 Jahre: Die Entwicklung des Satzbaus ist nun weitestgehend abgeschlossen. Auch die meisten Laute können die Kinder nun korrekt verwenden. Lediglich bei den Zischlauten (z.B. s, z, sch) können sich noch Schwierigkeiten zeigen (z.B. ‚Is gehe bald in die Sule‘).

2. Wie können Eltern Sprachentwicklungsstörungen erkennen?

Generell haben Eltern ein gutes Gespür dafür, ob ihr Kind altersgemäß spricht. Eine genaue ‚Faustregel‘ zum Erkennen von Sprachentwicklungsstörungen gibt es nicht. Wenn Eltern sich Sorgen um die Sprachentwicklung der Kinder machen, ist es immer ratsam, den Kinderarzt/ die Kinderärztin aufzusuchen und diese/n um Rat zu bitten. Er/Sie entscheidet, ob ein logopädischer Behandlungsbedarf vorliegt.

3. Wann wird es Zeit für einen Termin bei Logopäd*innen?

Das richtet sich immer nach dem Schwerpunkt der sprachlichen Schwierigkeiten. Spricht ein Kind im Alter von zwei Jahren weniger als 50 Wörter und bildet es keine Zwei-Wort-Kombinationen, so ist logopädische Therapie indiziert. Auffälligkeiten in der Aussprache (z.B. ‚Mama tomm mal, heute dibt es Sototuchen‘) werden, je nach betroffenen Lauten, ab einem Alter von 3 ½ bis 4 Jahren therapiebedürftig.

Eine Therapie der grammatischen Fähigkeiten kann, je nach Ausprägung, ab einem Alter von 3 ½ Jahren erfolgen. Über einen Therapiebedarf entscheiden Kinderärzte und –ärztinnen, sowie Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und –Ärztinnen.

4. Wie können Eltern die Sprachentwicklung ihrer Kinder fördern?

Es ist immer wichtig, dass Eltern sich den Fähigkeiten des Kindes anpassen, dabei aber weiterhin korrekte grammatische Strukturen verwenden. Zum Beispiel wird man einem 2-jährigen Kind Mamas Abwesenheit so erklären: ‚Die Mama? Mama ist in der Küche. Mama holt uns Kekse. Mhm, lecker Kekse! Ich mag Kekse, magst du auch Kekse?‘. Dem 5-Jährigen erklärt man dies eher so: ‚Mama ist gerade in der Küche, um uns Schokokekse zu holen. Das sind doch deine Lieblingskekse, oder?‘

Zusätzlich ist es bei der Sprachentwicklung wichtig, Wörter, die für das Kind noch unbekannt sind, in verschiedenen Kontexten häufig zu wiederholen und ggf. im Sprechfluss leicht zu betonen (z.B. ‚Oh! Eine Seifenblase!! Schau mal, die Seifenblase glänzt! Oh nein, jetzt ist die Seifenblase kaputt!‘).

Generell ist es wichtig, dass man dem Kind als sprachliches Vorbild dient und es nicht direkt korrigiert (z.B: Nicht: ‚Nein, das heißt doch nicht Tuchen! Kuchen heißt das! Sag mach KUCHEN!‘, Sondern: ‚Oh, ihr habt Kuchen gegessen? Was war das denn für Kuchen? Schokokuchen?‘). Beim indirekten Korrigieren wird das falsch ausgesprochene oder falsch verwendete Wort oder auch die falsche grammatische Struktur vom Erwachsenen aufgegriffen und nochmal korrekt wiedergegeben.

Wichtige korrigierte Elemente können dabei durch Betonung hervorgehoben werden (z.B. Kind: ‚Dann hat der mis gehaut und getretet‘ – Eltern: ‚Ohje, der hat dich dann gehauen und getreten? Das ist ja gemein! Was hast du denn dann gemacht?‘)

5. Was können Ursachen für Sprachentwicklungsstörungen sein?

Sprachentwicklungsstörungen können durch Hörstörungen, Behinderungen und langanhaltende Mittelohrentzündungen ausgelöst werden, wenn diese innerhalb der sprachsensiblen Phase (2.-3. Lebensjahr) auftreten.

In den meisten Fällen liegt einer Sprachentwicklungsstörung jedoch keine erkennbare Ursache zugrunden. Dann spricht man von einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (sSES).

6. Was können Eltern tun, um Sprachentwicklungsstörungen zu vermeiden?

Wenn Eltern den Eindruck haben, dass ihr Kind nicht gut hört, sollten sie schnellstmöglich einen HNO-Arzt/ eine HNO-Ärztin aufsuchen, damit die Ursache der Hörstörung und damit der Risikofaktor zum Entwickeln einer Sprachentwicklungsstörung gefunden und die Hörstörung z.B. mit Hörgeräten ausgeglichen werden kann. Erfolgt die Anpassung mit Hörgeräten erst nach der sprachsensiblen Phase, ist das Erlernen der Sprache deutlich erschwert.

7. Wie fördern Logopäd*innen die Sprachentwicklung von Kindern?

Die logopädische Therapie mit Kindern ist immer spielerisch aufgebaut. Sie richtet sich nach dem Interesse und den Fähigkeiten des Kindes. Mit jungen Kindern werden die therapeutischen Ziele oft in Freispielsituationen (z.B. am Kaufladen, beim Spielen mit Fahrzeugen, etc.) verfolgt. Dabei erfolgt die Therapie indirekt und die Kinder wissen häufig gar nicht, weswegen sie zur Logopädin gehen (häufiges Zitat von Kindern nach der Therapie: ‚Mama, heute haben wir nur gespielt‘).

Je älter das Kind bzw. je besser seine Konzentrationsfähigkeiten, desto eher kann mit dem Kind auch direkt an seiner Störung gearbeitet werden. Dann werden dem Kind auch direkte Hausaufgaben mitgegeben, damit es das Erlernte Zuhause üben, und so schnellere Fortschritte erzielen kann. Je nach Störungsschwerpunkt liegt der Fokus der Therapie eher auf der Erweiterung des Wortschatzes, der Flexibilisierung und Anpassung von Satzstrukturen und/oder der korrekten Verwendung von Lauten.

Vielen Dank an Logopädin Hannah Neufeld, die uns unsere Fragen beantwortet hat!

Sprachentwicklung von Kindern: Unser Fazit

Wir hoffen, dass wir euch mit der Einschätzung unserer Expertin eine grobe Orientierung an die Hand geben konnten. Die Sprachentwicklung der Kinder ist zwar ein individueller Prozess, doch wenn ihr einen Verdacht habt, zögert nicht, euch von eurem Kinderarzt oder eurer Kinderärztin beraten zu lassen. Selbst wenn eure Befürchtungen sich als wahr herausstellen sollten, wisst ihr jetzt, wie ihr damit am besten umgeht und inwiefern die Logopädie euch helfen kann.

Ihr interessiert euch für das Thema sprachliche Entwicklung von Kindern? Dann empfehle ich euch auch diese Beiträge:

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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