Das Schlimmste am Kaiserschnitt? Die seelischen Narben

Vor kurzem habe ich mich mit einer Freundin unterhalten – die genau wie ich unbedingt eine natürliche Geburt wollte, deren Tochter am Ende aber genau wie mein Sohn per Kaiserschnitt zu Welt kam. Mir hat das anfangs ganz schön zu schaffen gemacht, doch wenig später dachte ich: „Was soll’s. Ich habe ein gesundes Kind auf die Welt gebracht, alles andere ist doch egal.“ Deshalb war ich ganz erschrocken zu hören, wie sehr Elly immer noch darunter leidet. Sie war enttäuscht und hatte das Gefühl, es als Frau „nicht gebracht“ zu haben. Und damit ist sie ganz offenbar nicht allein.

„Habe ich versagt?“

Nachdem die amerikanische Medizin-Professorin Kristen Kjerulff 19 Stunden vergeblich in den Wehen lag, holte man ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt. „Ich fühlte mich, als hätte ich versagt, während die Frauen, die vaginal geboren hatten, Grund hatten stolz zu sein“, berichtete sie dem Magazin Parents. Um ihren Gefühlen auf den Grund zu gehen, startete sie eine Untersuchung. Es stellte sich heraus: 25 Prozent der Kaiserschnitt-Mamas waren enttäuscht, 15 Prozent fühlten sich sogar wie eine Versagerin. Ist denn eine natürliche Geburt wirklich das, was uns erst zu einer „richtigen“ Frau macht? Ich finde nicht. Der Gedanke wäre ja eine Ohrfeige nicht nur für die Kaiserschnitt-Mütter, sondern auch für alle freiwilligen und unfreiwilligen Nichtmütter.

Mamas mit Kaiserschnitt müssen sich oft rechtfertigen

Das Schlimme ist aber, dass auch Außenstehende einem oft das Gefühl vermitteln, ein Kaiserschnitt wäre pure Bequemlichkeit. Am Anfang sprach ich nur leise und wenig darüber, wie genau mein Sohn zur Welt gekommen war. Wenn jemand danach fragte, murmelte ich: „Kaiserschnitt.“ Ganz schnell kam dann oft dieser lauernde Blick: „Freiwillig?“ Das hat mich geärgert, weil diese Frage meist von Menschen kam, mit denen ich gar nicht eng befreundet war. Ich dachte deshalb gar nicht daran, ihnen schmerzhafte Details preiszugeben. Trotzdem steckten sie mich gleich in eine Ecke mit superschlanken Promifrauen aus den Magazinen, die sich angeblich zu fein zum Pressen sind. Ich bin weder superschlank, noch prominent. Trotzdem denke ich inzwischen, dass vor allem Missgunst dahinter steckt, wenn man diesen Mädels genussvoll unterstellt, „to posh to press“ zu sein. Glaubt mir: So schön ist die Operation nicht, und die Schmerzen danach sind auch nicht von schlechten Eltern.

Klar ist manchmal auch die Angst vor einer natürlichen Geburt der Grund, aus dem Frauen einen Kaiserschnitt auf sich nehmen. Aber selbst dann haben sie keine bösen Worte verdient, sondern gute Ärzte, die ihnen die Angst nehmen können und ihnen sagen, dass man die schnelle Geburt mit tagelangen Schmerzen hinterher bezahlt. Dass es zu Verwachsungen kommen, sich die Fruchtbarkeit verringern und eine Folgegeburt riskanter werden kann. Und die ihre Patientinnen am Ende in ihrer eigenen Entscheidung unterstützen, wie auch immer die danach ausfällt.

Immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert zu werden, verstärkt das Gefühl, versagt zu haben. 

Was ihr vor der Geburt wissen solltet

Vielleicht wisst ihr schon, dass euer Kind per Kaiserschnitt zur Welt kommen wird, vielleicht wollt ihr auch nur wissen, was euch helfen kann, falls der Versuch einer natürlichen Geburt doch mit einem Kaiserschnitt endet. Dr. Kjerulff stellte fest, dass es den betroffenen Mamas besser ging, wenn sie das Baby innerhalb von fünf Minuten nach der Geburt im Arm halten konnten, und man es ihnen innerhalb von 30 Minuten an ihre Brust legte. Diese Frauen berichteten hinterher viel seltener, traurig oder enttäuscht von sich zu sein. In den meisten Krankenhäusern wird dies heutzutage ohnehin so gehandhabt. Falls ihr euch nicht sicher seid, fragt vorher nach und äußert eure Wünsche.

Knapst ihr noch an einem Kaiserschnitt, der schon länger her ist?

Seid gnädiger zu euch. Egal, wessen Erwartungen ihr enttäuscht zu haben glaubt – eure eigenen oder die der anderen: Ihr habt nicht versagt. Ihr habt Fantastisches vollbracht, ihr habt einem Kind ins Leben verholfen. Es wird sich daran erinnern, dass ihr bei jeder kleinen und großen Wunde gepustet habt,  dass es in euren Umarmungen Trost gefunden hat, ihr mit ihm lustige Spiele gespielt oder leckere Waffeln gebacken habt. Ob ihr es durch die Vagina oder den Bauch zur Welt gebracht habt, ist eurem Kind vollkommen schnuppe. Wahrscheinlich will es das nicht einmal so genau wissen.

Und diejenigen, die auf Kaiserschnitt-Mamas herabsehen, bitte ich: Verkneift euch einfach eure Kommentare und Vorurteile. Hinter jedem Kaiserschnitt steckt eine Geschichte, die ihr nicht kennt. Wie eine andere Mama ihr Kind bekommt, ob sie stillt oder nicht – das alles ist allein ihre Sache, bei der sie oft nicht einmal eine Wahl hatte. Ihr habt es nicht nötig, jemandem Schwäche zu unterstellen, um euch selbst stärker zu fühlen. Zeigt uns nicht jeder Tag mit unseren Kindern, wie sehr wir in der Lage sind, über uns hinauszuwachsen? Lasst uns lieber miteinander und füreinander stark sein – das Mamaleben ist doch herausfordernd genug.

Wie ist es denn bei euch Kaiserschnitt-Mamas: Findet ihr euch in dem Text wieder? Musstet ihr euch vielleicht auch rechtfertigen? Vielleicht mögt ihr mal erzählen – wir freuen uns!

Jana Stieler
Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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Jenny
Jenny
2 Jahre zuvor

Bei meinem 1. Kind habe ich mir vor der Geburt alles mögliche ausgemalt. Welche Schmerzen auf mich zukommen würden bei einer natürlichen Geburt. In welcher Position ich entbinden möchte und das ich auf gar keinen Fall bzw so spät wie möglich auf das „Bett“ im Kreissaal möchte.
Nachdem ich 2 Tage über den ET gewesen bin ist dann auch endlich meine Fruchtblase geplatzt. Wir sind in aller Ruhe ins Krankenhaus gefahren, bis dato habe ich die Wehen nicht einmal gespürt, obwohl ich laut CTG eigentlich schon ordentlich hätte was spüren sollen. Aber dann ging es los. Ich quälte mich, Stunde um Stunde. Die anderen Kreissäle neben mir waren bereits mehrfach belegt worden, weil jede andere Frau gefühlt dort hin kam, 2x gepresst hatte und zack, Kind ist auf die Welt gekommen. So vergingen Stunde um Stunde. Mein Muttermund war irgendwann bei 9cm, bis dann 1 Hebamme die Oberärztin hinzugezogen hatte und man mir erklärte, dass wir nicht weiter kommen (Geburtsstillstand), mein Sohn hat einfach die Drehung in den Geburtskanal nicht geschafft. Da aber bereits fast 1 Tag vergangen war, sollte mein Sohn also per Kaiserschnitt geholt werden. Ich durfte es miterleben, aber ich kann definitiv sagen, dass man sich ziemlich blöd vorkommt. Gefühlt 20 Personen in dem kleinen OP Saal, alle stellen sich vor und man ist eigentlich total neben der Spur.
Ich fühlte mich schrecklich danach. Ich hatte das Gefühl versagt zu haben, obwohl ich zum Glück nie einen blöden Spruch bekommen hatte. Und ich hatte Schmerzen.
Irgendwann kam Kind Nr.2 und ich dachte, schlimmer kann es ja nicht mehr kommen. Eine natürliche Entbindung war mein Traum nach dem ersten missglückten Versuch. Es half nix. Bei der Vorstellung im Krankenhaus wurde alles nochmals eingehend untersucht und vermessen. Oberarzt und FA telefonierten und waren sich einig. Meine kleine Maus schien zu groß für mein Becken (ich bin nicht gerade eine große Person). Auch vor dem Hintergrund bei Geburt Nummer 1 wurde mir also ein Kaiserschnitt nahe gelegt. Schweren Herzens willigte ich nun ein. Dadurch, dass es geplant war, wollte ich wenigstens eine Kaisergeburt haben. Aber auch dieses sollte mir verwehrt bleiben. Während der OP wirkte die Betäubung nicht mehr und ich musste kurzer Hand in die Vollnarkose versetzt werden.
Zum Glück ist mittlerweile das Gefühl des Versagens zurück gegangen, aber ich weiß nicht, wie lange ich verarbeiten muss, dass ich keines meiner Kinder auf natürlichem Wege entbinden konnte.

Maria-Sophie
Maria-Sophie
3 Jahre zuvor

Hallo, ich hatte auch einen Kaiserschnitt. Ich war voll und ganz auf eine natürliche Geburt eingestellt. Es lief auch alles hervorragend – ich konnte die Wehen prima veratmen, was mich wirklich stolz gemacht hat. Doch plötzlich piepte das CTG ganz laut. Die Herztöne meiner Maus fielen ab.. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Meine Wehen wurden schlagartig unerträglich. Es hieß, dass ich Geburtswehen hätte, die viel zu stark für den Stand der Geburt seien. Mein Muttermund war erst 4 cm geöffnet. Mein Baby hätte es nicht geschafft. Es wurde ein Notkaiserschnitt durchgeführt. Ich hab einfach nur gedacht „macht ALLES was nötig ist, Hauptsache meinem Baby geht es gut!!“ ich habe nie gedacht, dass ich versagt hätte. Doch mit der Zeit fühlte ich mich komisch, wenn man mich beglückwünschte und sagte, dass ich es großartig gemacht hätte.. Aber ich habe ja nichts gemacht.. Es wurde gemacht.. Doch mir wurde klar, dass es egal ist, wie ein Kind zur Welt kommt. Ich habe es monatelang in mir getragen und mit der Schwangerschaft einiges durchgestanden. Ich habe die Wehen erlebt. Das aller, aller wichtigste ist, dass mein Baby lebendig und gesund auf der Welt ist! Und dafür habe ich monatelang alles mir mögliche getan. Die letzten Stunden sollten nicht ausschlaggebend sein. Versagt habe ich auf keinen Fall – egal was passiert. Selbst bei einer Fehlgeburt hat man einfach nicht versagt. Das Wort gibt es in diesem Zusammenhang einfach nicht!!

Schlimm am Kaiserschnitt finde ich die tagelangen Schmerzen danach. Die Narbe werde ich jetzt immer haben – hübsch ist sie nicht, keine Narbe ist das. Schlimm waren aber auch die Erwartungen. Alle wollten meine Zaubermaus sehen und meine Eltern meinten nur „Augen zu und durch.“ ich solle mich nicht so anstellen. Ich übertreibe. NEIN! Ein Kaiserschnitt tut schei*e weh! Tage-, wochen-, teilweise monatelang! Es wurde komplett alles durchtrennt und muss erst wieder zusammenwachsen!
Die Schmerzen und die Erwartungen waren aber nicht das schlimmste. Das, was mich heute noch zum weinen bringt ist einfach das Gefühl als ich nach der OP aufgewacht bin und mein Baby nicht da war. Ich lag eine halbe Stunde im Aufwachraum ohne zu wissen wo mein Baby ist, ob es gesund ist oder behandelt werden muss.. Und dann kam die Pfleger und fragten mich, was es denn geworden sei und welchen Namen ich meinem Kind geben habe… Ich wiederholt immer und immer wieder, dass ich es nicht weiß, dass ich mein Kind sehen will. Aber ich musste warten und warten und warten… Mir war das Bonding in der ersten Stunde so wichtig. Das wurde mir genommen. Die Ungewissheit und Angst was mit meinem Kind ist, wird mich immer belasten. Ich beneide die Frauen, die ihr Kind nach der Geburt direkt in den Armen halten konnten.. Haut auf Haut.. Die ihr Kind schreien hören konnten.. Ich weiß bis heute nicht, ob mein Baby sofort geschrien hat. Ich war bei den Untersuchungen, bei dem ersten waschen nicht dabei. Ein Kaiserschnitt ist niemals leicht! Freiwillig würde ich mich nie dafür entscheiden. Aber in den meisten Fällen hat man keine andere Wahl. Das Wohl des Kindes steht an erster Stelle. Ich bin dankbar, dass ich auf ein lachendes, putzmunteres und wunderschönes, 6 Wochen altes Mädchen blicken darf. Auch wenn das Bonding in den ersten Stunden wichtig ist, so ist es nicht ausschlaggebend. Die lange Zeit vor und die noch längere Zeit nach der Geburt sind so viel prägender.