Einfach machen lassen? Dieser neue Erziehungstrend polarisiert

Ein neuer Erziehungstrend erobert Social Media: Kinder sollen aus den Folgen ihres Handelns lernen. Doch wo liegen die Grenzen – und was sagen Expert:innen dazu?

„Zieh bitte deine Jacke an, es ist kalt draußen.“ „Nein!“ Und statt Diskussion, Druck oder Drama lassen Eltern ihr Kind einfach ohne Jacke rausgehen. Kalt? Ja. Lernerfahrung? Vielleicht. Willkommen beim neuen Erziehungstrend mit dem provokanten Namen „Fuck around and find out“, kurz Fafo.

Weniger Machtkämpfe, mehr Selbstwirksamkeit

Auf Social Media wird Fafo gerade heiß diskutiert. Die Idee dahinter: Kinder sollen die Folgen ihres Handelns selbst erleben – statt ständig von Erwachsenen davor bewahrt zu werden. Weniger Machtkämpfe, mehr Selbstwirksamkeit. Klingt erstmal verlockend, oder?

Doch ist das wirklich gute Erziehung – oder nur ein provokanter TikTok-Trend?

Was steckt hinter Fafo?

Übersetzt bedeutet Fafo so viel wie: Mach etwas Unkluges – und sieh, was passiert. Eltern greifen weniger ein, erklären weniger und lassen Kinder Erfahrungen machen, auch unangenehme. Typisches Beispiel: Das Kind weigert sich, eine Jacke anzuziehen, also friert es draußen kurz und lernt daraus.

Laut dem Schweizer Beobachter, der den Trend eingeordnet hat, handelt es sich dabei bislang weniger um ein pädagogisches Konzept als um ein Social-Media-Phänomen.

„Der Begriff ist sehr vage“

Der Erziehungswissenschaftler Alexander Bertrams, Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Bern, sieht Fafo kritisch. Im Beobachter sagt er, der Begriff lasse viel Spielraum für Missverständnisse. Es mache einen großen Unterschied, ob Eltern solche Situationen mit einem Augenzwinkern und in einem sicheren Rahmen zulassen – oder mit einer Haltung von: Geschieht dir recht.

 

 

Leider zeige viele der TikToks zu „Fafo” aber genau das: So wie eines, bei dem die Eltern zuschauen, wie sich das Kind an einem Luftballon verletzt und dann laut lachen, als es beginnt zu weinen. Hier liegt das Problem: Wenn Kinder das Gefühl bekommen, dass Erwachsene sie absichtlich „ins Messer laufen lassen“, kann das schnell das Vertrauen belasten.

Grundidee von Fafo ist nicht neu

Ganz wichtig: Die Grundidee, dass Kinder aus Erfahrungen lernen, ist nicht neu. In der Montessori-Pädagogik spielen sogenannte natürliche Konsequenzen seit jeher eine Rolle. Auch dort darf ein Kind ohne Jacke rausgehen – mit einem entscheidenden Unterschied.

Die Eltern fangen das Kind auf. Die Jacke ist dabei. Und es gibt kein belehrendes „Ich hab’s dir ja gesagt“, wenn dem Kind kalt wird. Genau diese Haltung fehle beim Fafo-Trend oft, so Bertrams im Beobachter.

Außerdem darf man nicht vergessen: Kinder leben viel stärker im Moment. Während wir Erwachsenen uns vorstellen können, wie kalt es draußen sein wird, fällt genau das Kindern oft schwer.

Kinder stark machen – aber nicht gefährden

Bertrams plädiert für einen Mittelweg, der auch im sogenannten Positive Parenting eine Rolle spielt: Risiken minimieren, ohne Kinder in Watte zu packen. Ein aufgeschlagenes Knie gehört zum Großwerden dazu. Steckdosen ohne Sicherung oder scharfe Tischkanten dagegen nicht.

Kinder brauchen Räume, in denen sie ausprobieren dürfen – aber auch Erwachsene, die Verantwortung übernehmen, wenn es gefährlich werden könnte.

Trotzphasen sind kein Zeichen schlechter Erziehung

Viele Eltern feiern Fafo, weil es angeblich Machtkämpfe vermeidet. Doch auch hier rät Bertrams zur Gelassenheit. Trotzphasen seien kein Zeichen von schlechter Erziehung, sondern Lernfelder. Kinder lernen dabei, zu argumentieren, Grenzen auszutesten und Kompromisse zu finden.

Oft lassen sich Eskalationen sogar durch gute Planung vermeiden. Zum Beispiel, indem man Kinder nicht mitten in einer spannenden Serie zum Zähneputzen schickt, sondern den richtigen Moment abpasst. Das spare Nerven – auf beiden Seiten.

Keine Empfehlung für Fafo

Fafo trifft einen wunden Punkt, denn viele Eltern sind müde vom Diskutieren, Erklären und Aushandeln. Die Sehnsucht nach weniger Stress ist absolut verständlich. Trotzdem zeigt der Blick aus der Fachperspektive: Nicht alles, was auf Social Media einfach klingt, ist auch gut für Kinder.

Erziehung braucht Beziehung, Sicherheit und Haltung. Kinder dürfen Erfahrungen machen – aber sie sollten dabei spüren, dass jemand für sie da ist. Nicht gegen sie.

Was denkst du über den Erziehungstrend? Verrate es uns in den Kommentaren!
0
Was denkst du über „Fafo”?x
Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

Alle Artikel

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Neueste
Älteste Beliebteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen