„Wie ich mich als Mutter verloren und wiedergefunden habe.”

„Meine Knie zitterten. Das Rauschen in meinen Ohren erinnerte an den tosenden Sturm eines Meeres. Es war 07:21 Uhr. Meine Füße trugen mich vom Badezimmer ins Schlafzimmer, in dem meine Frau friedlich vor sich hin schlummerte. Hatte sie es etwa vergessen? Heute war DER Tag.

Der Tag des Testes.

An dem wir Bescheid wissen würden. Meine Stimme zitterte: ‚Du musst das Licht anmachen!‘ Sie reagierte nicht. ‚Liebling, du musst das Licht anmachen!‘ Verschlafen brummte mir ihre Stimme entgegen: ‚Warum muss ich denn jetzt das Licht anmachen? Mach es doch selber an.‘ Jap, sie hatte definitiv nicht auf dem Schirm, welcher Morgen es war. Mit wackelnden Knien suchte ich den Lichtschalter. Wo war das verdammte Ding?

Knips. Endlich. Ihre Augen blinzelten mich fragend an, bis sie realisierte, was ich ihr entgegenstreckte.

Ich hielt einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen.

Nach dem Tag des positiven Schwangerschaftstests hielt die Freude zwar an, jedoch rutschte alles andere in weite Ferne. Als erfolgreiche, selbständige Fotografin für Hochzeiten sah ich mich in der kommenden Saison nicht arbeiten. Wie denn auch? Das zweite und gerade das dritte Trimester lagen genau in der Hauptsaison. Meine Frau würde unter der Woche arbeiten und ich am Wochenende (die meisten heiraten freitags oder samstags). Heißt, wir hätten gar keine gemeinsame Familienzeit.

Außerdem würde mich unser kleines Wunder permanent brauchen. Wie sollte ich bitte ein eigenes Business stemmen UND eine gute Mama sein? Mein Hobby, bei den Pferden zu sein, würde ich auch an den Nagel hängen. Dafür war keine Zeit mehr. Und wann würde Zeit für die Mamas hineinpassen? Außerdem verunsicherten mich Sprüche wie: ‚Ihr werdet keinen Schlaf mehr bekommen.‘ ‚Du? Es gibt kein Du mehr. Glaub mir. Me-Time gibts nicht mehr.‘ ‚Ich hatte dann auch keine Zeit mehr für mich.‘ Alles würde sich um das kleine Wesen drehen.

Meine Gedanken rotierten.

War es wirklich eine gute Entscheidung, Kinder zu bekommen? Harte Frage. Aber sie kam auf. Natürlich wollten wir Kinder. Mehr als alles andere. Doch eines Morgens durchzuckte eine schlimme Vorstellung meinen gesamten Körper. Was wäre wenn ich dem kleinen Bauchbewohner irgendwann einen Vorwurf machen würde: ‚Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte ich… ‘

Erschrocken über meinen eigenen Gedanken, machte ich mir eine Sache bewusst: Dieses kleine Wunder hatte alles Glück der Welt verdient.

Und dazu gehört auch eine glückliche und ausgeglichene Mama.

Natürlich war mir klar, dass ich keine Hochzeiten mehr fotografieren würde und viel Zeit mit der Familie verbringen wollte, gerade an den Wochenenden. Das ganze Konzept passte nicht mehr. Aber der Rest? Mein Hobby, meine Ehe. Meine eigenen Wünsche und Träume? Gibt es wirklich den gesunden Begriff ‚selbstlose‘ Mutter? Musst du dich als Mama wirklich selbst aufgeben, um eine gute Mama zu sein

Vielleicht in manchen alten Denkmustern. Und oft wird es heute in der Gesellschaft suggeriert. ‚Wie du gehst heute ins Spa?! Alleine?! Aber du hast doch Ehepartner:in und Kind.‘ Also meine eigene Person komplett links liegen lassen? No way! Wie sollte ich denn meinem Kind die Themen Selbstwert, Individualität und Bedürfnisse näher bringen, wenn ich mich selbst nicht ernst nahm?

Wenn ich nicht glücklich bin, wie soll ich das dann meinem Kind spiegeln?

Natürlich verändern Kinder das Leben. Es ist nicht mehr wie vorher. Es wird teilweise chaotisch, laut, überfordernd und emotional. Aber es wird auch voller Liebe, Freude und Lachen sein. Nur weil du eine große (vielleicht auch neue) Rolle als Mama hast, heißt es nicht, dass du nicht nebenher auch noch eine eigenständige Person bist. Mit individuellen Bedürfnissen, Gefühlen und Wünschen.

Meine Mission seither ist es, andere Mamas daran zu erinnern, dass sie eine tolle Mutter sein können UND für sich selbst da sein dürfen. Dafür habe ich den Blog ‚Life of moms‘ ins Leben gerufen. Dort geht es um dich, deine eigene Identität, ein positives Mindset und um die Balance zwischen Mama-sein und einfach nur Du selbst sein.

Ja, Mamasein ist eine große Aufgabe.

Ja, wir haben es uns ausgesucht. Ja, es erfordert viel Zeit und Geduld. Ja, wir lieben unsere Kinder. Nein, es ist nicht egoistisch, wenn wir Zeit für uns alleine brauchen. Nein, wir sind keine schlechten Mütter, wenn wir ein Hobby nur für uns ausüben. Nein, wir müssen keine Meinungen von Außen annehmen. Und nein, Duschen gehen oder die Toilette aufsuchen ist KEINE ‚Me-Time‘.

Du bist eine tolle Mama. Und eine großartige Person für sich. Manchmal braucht es eine Erinnerung daran oder jemanden, der es dir sagt.”


Vielen Dank, liebe Vivi, dass wir deine Geschichte hier teilen durften. Wir wünschen dir und einer Familie alles Liebe für die Zukunft!

Vivi hilft Müttern dabei, ihr bestes Leben als eigene Person und als Mutter zu gestalten. Als sie schwanger war, hatte sie eine Identitätskrise. Sie gab ihr erfolgreiches Business auf, weil sie dachte, dass sie das als Mama nicht bewältigen kann. Jetzt hat sie verstanden, dass sie beides sein kann: eine tolle Mutter und eine sich selbst erfüllende Person. Wenn du mehr dazu wissen möchtest, kannst du auf ihrem Blog „Life of moms” vorbeischauen.

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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Vivi
Vivi
9 Monate zuvor

Vielen lieben Dank, dass ihr meine Geschichte geteilt habt! 🙂
Vielleicht geht es anderen ja auch so und haben ähnliche Erfahrungen gemacht.