Toxische Eltern: Diese Sätze hinterlassen Spuren

Ich hoffe so sehr, dass unser Sohn irgendwann mit einem warmen Gefühl im Bauch auf diese Zeit zurückschaut. So behaglich wie Vanillepudding und Schaumbäder – auch wenn jetzt nicht immer alles eitel Sonnenschein ist.

Leider überkommt manche Erwachsene jedoch eher ein eisiges Kribbeln, wenn vom Zauber der Kindheit die Rede ist.

Woher kommt dieses fiese Gefühl im Bauch?

Nicht immer können Betroffene genau benennen, warum sie sich in ihrem Elternhaus nie rundum sicher und wohl gefühlt haben. Bei ganz offensichtlichem Missbrauch, etwa durch körperliche Gewalt, ist die Sache meist klar.

Doch es gibt auch Übergriffe, die schwerer  zu erkennen sind. Toxische Eltern haben nicht unbedingt eine diagnostizierte Persönlichkeitsstörung, aber sie können viel Schaden anrichten. Die Folgen machen sich trotzdem oft noch Jahre später in Form schädlicher Verhaltensmuster bemerkbar. Manchmal verstehen Betroffene selbst nicht, warum sie sich so verhalten. Dann besteht die Gefahr, dass sie diese Muster trotz bester Absichten an die eigenen Kinder weitergeben.

Toxische Sätze, bei denen du hellhörig werden solltest

„Ich will dein Kumpel/deine Freundin sein!“

Klingt ja erstmal echt nett, aber… öhm, nö. Schön, wenn man seinen Eltern das Herz ausschütten und auch mal (!) mit ihnen um die Häuser ziehen mag. Fordern Eltern ein freundschaftliches Verhältnis allerdings ein, verweigern sie im eigentlich ihre wahre Rolle –  und die damit verbundene Verantwortung. Es fehlt der Halt, der durch klare Strukturen entsteht. Auch bei bedürfnisorientierter Elternschaft übernehmen die Erwachsenen die Verantwortung und bieten dem Kind ihre Führung an.

Andernfalls kommt es zu einer unguten Vermischung. In einem (aufgezwungenen) freundschaftlichen Verhältnis wird ein Kind schnell überfordert. Es fällt ihnen schwerer, sich abzugrenzen, was für die Entwicklung aber wichtig ist.

„Nimm dir deine Schwester/deinen Bruder zum Vorbild!“

Hast du das früher auch zu hören bekommen? Dabei bestätigen Eltern, die mehr als ein Kind haben: Gene hin oder her – Geschwister sind einfach soooo unterschiedlich. Eigentlich sollten Eltern in der Lage sein, ihren Nachwuchs mitsamt seinen unterschiedlichen Eigenschaften zu lieben. Oder notfalls soviel Reife aufbringen, dass sie im Stillen für sich allein damit klarkommen, falls es anders ist.

Hebt man die guten Eigenschaften nur eines Kindes hervor, spielt man die Geschwister gegeneinander aus.  Sie werden von klein auf darauf gedrillt, sich mit anderen zu vergleichen. Das ist enorm stressig, frustrierend und schmerzhaft – gerade, wenn man das Kind war, das immer schlechter abgeschnitten hat. Denn wahrscheinlich wählt man dann später Vergleiche, bei denen man wieder den Kürzeren zu ziehen glaubt.

„Warum tust du mir das an?“

„Siehst du, jetzt ist Mama/Papa ganz traurig.“ Und das ist deine Schuld, verrät die schmollende Miene. Niemand will Schuld daran sein, dass es den Eltern schlecht geht. Es ist mies, Kindern das Gefühl zu geben, sie wären für das Wohlbefinden ihrer Eltern verantwortlich. Aber: Wenn dein Kind sich wirklich verletzend verhalten hat, weise es gerne ruhig (!) darauf hin, warum dich eine Aktion verletzt hat. Oft können Kinder noch gar nicht einschätzen, wann sich wer warum getroffen fühlt.

„Habe ich dir schon erzählt, wie ICH bla, bla, bla…“

Gerade wenn Eltern wenig Freunde haben oder alleinstehend sind, haben sie vielleicht etwas mehr Redebedarf. Aber wenn du regelmäßig Stunden mit ihnen telefonierst, ohne dass sie jemals nach deinem Befinden fragen, kreisen deine Eltern vielleicht doch etwas zu sehr um dich selbst. Gerade bei narzisstischen Eltern wirst du aber kaum etwas anderes hören – und verständlicherweise wenig Lust haben, mit ihnen zu kommunizieren. Wenn du das Gefühl hast, dass dir der Kontakt nur Energie raubt, ziehe die Bremse und nutze die Zeit lieber, um es bei deinen Kindern anders zu machen – oder dich einfach mal um dich selbst zu kümmern.

„Aber sag deinem Vater/deiner Mutter nichts!“

Die meisten Kinder lieben ihren Mama UND ihren Papa. Deshalb fühlt es sich gar nicht gut an, vor einem der beiden ein Geheimnis bewahren zu müssen. Das ist okay, wenn’s um das Geburtstagsgeschenk für den anderen geht. Aber es gibt auch Geheimnisse, die schädlich sind. Oder von denen das Kind zumindest annimmt, dass der andere es nicht okay fände, davon zu hören.

Es ist nicht fair, Kindern diese Last aufzubürden. Geheimnisse teilt man mit anderen Erwachsenen. Kinder sind – wie gesagt – weder Kumpels noch Partnerersatz.  Außerdem sollen sie nicht lernen zu schweigen, wenn Erwachsene das verlangen – sonst sind sie leichte Opfer.

„Nun stell dich doch nicht so an!“

Es ist gar nicht so leicht, einem anderen seine Gefühle zu offenbaren. Zumindest bei den Eltern sollten sie sicher aufgehoben sein. Eigentlich! Wer dann zu hören bekommt, dass die eigenen Gefühle übertrieben und unberechtigt sind, verliert bald sein Vertrauen – schlimmstenfalls auch das in sich selbst. In diese Kategorie gehören auch Sätze wie: „Sei doch nicht immer so empfindlich“ oder „Komm endlich mal drüber hinweg!“ 

„Wie siehst du denn aus?“

Ich muss zugeben, dass mir der Kommentar auch schon rausgerutscht ist. Unser damals vierjähriger Sohn thronte auf einem riesigen Büschel Haare. Mit der Nagelschere hat er auf seinem Kopf den Mittelstreifen komplett freigelegt und die Fläche blau angetuscht. Toxisch wird’s jedoch, wenn Eltern ständig das Aussehen oder Verhalten ihrer Kinder bewerten und kritisieren. Wie soll man da mit sich ins Reine kommen? Dabei gehören zu den wertvollsten Fähigkeiten, die Eltern ihren Kindern vermitteln können, sich selbst annehmen zu können und Selbstvertrauen. 

Jana Stieler
Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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