Stealthing: „Mein Sohn entstand durch eine Straftat.”

„Hallo, ich bin Lena und 30 Jahre alt. Meine Geschichte zu erzählen, fällt mir nicht leicht, aber ich habe mich nun endlich dazu entschlossen, sie mit euch zu teilen und damit auf das Thema ,Stealthing‘ aufmerksam zu machen.

Stealthing ist eine Form des Missbrauchs, bei der ein Sexualpartner das Kondom heimlich und ohne Einwilligung des anderen Partners entfernt oder beschädigt und anschließend Geschlechtsverkehr ausübt.

Im Februar 2019 kam mein gesunder, taffer und wundervoller Sohn zur Welt.

Neun Monate lang wusste ich nicht, wer der Vater meines Kindes ist. Doch das klärte sich mit seiner Geburt. Mein erster Satz, als ihn sah: ‚Er hat die Farbe von Karamell und ist wunderschön.‘

Doch wie bin ich in dieser Situation gelandet? Ich war gerade dabei, mein Leben zu verändern und mich endlich von meinem narzisstischen, rechtsdenkenden, manipulativen Partner zu trennen.

Weil ich mir einen neuen Freundeskreis aufbauen wollte, suchte ich im Internet nach Kontakten.

Ich lernte jemanden kennen, der mir gleich sympathisch war. Er war afrikanischer Herkunft und vor Kurzem nach Deutschland gekommen. Das erzählte er mir zumindest.

Wir verabredeten uns, um uns kennenzulernen. Wir trafen uns auf ein paar Drinks und gingen später in eine Wohnung, in der er angeblich mit seinem Freund zusammenwohnte. Laut seiner Aussagen war dies eine Art Flüchtlingswohnung. Wir redeten und ich war sehr an seiner Situation und seiner Kultur interessiert.

Und wie der Zufall es so wollte, hatten wir einen One-Night-Stand.

Ich willigte den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr nur ein, wenn wir mit einem Kondom verhüten würden. Er bejahte das. Ich hatte eins dabei und sah auch zu, wie er sich das über den Penis zog. Allerdings zog er es offenbar bei einem Stellungswechsel ohne mein Wissen ab. Nachdem er gekommen war, lief er ins Badezimmer.

Als ich bemerkte, dass das Kondom fehlte, war ich sauer. Ich ging ihm hinterher, suchte im Badezimmer nach dem Kondom und, als ich es dort auch nicht finden konnte, konfrontierte ich ihn. Ich sagte ihm, dass ich nicht mit der Pille verhüte und dass ich ohne Kondom niemals zugestimmt hätte. Er beschwichtigte mich, dass ich schon nicht schwanger werden würde.

Und wenn es so sein sollte, dann wäre es Gottes Wille.

Dann sagte er noch, wenn ein Kind kommen würde, würde es schön aussehen. Ich zog mich an und verließ die Wohnung.

Auf dem Weg nach Hause weinte ich. Ich wohnte noch bei meinem Exfreund, mit dem ich ein paar Tage davor während meiner Periode ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte. Ich war hin- und hergerissen. Was ist, wenn ich wirklich schwanger werde?

Aber ganz schnell sind die Gedanken wieder verflogen.

Für die Pille danach zur Sicherheit hatte ich damals kein Geld und ehrlich gesagt, habe ich auch nicht darüber nachgedacht. Als dann ein paar Wochen später meine Periode ausblieb und mir beim Putzen übel wurde, wusste ich, da stimmt was nicht.

Zusammen mit meinem Exfreund, der vom One-Night-Stand wusste, machte ich einen Test. Positiv. Nun stand ich da, psychisch sowieso voll am Ende und dann noch ein positiver Schwangerschaftstest.

Ich machte daraufhin sofort einen Termin bei meiner Frauenärztin.

Die bestätigte mir, dass ich in der 6. SSW bin. Ich ging zu pro familia, um über einen Schwangerschaftsabbruch zu reden. Es war belastend, dass ich nicht wusste, wer der Vater ist. Doch trotz alledem wurde mir bewusst, dass ich das Kind bekommen wollen würde. Ich informierte auch meinen One-Night-Stand über meine Schwangerschaft und dass er als Vater infrage kommt.

9 Monate später, passend zu meinem Geburtstag, kam mein gesunder Sohn zur Welt. Welche Kinder haben schon zusammen mit den Eltern Geburtstag? 🙂 Obwohl mich seine Geburt sehr glücklich machte, fiel es mir am Anfang schwer, seine Hautfarbe zu akzeptieren, die deutlich zeigte, wer der Vater ist.

Nach der Entbindung schickte ich dem Erzeuger ein Foto und informierte ihn, dass er Vater geworden ist.

Er meldete sich kurz nach der Geburt, um Druck aufzubauen. Er wollte unbedingt das geteilte Sorgerecht bekommen, damit er in Deutschland bleiben kann. Mit dem Jugendamt beschlossen wir, dass er das Sorgerecht nicht bekommt.

Danach hatten wir unregelmäßig Kontakt. Nur zur Vaterschaftsanerkennung und bei zwei Jugendamtterminen war er dabei. Laut seiner Aussage hat er schon drei Kinder und zwei davon in Deutschland.

Die Staatsanwaltschaft brachte meine Situation zu Gericht, da ‚Stealthing‘ eine Straftat darstellt.

Dass das absichtliche Schwängern und/oder Weitergeben von Geschlechtskrankheiten rechtliche Konsequenzen hat, war mir bis dahin gar nicht bewusst. Leider verloren wir den Prozess, da Aussage gegen Aussage stand.

Mein Sohn ist inzwischen dreieinhalb Jahre alt. Sein Erzeuger darf den Kleinen sehen, wenn Mitarbeiter vom Jugendamt dabei sind. Bis heute hat er das dreimal in Anspruch genommen. Wir haben außerdem Abmachungen, dass er zweimal in der Woche mit seinem Sohn telefonieren kann, aber das ist bis dato auch nur fünfmal passiert.

Ich schicke ihm manchmal Bilder und Updates von seinem Sohn, aber er antwortet aktuell nicht mehr.

Trotzdem hat mich mein Schicksalskind gerettet, vor mir selbst und vor meinem kaputten Leben vor der Geburt. Er ist ein Wunder und ich liebe ihn von ganzen Herzen. Noch während der Schwangerschaft lernte ich meinen neuen Partner kennen, der meinen Sohn zum Glück von Anfang an wie sein eigenes Kind angenommen hat.

Ich habe mittlerweile mein Schicksal angenommen und ins Positive wandeln können.

Denn mein Kleiner hat mich zu einem besseren, reiferen Menschen gemacht. Mir ist es wichtiger denn je, allen Menschen mit Liebe zu begegnen – egal welcher Herkunft und Hautfarbe.


Liebe Lena, vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir und deinem Sohn alles Liebe für die Zukunft!

Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Müttern aus unserer Community.

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

Alle Artikel

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
2 Comments
Neueste
Älteste Beliebteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Laura Dieckmann
Antworten  anonym
1 Jahr zuvor

Hallo liebe Mama,

danke für deinen Kommentar und dass du so aufmerksam bist!

Es gibt tatsächlich einen ganz einfachen Grund, warum wir dieses Bild gewählt haben: Meine Kollegin Lena, die den Text in Abstimmung mit der betroffenen Mama zusammen geschrieben hat, hat das Bild gemeinsam mit ihr ausgesucht. Der Mama war es wichtig, dass das Symbolbild ihr und ihrem Kind ähnelt. Tatsächlich ist ihr Kind eine Person of Color, ebenso wie der Vater des Kindes.

Ich hoffe, dass dich diese Antwort mit der Bildauswahl versöhnt?

Liebe Grüße,
Laura

anonym
anonym
1 Jahr zuvor

Und da verwendet ihr für dieses Thema allen ernstes ein farbiges Kind mit einer weißen Frau? Bei dem der Vater offensichtlich ein Schwarzer gewesen sein muss. Hier solltet ihr echt anders bebildern, es handelt sich ja nicht um die Betroffene und ihr Kind selbst.