Postnatale Depression: „Mein Weg durch die Dunkelheit zurück ins Leben.”

Nach der Geburt ihrer Tochter kämpfte Samantha lange mit dunklen Gedanken, Schuldgefühlen und tiefer Erschöpfung – ohne zunächst zu wissen, warum. Ihre postnatale Depression blieb unerkannt, ihr Hilferuf wurde überhört. Heute blickt sie gestärkt zurück – und erzählt offen von ihrem Weg durch die Dunkelheit zurück ins Leben.

Triggerwarnung: Dieser Text thematisiert einen Suizidversuch und eine Depression. Lies die Geschichte also nur, wenn du dich emotional dazu in der Lage fühlst, dich diesem Thema auszusetzen.

„Niemand bereitet dich wirklich darauf vor, was Mutterschaft bedeuten kann – vor allem nicht, wenn sie mit dunklen Gedanken beginnt.

Ich möchte gerne meine Geschichte mit meiner Tochter Lou erzählen. Sie ist jetzt drei Jahre alt.

Der Kindsvater und ich wurden ungeplant schwanger.

Eigentlich hatte ich einen Termin für ein Beratungsgespräch zur Spirale – aber durch Schichtdienst, die Feiertage, einen Umzug und unseren neuen Hund hatte ich es versäumt, mich rechtzeitig darum zu kümmern.

Im März merkte ich, dass sich etwas in meinem Körper veränderte. Ich musste viel häufiger zur Toilette und war im Nachtdienst sehr erschöpft. Also machte ich mehrere Schwangerschaftstests. Als ich das Ergebnis sah, hielt ich kurz inne. Es war, als würde mein ganzes Leben in wenigen Sekunden wie ein Film vor meinen Augen ablaufen.

Wir führten viele intensive Gespräche und entschieden uns, unser Baby zu behalten.

Schon bald hatten wir auch Namen im Kopf. Ich war fest überzeugt, dass es ein Junge wird – und war dann bei der Untersuchung zunächst schockiert, als es hieß, es wird ein Mädchen.

Ich habe lange darüber nachgedacht, warum mich das so erschüttert hat. Es lag an den traumatischen Erfahrungen, die ich in meiner eigenen Kindheit – besonders mit meinem Vater – gemacht habe. Ich hatte mir geschworen, dass mein eigenes Kind niemals Ähnliches erleben soll.

Als Kind war ich sehr zurückhaltend, ängstlich, sprach kaum.

Ich durfte meine Gefühle nicht zeigen. Meine Mutter arbeitete viel – die meiste Zeit verbrachte ich mit ihm.

Während der Schwangerschaft verstärkten sich meine Ängste. Ich sprach häufig mit meinem damaligen Partner über Suizidgedanken und weinte sehr oft. Ich hatte Angst, meiner Tochter nicht das geben zu können, was ich mir als Kind so sehr gewünscht hatte.

Im November 2021 kam Lou zur Welt.

Ich kann das Gefühl kaum in Worte fassen – es war einfach unglaublich. Ich fühlte alles, was ein Mensch fühlen kann. Ich war sofort verliebt in sie. Alle Zweifel waren vergessen. Seitdem habe ich ein ganz neues Vertrauen in mich selbst und meinen Körper.

Ich habe meine Tochter zwei Jahre lang gestillt. Aber obwohl es viele schöne Momente gab, hatte ich immer wieder dunkle Gedanken über mich selbst und die Welt. Ich sprach oft mit meinem Partner darüber, doch er nahm mich nicht ernst – sagte, ich solle nicht übertreiben oder dramatisieren.

Ich zog mich immer mehr zurück.

Ich sprach kaum noch über meine Gefühle, brach den Kontakt zu Freunden und Familie ab, vernachlässigte meine Hobbys.

Besonders schlimm wurde es, als ich Lou innerhalb eines Wochenendes abrupt abstillte – auf Druck der Familie. Kurz danach verschlechterte sich mein Zustand drastisch. Im März 2024 ging es mir so schlecht, dass ich versuchte, mein Leben zu beenden. Mein Partner fand mich bewusstlos im Schlafzimmer, ich kam auf die Intensivstation.

Als ich wieder zu mir kam, war ich erschüttert – über mich selbst.

Ich fühlte mich schuldig, besonders gegenüber meiner Tochter. Ich wünschte mir, all das nicht fühlen zu müssen.

Auf der Intensivstation sprach ich mit einer Psychiaterin. Sie vermutete, dass ich unter einer postnatalen Depression litt – verstärkt durch das abrupte Abstillen. Danach suchte ich erneut Hilfe, diesmal in der Uniklinik Heidelberg. Auch dort wurde der Zusammenhang mit der hormonellen Umstellung vermutet.

Seitdem hat sich vieles verändert.

Ich trennte mich vom Kindsvater, zog mit Lou in eine eigene Wohnung und kehrte in meinen alten Beruf zurück. Ich bin seitdem regelmäßig in Behandlung, gut eingestellt – und es geht mir psychisch deutlich besser.

Ich würde sagen, ich bin inzwischen gut in meiner Rolle als Mama angekommen – auch wenn es natürlich immer wieder neue Herausforderungen gibt. Das Co-Parenting funktioniert gut, was mir Raum für mich gibt und unserer Tochter Stabilität.

Was ich anderen Betroffenen einer postpartalen Depression gerne sagen würde?

Du bist nicht allein. Es ist okay, wenn sich nicht alles schön anfühlt – und es ist kein Zeichen von Schwäche, sich Hilfe zu holen. Heilung ist möglich, Schritt für Schritt. Ich kann mittlerweile sagen: Ich lebe ein sehr schönes Leben mit meinem kleinen Lieblingsmenschen.

Ich wünsche mir, dass psychische Gesundheit rund um Geburt und Mutterschaft endlich ernster genommen wird. Es braucht ein System, das frühzeitig unterstützt – nicht erst dann, wenn es fast nicht mehr geht. Zu oft wird psychische Gesundheit noch immer nicht als gleichwertig zur körperlichen Gesundheit behandelt.”


Liebe Samantha, vielen Dank, dass wir deine berührende Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

Wenn du selbst mit dunklen Gedanken kämpfst oder jemanden kennst, der in einer seelischen Krise steckt: Du bist nicht allein – und es gibt Hilfe. Vertrauliche und anonyme Unterstützung bekommst du bei der Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 – rund um die Uhr, kostenfrei.Auch per Online-Chat erreichst du Hilfe auf www.telefonseelsorge.de.

Bitte sprich mit jemandem. Es gibt Wege aus der Krise.

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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