„Mein Kind ist nicht schwierig, mein Kind ist hochsensibel.”

„Als mein kleiner Schatz zur Welt kam, hatte ich schnell das Gefühl, dass er irgendwie anders ist, als die anderen Babys. Er weinte viel, eigentlich immer, wenn er keinen Körperkontakt hatte. Außerdem reagierte er stark auf Reize. Schon mit wenigen Monaten folgten seine Blicke ständig meinen Bewegungen und ich hatte das Gefühl, dass ihm nichts entgeht.

Bei kleinsten Geräuschen drehte er sein Köpfchen, um alles ganz genau zu beobachten.

Außerdem fiel mir auf, dass seine Routinen für ihn ganz wichtig waren, selbst die kleinsten Änderungen im Tagesablauf brachten ihn komplett aus dem Konzept und er weinte abends vorm Schlafengehen stundenlang. Wenn die Tage aufregend waren, wurde er in der folgenden Nacht ständig wach und brauchte noch mehr Nähe als sonst. Ich habe damals verzweifelt gegoogelt und stellte schnell fest, dass die Anzahl der durchgeweinten Stunden dafür spricht, dass mein Baby ein ‚Schreikind‘ ist.

Auch nach der üblichen Fremdelphase gefiel es ihm überhaupt nicht, wenn Fremde ihn hochnahmen oder anfassten. Während die gleichaltrige Tochter meiner Freundin sofort die Ärmchen nach mir ausstreckte, brauchte mein Sohn lange, um auf andere zuzugehen oder Körperkontakt zuzulassen. Auch die lauten und bunten Plastikspielzeuge, die seiner Spielkameradin so viel Freude machten, ließ er links liegen.

Er bevorzugte lieber ruhige Spiele und Spielzeug, das keine Geräusche machte.

Er konnte sich erstaunlich lange damit beschäftigen, Dinge zu beobachten und wurde dann regelrecht wütend, wenn ich ihn hochnahm. Bei den ersten Malen erschrak ich richtig, weil ich nicht verstand, was los war. Irgendwann bemerkte ich, dass er so heftig reagierte, weil ich sein Spiel unterbrach. Außerdem war mein Sohn von Anfang an ein schwieriger Esser, er mochte nur bestimmte Dinge und es war oft schwer, ihn dazu zu bewegen, etwas Neues zu probieren.

Mit zwei Jahren ging es dann mit den Wutanfällen so richtig los. Klar, alle Kinder durchleben eine Autonomiephase, aber seine Wutanfälle waren wirklich schlimm. Oft konnte ich ihn ewig nicht beruhigen und war frustriert. Dann ertappte ich mich dabei, wie ich mich fragte, warum ausgerechnet mein Kind so schwierig war. Alle Gefühle waren so extrem und seine Stimmung kippte ganz schnell ins Gegenteil.

Wenn mein Mann oder ich schlechte Laune hatten, schien das sofort auf unseren Sohn abzufärben.

Ich selbst werde bis heute oft als ‚Sensibelchen‘ bezeichnet und ich erinnere mich daran, dass ich schon als Kind ein gutes Gespür für die Emotionen anderer Menschen hatte. Trotzdem wäre ich nie auf die Idee gekommen, das oft wilde und wütende Verhalten meines Sohnes mit Hochsensibilität in Verbindung zu bringen. Manchmal wirkte er richtig stur auf mich und die dauernden Wutanfälle gaben mir eher das Gefühl, dass mein Kleiner egozentrisch und willensstark ist.

Bis mich eine Erzieherin darauf ansprach, als mein Sohn fast vier Jahre alt war. Auch ihr waren die kleinen Eigenheiten meines Sohnes aufgefallen: Wie er stets andere beobachtete, langen Augenkontakt hielt und stark auf unbequeme oder kratzige Kleidung, laute Geräusche, Streit und grelles Licht reagierte.

Sie meinte: ‚Das Kind ist doch bestimmt hochsensibel!‘

Also recherchierte ich und machte online ein paar Tests. Nahezu jedes Kriterium passte zu meinem Sohn! Je mehr ich las, desto mehr verstand ich und war mir schließlich sicher, dass ich gerade das Werkzeug gefunden hatte, um meinen Sohn besser zu verstehen.

Hochsensibilität ist eine besondere Veranlagung, die laut Schätzungen etwa 15 bis 20 Prozent aller Menschen betrifft. Hochsensible Kinder werden oft als ‚zu schüchtern‘, ‚weinerlich‘, ‚jähzornig‘ oder ‚schwierig‘ abgestempelt. Dabei sind diese Menschen einfach nur besonders feinfühlig und infolgedessen oft überreizt und überfordert mit ihrer Umwelt.

Mein Sohn ist inzwischen acht und seine sensible Seite ist heute viel deutlicher zu erkennen.

Die Wutanfälle sind weniger geworden und stattdessen äußert er oft tiefsinnige Gedanken, die eigentlich nicht zu einem Achtjährigen passen. Er hinterfragt ständig Dinge, die andere in seinem Alter einfach hinnehmen und macht sich viele Sorgen über das Weltgeschehen. Trotzdem regt er sich immer noch schnell auf und braucht regelmäßigen Rückzug, um alles zu verarbeiten.

Im Großen und Ganzen ist er aber viel besser in der Lage, mit seinen Gefühlen umzugehen. Und ich habe gelernt, ihn zu unterstützen und ihm dabei zu helfen, seine oft sehr schweren Gedanken zu verarbeiten.


Liebe Lara, vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg. Am liebsten erkunde ich mit ihm die vielen grünen Ecken der Stadt.

Auch wenn ich selbst noch keine Mama bin, gehören Babys und Kinder zu meinem Leben dazu. Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert und ich komme als „Tante Lena“ zum Einsatz.

Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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