Am Wochenende wurde der Papst beerdigt. Rund 200.000 Menschen sind zur Trauerfeier nach Rom gereist, allein in Deutschland verfolgten rund 3 Millionen Menschen das Ganze vor dem Fernseher. Ich war einer davon, zumindest kurzzeitig. Der ganze Ablauf nach den alten Traditionen ist wirklich beeindruckend. Und wie viel dieses Ereignis vielen Menschen bedeutet, hat mich schon sehr berührt. Dazu kommt, dass Franzikus ein relativ fortschrittlicher Papst war, der mich mit seinen Aussagen teilweise überrascht hat. Trotzdem ändert das alles nichts an meiner grundsätzlichen Einstellung zur Kirche. Denn aus der bin ich schon vor langer Zeit ausgetreten.
„Mama, glaubst du eigentlich an Gott?“
Das hat meine Tochter mich neulich gefragt. In der Schule besprechen sie gerade die großen Weltreligionen, besuchen eine Kirche, eine Synagoge, das buddhistische Zentrum und eine Moschee. Meine Große beschäftigt das Thema und sie möchte meine Meinung dazu wissen.
Ich antworte ihr ehrlich: „Nein, das tue ich nicht.“ Und zögere trotzdem etwas mit der Begründung. Denn eigentlich möchte ich, dass sie sich selbst ein Bild macht und ihre eigene Meinung bildet. Also versuche ich, es ihr möglichst sachlich zu erklären.
Ich sage ihr, dass ich es mir einfach nicht vorstellen kann, dass es jemanden gibt, der über alle Menschen wacht und sie beschützt. Dass es in meine Augen nicht damit zusammenpasst, dass einfach so viel Schlimmes auf der Welt passiert. Das würde doch so jemand nicht zulassen! Und dass ich manchmal das Gefühl habe, dass einige Menschen Gott als Ausrede benutzen, um sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen.
Aber ich sage ihr auch, dass der Glaube und die Kirche vielen Menschen Halt geben.
Sie vermitteln ihnen das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Und geben ihnen etwas, woran sie sich festhalten können, wenn das Leben gerade schwierig ist.
Wie tröstlich ist zum Beispiel der feste Glaube daran, dass wir nach unserem Tod alle Lieben wiedersehen, die vor uns gehen mussten? Ganz ehrlich, in diesem Punkt wünsche ich mir manchmal sehr, ich würde mehr an Gott und die Kirche glauben. Tue ich aber (leider) nicht.
Dazu kommt, dass vieles, wofür die Kirche steht, meinen Überzeugungen widerspricht.
Der Umgang mit den furchtbaren Missbrauchsskandalen, die starren Machtstrukturen, das Frauenbild, die nicht vorhandenen Frauenrechte, die veraltete Haltung zu Themen wie Abtreibung oder Homosexualität – das alles lässt mich nicht nur mit dem Kopf schütteln, sondern macht mich teilweise wirklich wütend.
Denn gleichzeitig predigt die Kirche doch Nächstenliebe und Toleranz – aber wo bitte wird die umgesetzt?
Stattdessen führen Konflikte zwischen den verschiedenen Religionen immer wieder zu Auseinandersetzungen, Diskriminierung und sogar Kriegen.
Es fängt doch schon in der Bibel an mit der Grausamkeit. Mein Sohn ist in der ersten Klasse und hat mir neulich Fragen zu Jesus gestellt. Ihn beschäftigte tagelang die Frage, wie Menschen einen anderen ans Kreuz nageln können – „Wirklich, mit Nägeln durch Hände und Füße?“ Eine mehr als berechtigte Frage, oder was meint ihr?
Ich finde das Konzept der Kirche einfach völlig veraltet und nicht mehr zeitgemäß.
Abgesehen davon, selbst wenn man an Gott glaubt, braucht man dazu aus meiner Sicht nicht zwingend die Kirche. Deshalb bin ich dort auch schon vor langer Zeit ausgetreten.
Und wir werden auch unsere Kinder nicht taufen lassen. Ich möchte, dass sie das später selbst entscheiden können, und ihnen weder Kirche noch Glauben aufzwingen.
So haben es meine Eltern auch gemacht, und ich finde das eine sehr vernünftige Lösung. Zwar fand ich es schön, mit meiner Oma und meinem Opa an Weihnachten (aber auch nur dann) in die Kirche zu gehen. Ansonsten habe ich mir aber nicht allzu viele Gedanken gemacht, als ich kleiner war.
Ich wurde dann während des Konfirmandenunterrichts getauft. Wenn ich ehrlich bin, habe ich den aber nicht aus meinem tiefen religiösen Glauben heraus besucht, sondern weil alle meine Freundinnen und Freunde dort angemeldet waren. Irgendwie „hat man das eben so gemacht“. Und außerdem war es schon immer mein Traum, ganz in weiß zu heiraten.
Eine kleine Familien-Anekdote am Rande:
Mein Onkel meinte damals, es würde mir bei der Konfirmation doch sowieso nur ums Geld gehen. Um das zu beweisen, hat er mir eine relativ hohe Geldsumme geboten, wenn ich mich nicht konfirmieren lasse. Netter Versuch – aber vergeblich. Denn damit hat er mich erst recht angestachelt, weil ich mich nicht kaufen lassen wollte.
Aber im Prinzip hatte er ja gar nicht so unrecht. Ich weiß nicht, wie viele meiner Freund*innen wirklich gläubig waren. Aber ich vermute, sehr viele waren es nicht.
Und trotzdem: Für das Gemeinschaftsgefühl war es gut! Und darum geht es doch auch bei der Kirche, oder? Zumindest sollte es darum gehen.
Das Thema Geld spielt ja für viele im Zusammenhang mit der Kirche auch eine Rolle.
Oder wüsstet ihr, wofür genau die Kirchensteuer eingesetzt wird. Die ist übrigens für 50 % aller Menschen, die aus der Kirche austreten, der Hauptgrund für ihre Entscheidung. Und ganz ehrlich, ich finde es auch zweifelhaft, dass ich im Prinzip dafür bezahlen soll, dass ich in der Kirche sein „darf“.
Auch nicht gerade meine Definition von Nächstenliebe.
Aber vielleicht gibt es ja Hoffnung:
Papst Franziskus hat sich für eine offenere, tolerante Welt eingesetzt.
Damit hat er mich teilweise wirklich positiv überrascht. Sein berühmter Satz „Wer bin ich, darüber zu urteilen?“, als es um das Thema Homosexualität ging, hat für einiges Aufsehen gesorgt. Er nahm syrische Flüchtlinge von der griechischen Insel Lesbos in seinem Privatflieger mit nach Rom und setzte sich offen für eine menschlichere Behandlung von Flüchtlingen und Migranten und eine offene Willkommenskultur ein.
Ihm war es wichtig, dass die Kirche die Menschen nicht verurteilt, sondern sie in Liebe begleitet – auch wenn sie nicht den kirchlichen Idealen entsprechen. Er kritisierte mehrfach Kapitalismus, Umweltzerstörung und soziale Ungleichheit. Und suchte aktiv den Austausch mit anderen Religionen.
Dazu passt es auch, dass sein Sarg nach der Trauerfeier auf den Stufen der Basilika Santa Maria Maggiore von einer Gruppe Gefangener, Transpersonen, Obdachloser und Migranten in Empfang genommen wurde – so hatte Franziskus es sich gewünscht.
Ein fortschrittlicher, weltoffener Papst also, und vielleicht ja ein kleiner Anstoß für die Kirche, ihre veralteten und längst überholten Ansichten zu überdenken. Dann geht es vielleicht irgendwann weniger Menschen so wie mir.
Wie steht ihr denn zum Thema Kirche: Spielt sie in eurem Leben eine Rolle? Oder habt ihr mit der Kirche nichts am Hut?
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