KiTa-und Schulschließungen, Homeoffice, pandemiebedingte Zukunftsangst – die letzten zwei Jahre waren hart für Mamas und Papas. Wird jetzt automatisch alles besser? Wohl leider eher nicht. Viele Eltern sind immer noch fix- und fertig, denn schon ihre „normale“ Belastung bringt viele an ihre Grenzen. Das zeigt eine neue Studie zum Eltern-Burnout, in der das Befinden von Eltern in 42 Ländern untersucht wurde.
Manchmal ist einfach alles zuviel
Eltern-Burnout ist kein Spielplatz-Smalltalk für Warmduscher, sondern ein ganz reales Problem. Die Forscher stellten fest, dass die Gefühle sogar noch intensiver als beim „Job-Burnout“ ausfallen können. Eltern sind in ihrer Rolle gefangen. Den Job kann man wechseln, die Kinder nicht. Was nicht heißt, dass Betroffene jemals ihre Kinder eintauschen würden. Du kannst dein Kind innig lieben – und deine Elternschaft trotzdem als Knochenjob empfinden.
Vielleicht hast du das Gefühl, deinen eigenen Ansprüchen nicht genügen zu können. Oder du denkst, dass du deinen Kindern nicht genügend gibst. Womöglich wird von allen Seiten an dir gezerrt, während die Wohnung mal wieder im Chaos versinkt. Vielleicht mag sich keines deiner Kinder die Zähne putzen, ohne sich vorher schreiend auf dem Boden gewälzt zu haben. Vielleicht bist du dir mit deinem Partner uneinig, wie euer Familienleben aussehen soll. Oft kommen mehrere solcher Situationen zusammen und wirken dann sehr belastend. Da kann es schon mal sein, dass der für die Erholung notwendige Schlaf ausbleibt, auch wenn dafür deine Kinder schon lange durchschlafen. Eine Weile ist das auszuhalten. Aber auf Dauer belastet Stress den Körper, die Seele – und irgendwann auch die Beziehung zu deinen Kindern.
Eine Phase! Aber was, wenn sie nicht vorbeigeht?
Professorin Moïra Mikolajczak von der Katholischen Universität in Louvain Catholic (Belgien) arbeitete an der neuen Studie mit und nennt drei Phasen des Eltern-Burnouts:
- Phase eins: überwältigende Erschöpfung. Bei den Eltern jüngerer Kinder zeigt die sich oft zuerst körperlich (Schlafmangel), bei den Eltern älterer Kinder kommt es dafür häufiger zu einer emotionalen Erschöpfung, z.B. wegen andauernder Auseinandersetzungen.
- Phase zwei: Ausgebrannte Eltern fangen oft an, auf Distanz zu ihren Kindern zu gehen, um ihre letzte Energie zu sparen.
- Phase drei: Das Elternsein fühlt sich nicht mehr erfüllend an. „Diese Eltern werden dir sagen: ,Ich liebe meine Kinder, aber ich halte es nicht mehr aus, mit ihnen zusammen zu sein. Ich ertrage es nicht mehr Mutter/Vater zu sein`“, sagt Mikolajczak. Mögliche Folgen: Vernachlässigung, schlimmstenfalls sogar verbale oder körperliche Gewalt. Wichtig: Falls du fürchtest, du könntest deinen Kindern weh tun – egal, ob mit deinen Händen oder durch andauerndes Brüllen oder Beleidigen – oder wenn dies bereits vorgekommen ist, suche dir so schnell wie möglich Hilfe. Sicher gibt es auch bei dir in der Nähe eine Familienberatungsstelle. Dort verurteilt dich ganz bestimmt niemand. Ganz im Gegenteil: Es erfordert wahnsinnig viel Mut und Kraft, sich einzugestehen, dass man die Situation nicht mehr unter Kontrolle hat.
Das alles klingt ziemlich krass, gerade weil wir alle noch diese Idealbilder von einer glücklichen Elternschaft im Kopf haben. Die muss auch nicht immer Fake sein – hat aber auch viel mit Glück, finanzieller Absicherung und den persönlichen Ressourcen zu tun. Wer völlig ausgebrannt ist, hat nichts mehr zu geben. Deshalb ist Selbstfürsorge tatsächlich wie die Atemmaske im Flieger: Du musst sie dir zuerst aufsetzen, um für andere da zu sein.
Eltern-Burnout: So geht’s wieder aufwärts
„Einfach mehr Selbstfürsorge? Echt jetzt? Ich geb dir gleich Schaumbad – in your face!“, geht dir jetzt vielleicht durch den Kopf, falls du kaum noch weißt, wie du einen Schritt vor den anderen setzen sollst. Und du hast Recht. Weder ein Wellness-Wochenende noch die tägliche Mini-Meditation heilen eine tiefe Erschöpfung. Doch die Erkenntnisse der Forscher verraten nicht nur, was Stress verstärkt, sondern auch, was hilft, dich vor einem echten Burnout zu schützen:
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Drüber reden – aber richtig
Ehrlichkeit ist beim Thema Eltern-Burnout Trumpf, aber nicht überall und jederzeit. Öffne dich besser nur in einer Atmosphäre, in der du nicht damit rechnen musst, verurteilt zu werden. Foren, in denen getrollt wird, oder in denen vor allem Mütter aktiv sind, die in ihrer Rolle gerade voll aufgehen, ziehen dich vermutlich eher weiter runter. Halte dich an Menschen oder Gruppen, die ähnlich empfinden. Hake sanft nach, wenn eine andere Mama dir von ihrer Erschöpfung berichtet. Davon, dass sie ihre Kinder wahnsinnig liebt, aber manchmal am liebsten zum Mond schießen würde. Zu erleben, dass solche Gefühle stinknormal sind, baut Scham und Selbstvorwürfe ab, die sonst zusätzlich Stress machen.
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Ändere kleine Dinge
Überlege, was dich alles genau stresst – und verschwende keine Energie damit, Dinge ändern zu wollen, die sich nicht ändern lassen. Wenn dein Baby dich mehrmals in der Nacht aus dem Schlaf reißt, ist das so. Aber dein Mann kann nachts wickeln, dein größeres Kind Aufgaben im Haushalt übernehmen und vielleicht springen ja auch Oma oder Opa mal ein, um auf die Kinder aufzupassen.
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Finde die richtige Hilfe, um ein Eltern-Burnout zu vermeiden
Ratgeber können motivieren, stärken – und schaden. Wenn du eh das Gefühl hast, nicht mehr zu können, macht es dich wahrscheinlich endgültig fertig, Bücher zu lesen, die dir vermitteln, dass es immer noch ein bisschen „kindgerechter“ geht. Ich glaube an viele Aspekte der bedürfnisorientierten Beziehung… und daran, dass dabei auch unsere Bedürfnisse zählen. Schau, was gerade für dich passt. Vielleicht ist es kein Ratgeber, der dich zur „perfekten“ Mutter und deine Kinder zu den glücklichsten ever machen will, sondern ein Seminar zur Stressbewältigung. Solche Angebote findest du oft preisgünstig und speziell auf Eltern zugeschnitten in Familienbildungseinrichtungen.
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Verbanne „Ich sollte eigentlich“ aus deinem Wortschatz
Perfektionistinnen haben ein höheres Burnout-Risiko. Auch sich dauernd mit anderen zu vergleichen – z.B. mit perfekten Instagram-Bildern – ist tödlich fürs Selbstvertrauen. Konzentriere dich lieber aufs Machbare und lasse auch Fehler zu. Gut genug ist halt gut genug.
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Nimm Minipausen
Okay, hier kommen dann doch die Badewanne und die tägliche Mini-Yoga-Einheit in Spiel – als kleine Bausteine zu mehr Gelassenheit. Gönn dir kleine Auszeiten für dich – und wenn du dich nur fünf Minuten ins Badezimmer einschließt und ein paar mal ganz tief ein- und ausatmest, wenn du das gerade brauchst.
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Gegen das Eltern-Burnout: Finde den Spaß wieder
Versuche trotz deiner Erschöpfung kleine Aktivitäten einzubauen, die du bewusst mit deinen Kindern teilst, um wieder mehr Verbundenheit zu spüren. Das funktioniert aber nur, wenn sie euch ALLEN gut tun. Zwinge dich nicht, 1001 Legosteine zu verbauen oder das tausendste Mal Kaufmannsladen zu spielen, wenn du dabei innerlich durchdrehst. Es ist auch okay, einfach gemeinsam einen schönen Film zu schauen. Am liebsten einen, der Empowerment feiert (gerade finde ich da „Encanto“ ziemlich gut). Wenn du im Grünen am besten auftankst, geht lieber eine Stunde in den Park. Gemeinsam zwanglos Spaß zu haben, bringt zusammen. Es hilft außerdem, die schönen Seiten des Elternseins wieder mehr in den Fokus zu rücken – ohne die Probleme krampfhaft verdrängen zu wollen.
Falls du schon länger unter wirklich tiefer Erschöpfung leidest, findest du womöglich im Zusammensein mit deinen Kindern gerade keinen Zugang zu positiven Gefühlen. Du bist dann kein Muttermonster, sondern eben einfach… tief erschöpft. Vielleicht können Oma und Opa die Kinder für ein oder zwei Nächte nehmen, damit du überhaupt mal Gelegenheit hast, sie zu vermissen? Es kann auch helfen, alte Babyfotos anzuschauen: Erinnerst du dich noch an das überwältigende Gefühl, diesen neuen Menschen in dein Leben gelassen zu haben?
Wichtig: Wenn du mitten in einem echten Eltern-Burnout steckt, kommst du vielleicht alleine nicht heraus. Solltest du das Gefühl haben, dass du keinen Schritt weitergehen kannst, scheue dich bitte nicht, dir professionelle Hilfe zu suchen – sei es bei einer Familienberatungsstelle vor Ort oder einem Psychologen. Einen ersten Hinweis, ob du betroffen bist, kann dir dieser Test geben.