Ein Baby zu verlieren, gehört zu den schlimmsten Erfahrungen, die Eltern machen können. Die Trauer ist oft überwältigend, die Sprachlosigkeit im Umfeld groß, und für viele stellt sich die Frage: Wie geht man mit einem Verlust um, der das ganze Leben verändert?
Sternenkinder – so werden Babys genannt, die während der Schwangerschaft, bei oder kurz nach der Geburt sterben. Ihre Eltern bleiben zurück mit einer unendlichen Liebe und gleichzeitig einem tiefen Schmerz. Gerade die Trauer um ein Sternenkind ist besonders schwer, weil so viele Hoffnungen und Träume unerfüllt bleiben.
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir mit Natalie Katia Greve gesprochen. Sie ist psychologische Beraterin und Trauerbegleiterin.
Trauer Sternenkind: „Es ist wichtig, die Emotionen anzunehmen.”
Echte Mamas: Was hilft mir, wenn ich mein Baby verloren habe?
Natalie Katia Greve: Ein Baby zu verlieren, erschüttert das ganze Leben und stellt so vieles in Frage. Dazu kommt ein Schmerz, der oftmals kaum auszuhalten scheint. Ich halte es für wichtig, genau das anzuerkennen. Es gibt keine Lösung und keinen schnellen Weg. Das Kind zu betrauern, die Emotionen anzunehmen und gut für sich zu sorgen, das ist in meinen Augen der Weg.
Für viele Menschen ist es hilfreich, über die Geschehnisse zu sprechen, mit vertrauten Menschen, oder auch mit professionellen Trauerbegleitern, Psychologen oder anderen Betroffenen zum Beispiel in Selbsthilfegruppen.
Echte Mamas: Wie lange dauert die Trauer um ein Sternenkind – und hört sie jemals auf?
Natalie Katia Greve: Wir trauern ein Leben lang, nur verändert sich die Trauer im Laufe der Zeit. Sie kommt in Wellen mit unterschiedlichen Intensitäten. Zumeist werden die Abstände im Laufe der Zeit größer. An Geburtstagen oder Jahrestagen kann sie wieder präsenter sein. Das Sternenkind ist Teil unseres Lebens und so bleibt auch die Trauer. Wichtig ist, dass wir uns mit dem Sternenkind im Herzen dem Leben wieder zuwenden und uns neuen Möglichkeiten öffnen. Wir lernen den Schmerz anzunehmen, auch wenn er vielleicht nie ganz weggeht.
Abschiedsrituale können bei Trauer ums Sternenkind helfen
Echte Mamas: Wie kann ich mein Sternenkind verabschieden? Gibt es Rituale, die helfen?
Natalie Katia Greve: Rituale können uns beim Abschiednehmen helfen. Dabei ist es wichtig, dass sie sich für die Betroffenen richtig anfühlen und nicht auferlegt. Sie allein entscheiden, was Sie möchten.
Der kleine Sarg kann bemalt werden, Sie können einen Brief beilegen oder auch andere Dinge, die Sie Ihrem Baby mitgeben möchten. Vielleicht soll eine bestimmte Kerze brennen, die Sie auch wieder zu anderen Anlässen anzünden möchten. Überlegen Sie, wer an der Trauerfeier teilnehmen soll, vielleicht möchten Sie oder jemand, den Sie bestimmen, ein paar Worte sprechen, vielleicht ist auch das gemeinsame Schweigen das, was Sie unterstützt.
Viele Betroffene gestalten das Grab des Babys immer wieder liebevoll und neu. Manche pflanzen einen Erinnerungsbaum oder taufen einen Stern auf den Namen ihres Kindes. Eine Erinnerungskiste kann die Dinge beinhalten, die Ihnen wichtig sind oder Sie gestalten auch zu Hause einen sichtbaren Erinnerungsort.
Wichtig ist, dass sich Rituale verändern dürfen. Sie sollen Sie unterstützen, nicht noch weiter belasten.
Wie Geschwister bei der Trauer ums Sternenkind unterstützen
Echte Mamas: Was sage ich meinem Kind, wenn das Geschwisterchen gestorben ist?
Natalie Katia Greve: Kinder haben ein Gefühl dafür, dass etwas nicht stimmt und ihre Bezugspersonen trauern. Deshalb ist es wichtig, mit den Kindern offen, ehrlich und gleichzeitig altersgerecht zu sprechen, damit sie die Verantwortung für das, was sie wahrnehmen, nicht bei sich suchen. Bei kleinen Kindern können Sie einfache und gleichzeitig klare Worte nutzen wie zum Beispiel: „Das Baby war krank und konnte nicht bei uns bleiben. Es ist gestorben.“
Sagen Sie, dass Sie traurig sind und das Geschwisterkind auch traurig sein darf. Nehmen Sie Fragen ernst, auch wenn diese sich öfter wiederholen. Laden Sie die Kinder ein, mit Ihnen zusammen Erinnerungen zu gestalten und sich den eigenen Emotionen zuzuwenden. Gleichzeitig trauern Kinder, wie sie durch Pfützen springen: Sie springen rein und nach kurzer Zeit wieder raus. Das ist normal.
Der richtige Zeitpunkt: Wann nach Verlust eines Babys wieder schwanger werden?
Echte Mamas: Wann ist der richtige Zeitpunkt, wieder schwanger zu werden?
Natalie Katia Greve: Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt, zumindest nicht, was die Trauer betrifft. Körperlich sollten Sie das mit Ihrem Arzt besprechen. Psychisch ist es eine individuelle Entscheidung, die Sie als Paar treffen sollten. Geben Sie sich Zeit, Ihrer Trauer und Ihren Emotionen einen Raum zu öffnen. Es ist wichtig, das verlorene Kind zu betrauern und nicht vor dem Schmerz in die neue Schwangerschaft zu flüchten, die ja auch wieder Emotionen mit sich bringt. Spüren Sie in sich hinein. Ich bin mir sicher, Sie werden fühlen, wann Sie bereit sind, wieder schwanger zu werden.
Echte Mamas: Was tun, wenn mein Umfeld nicht über den Verlust sprechen will?
Natalie Katia Greve: Oftmals ist das Umfeld überfordert oder sprachlos, hat Angst, das Falsche zu sagen, oder findet keinen Umgang mit der Trauer. Menschen denken, wenn sie den Verlust nicht ansprechen, dann ist der Schmerz nicht da. Das ist leider nicht richtig. Wenn Sie das Bedürfnis haben, zu sprechen, dann versuchen Sie es klar zu formulieren. Sagen Sie, was Sie sich wünschen und brauchen.
Für viele Betroffene sind Selbsthilfegruppen oder Trauergruppen sinnvoll, die oftmals auch online möglich sind. Hier treffen Sie auf andere Menschen, die ihr Baby verloren haben, und können frei sprechen. Das ist für viele Menschen eine große Entlastung.
Unterscheidet sich die Trauer um ein Sternenkind von anderen Verlusten?
Echte Mamas: Wie unterscheidet sich Trauer nach einer stillen Geburt von anderen Verlusten?
Natalie Katia Greve: Die Trauer nach einer stillen Geburt unterscheidet sich von anderen Formen der Trauer in diversen Punkten. Die Betroffenen betrauern nicht nur das Baby, sondern auch die Erwartungen, Hoffnungen und Träume, die mit dem Kind verbunden waren. All die Wünsche für ein gemeinsames Leben als Familie werden sich nicht mehr realisieren, und das ist sehr schmerzhaft.
Der Tod tritt ein, bevor das wirkliche Leben begonnen hat. Das fühlt sich zum einen so unwirklich an und zum anderen sind da so wenige gemeinsame Erinnerungen, an denen die Betroffene sich festhalten können. Hier geht es auch um das, was sich nicht erfüllen oder stattfinden wird. Einige Menschen berichten, dass sie sich um das Elternsein nach der Geburt betrogen fühlen und stellen ihre Rolle als Eltern in Frage.
Hier möchte ich gerne sagen: Sie waren und Sie sind weiterhin Eltern, und das darf sich in Ihrer Trauer sowie auch in der Trauerfeier zeigen. Leider wird gesellschaftlich die stille Geburt nicht so anerkannt wie andere Verluste, deshalb ist es umso wichtiger, sich den Raum für die eigene Trauer und für Rituale zu nehmen.
Für die Mutter, aber auch die Eltern, kommt zur emotionalen Belastung auch die körperliche Belastung von Geburt, Milcheinschuss, Wochenbett – und das alles ohne lebendes Kind. Oftmals ist es hier wichtig, sich professionell begleiten zu lassen. Eine stille Geburt kann traumatisch sein. Hilfreich ist eine professionelle Begleitung auch, um die Paarbeziehung nicht zu gefährden, was in solchen Situationen passieren kann, gerade wenn beide Partner unterschiedlich mit der Trauer umgehen.
Bei einer stillen Geburt kann es auch zu Schuldzuweisungen gegen sich selbst oder andere kommen. Viele stellen sich Fragen nach dem „Warum“. Auch in dem Fall kann professionelle Hilfe nützlich sein.
„Auch wenn es schmerzhaft ist: Die Trauer tut etwas für uns.”
Echte Mamas: Was können Mütter tun, um ihre Trauer zu verarbeiten – auch langfristig?
Natalie Katia Greve: Ich denke, das Wichtigste ist, sich Zeit zu geben und sich gut um sich selbst zu kümmern. Die Trauer ist dafür da, uns zu helfen, einen Verlust zu verarbeiten und mit dem Baby im Herzen weiterleben zu können. Auch wenn sich die Emotionen dahinter oft furchtbar anfühlen, so tut sie doch etwas für uns. Und wir trauern auch, wenn wir nicht aktiv weinen. Es ist also gut, sich auch immer wieder Auszeiten von der aktiven Trauer zu nehmen und zu schauen, was sich gut anfühlt: ein Spaziergang zum Beispiel oder ein Gespräch.
Oftmals ist es hilfreich, sich Unterstützung zu suchen in Form von Trauerbegleitung, psychologischer Unterstützung oder auch Selbsthilfegruppen, aus denen oftmals schöne Verbindungen entstehen. Wer möchte, kann schreiben oder auch malen, um der Trauer einen Ausdruck zu geben. Die betroffenen Menschen sind die Experten für ihr Leben und auch für ihre Trauer. Es gibt nicht das Eine, was richtig ist, sondern das, was jeder einzelne Mensch braucht.
Trauer ums Sternenkind: Hier gibt es Hilfe
Echte Mamas: Wie finde ich Hilfe bei der Trauer um mein Sternenkind?
Natalie Katia Greve: Sein Kind zu betrauern ist sehr schmerzvoll. Viele Betroffene wünschen sich Unterstützung, auch außerhalb der Familie und des Freundeskreises.
Hier ein paar Unterstützungsmöglichkeiten:
1. Trauerbegleitung
Es gibt speziell ausgebildete Trauerbegleiter:innen für Eltern von Sternenkindern, die einfühlsam begleiten können. Hier ein paar Möglichkeiten, an die man sich wenden kann:
• Familienzentren
• Kliniken oder Hebammen (häufig auch schon über die Geburtsklinik)
• Bundesverband Trauerbegleitung (BVT)
• Vereine wie „Verwaiste Eltern und Geschwister“ oder „Hope’s Angel“
• Regionale Angebote über das Internet
2. Therapeutische Hilfe
Manchmal kann auch therapeutische Hilfe sinnvoll sein. Fragen Sie Ihren Hausarzt oder Ihre Krankenkasse nach Adressen.
3. Selbsthilfegruppen und Online-Communities
Für viele Menschen ist der Austausch mit anderen Betroffenen wichtig. Hier braucht es oft nicht viele Erklärungen. Menschen fühlen sich verstanden, weil alle Ähnliches erlebt haben.
Angebote finden Sie im Internet, wenn Sie hiernach suchen:
• Lokale Selbsthilfegruppen für Sternenkind-Eltern
• Foren oder Social-Media-Gruppen (z. B. auf Facebook oder Instagram)
• Digitale Angebote wie z. B. Sternenkind-Apps, Foren oder virtuelle Gedenkorte
„Sie können und dürfen glücklich sein – und nehmen ihr Sternenkind im Herzen mit.”
Echte Mamas: Darf ich wieder glücklich sein, obwohl mein Baby gestorben ist?
Natalie Katia Greve: Sie dürfen und Sie sollen wieder glücklich sein. Ich bin mir ganz sicher, dass Ihr Baby das auch gewollt hätte. Trauer und Freude gehen Hand in Hand. Sie können ein glückliches und erfülltes Leben führen und nehmen Ihr Baby im Herzen mit. Das wünsche ich Ihnen zutiefst.

Foto: Natalie Katia Greve
In ihrer Arbeit als Heilpraktikerin, beschränkt auf Psychotherapie, Business Coach auch für Themen der psychischen Gesundheit und in der Trauerbegleitung unterstützt Natalie Katia Greve Menschen und Unternehmen dabei, schwere Krisen und Verluste zu verarbeiten, und schenkt ihnen dabei einen geschützten Raum für all ihre Gefühle. Mehr zu ihrer Person und Arbeit auf ihrer Webseite. Sie ist außerdem ein der Gründerinnen der Organisation „Vergiss mein nicht – Trauer nach Suizid”.