Single Mom by Choice: „Kind ja, Vater nein? Ich sehe das kritisch!”

Luisa* berät seit Jahren alleinerziehende Mütter im Jobcenter. Sie kennt ihre Geschichten, ihre Kämpfe, ihre Erschöpfung. In ihrer Echten Geschichte teilt sie, was viele nicht sehen wollen: Warum Alleinerziehen oft mehr ist als ein Lebensmodell – und warum jede Frau, die diesen Weg bewusst geht, wirklich gut vorbereitet sein sollte. Sie sieht deswegen das Lebensmodell der Single Mom by Choice kritisch, welches immer mehr Frauen wählen, um ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. 

„Ich bin Jobcoachin im Jobcenter und dort für die Beratung von Alleinerziehenden – überwiegend Frauen mit Kindern unter 15 Jahren – zuständig. Meine Sicht auf das Thema ist also geprägt durch viele Gespräche und Erfahrungen. Die meisten Frauen, mit denen ich arbeite, haben keine stabile oder tragfähige Lösung zur Sorgearbeit mit dem anderen Elternteil gefunden.

Dreh- und Angelpunkt meiner Beratung ist eigentlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

So zumindest der formale Startpunkt. Doch schon unser erstes Gespräch offenbart meist ein tieferliegendes Problem: Alleinerziehende sind überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen – oder zumindest stark gefährdet. Und das, anders als viele andere Bürgergeldempfänger:innen, unabhängig von ihrer formalen Bildung.

Der finanzielle Druck ist enorm: Mit einem Einkommen eine kleine Familie zu versorgen, ist ohne staatliche Unterstützung kaum möglich. Und das kratzt am Selbstwert. Alleinerziehende fragen sich zu Recht: Warum nehme ich diese immense Belastung auf mich, wenn ich finanziell trotzdem kaum unabhängig werden kann? Auch für das Selbstbewusstsein ist das schwierig.

Es fühlt sich oft an, als würde man sich abstrampeln, ohne voranzukommen.

Im weiteren Verlauf der Beratung wird meist deutlich: Es geht nicht ‚nur‘ darum, eine passende Stelle zu finden. Für Alleinerziehende müssen die Rahmenbedingungen nahezu perfekt ineinandergreifen – wie ein fein abgestimmtes System aus Zahnrädern.

Und genau da zeigt sich die Realität: Die Bedingungen für Kinderbetreuung sind schlecht. Es gibt zu wenige Plätze, zu viele Ausfälle. All das müssen Alleinerziehende komplett allein auffangen und organisieren – zusätzlich zu den ohnehin schon 100 % der familiären Aufgaben, die in jeder Familie anfallen.

Ich habe oft erlebt, dass Mütter unter dieser Last zusammenzubrechen drohen.

Und sobald irgendwann etwas Entlastung in Sicht ist – etwa wenn die Kinder älter werden oder die Betreuung stabiler läuft – werden viele Mütter psychisch oder physisch krank. In meinem Beruf nennen wir das den ‚Mütter-Burnout‘.

Ja, ich erlebe auch, dass alleinerziehende Mütter noch häufiger als andere alles allein schaffen wollen. Das hängt einerseits mit dem gesellschaftlichen Druck auf Mütter zusammen – aber auch mit den oft klischeehaften Vorstellungen, die mit dem Begriff ‚alleinerziehend‘ verbunden sind: selbstverschuldet, wenig gebildet, unfähig.

Gerade bei der Jobsuche erleben viele meiner Klientinnen, dass Arbeitgeber ihnen Vorurteile entgegenbringen – etwa was Ausfallzeiten oder mangelnde Flexibilität angeht. Viele Alleinerziehende wollen dann doppelt beweisen, dass sie leistungsfähig sind.

Und leider fehlt es auch oft an tragfähigen, entlastenden Netzwerken.

Keine Familie in der Nähe, keine Freund:innen, die zuverlässig einspringen könnten.Was aus meiner Sicht völlig unterschätzt wird, ist der Mental Load. Ich finde es wichtig, zu sagen: Mütter mit Partnern, die den Großteil der Verantwortung tragen, sind häufig trotzdem weniger belastet als Alleinerziehende. Denn Letztere müssen wirklich jede Entscheidung allein treffen, jede organisatorische Herausforderung allein bewältigen. Und dieses ‚Allein‘ ist nicht einfach aufzulösen.

Ich hoffe sehr, dass Frauen, die sich bewusst für ein Leben als Single Mom by Choice entscheiden, diese Entscheidung in all ihren Facetten gründlich durchdenken. Alleinerziehende, die durch Trennung oder Tod des Partners in diese Situation gekommen sind, hatten diese Wahlmöglichkeit nicht. Der größte Unterschied ist aus meiner Sicht: Wer sich bewusst dafür entscheidet, hat die Chance, Netzwerke aufzubauen, organisatorisch vorzubeugen, schwierige Themen frühzeitig mitzudenken.

Denn kindliches Wohl hängt auch mit der elterlichen Belastung zusammen.

Und ja – in wenigen Fällen, wenn wir mit dem Jugendamt zusammenarbeiten, geht es um unzureichende Versorgung oder Vernachlässigung. Aber das sind absolute Ausnahmen. Was ich häufiger erlebe, ist Parentifizierung – Kinder, die zu viel Verantwortung tragen. Gerade in Familien, die Bürgergeld beziehen, werden Kinder oft stark mit den Sorgen der Mutter konfrontiert – besonders finanziellen. Ältere Kinder übernehmen dann häufig (zu) viel Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister.

Ich bin überzeugt: Kinder profitieren davon, mehrere Bezugspersonen zu haben – sei es ein weiterer Elternteil oder andere vertraute Erwachsene. Trotzdem glaube ich nicht, dass alleinerziehende Mütter etwas ‚ausgleichen‘ müssen. Ich habe viele liebevoll versorgte Kinder gesehen, mit sehr starken Bindungen zu ihren Müttern.

Wenn sich eine Frau heute bewusst entscheidet, als Single Mom ein Kind zu bekommen, kann ich nur raten: Sucht den Kontakt zu echten Alleinerziehenden – über Social Media oder andere Wege. Macht euch ein realistisches Bild vom Alltag – jenseits der schönen, pastellfarbenen Insta-Welt.

Diese Fragen solltet ihr euch stellen:

– Wer hilft, wenn ich krank bin?
– Wer kann mich im Alltag praktisch entlasten?
– Wie stelle ich mir die Vereinbarkeit von Kind und Beruf konkret vor?
– Wie sieht die Betreuungssituation vor Ort aus – realistisch betrachtet?
– Komme ich mit einem (reduzierten) Einkommen aus?

Je mehr Aspekte vorab durchdacht sind, desto besser. Und manchmal muss man dem Verstand Vorrang geben – oder sich zumindest bewusst machen, wenn man entgegen der Vernunft entscheidet.

Gesellschaftlich gesehen würden alleinerziehende Familien sehr davon profitieren, wenn soziale Ungleichheit verringert würde: bezahlbarer Wohnraum, steuerliche Entlastung für kleine und mittlere Einkommen – besonders mit Kindern – und bessere Betreuungsmöglichkeiten in Kitas und Offenen Ganztagsschulen.

Aber auch der gesellschaftliche Blick auf Familien muss sich ändern.

Kinder sind kein ‚Problem‘. Wenn Care-Arbeit endlich den Wert bekäme, den sie verdient, würde das viele (allein)erziehende Eltern spürbar entlasten. Denn aktuell übernehmen Alleinerziehende – freiwillig oder nicht – eine Aufgabe, die nicht einmal in Zwei-Eltern-Familien immer vollständig leistbar ist. Und der Preis dafür ist hoch: finanziell und persönlich.”


Liebe Luisa (echter Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass wir deine berührende Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir alles Liebe für die Zukunft!

Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]

Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

Alle Artikel

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Neueste
Älteste Beliebteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen