„Wie es sich anfühlt, wenn der Partner dich seelisch misshandelt“

„Ich bin seit fünf Jahren mit meinem Partner zusammen, vor einem Jahr wurde unser wunderschöner Sohn geboren, ein absolutes Wunschkind. Von außen betrachtet sind wir die perfekte kleine Familie, wir lächeln auf allen Facebook-Bildern und sind bei den Familienfeiern gut gelaunt. Trotzdem sind wir nicht glücklich, denn mein Partner hat eine riesige Wut in sich, die er immer wieder an mir auslässt.

Wir sind so normal: Wir scherzen mit Freunden, spielen mit unserem süßen Sohn, wir sitzen abends zusammen am Tisch. Das hat es mir lange Zeit noch schwerer gemacht, zu erkennen, was bei uns falsch läuft. Aber mittlerweile kann ich es benennen: Der Mann, den ich liebe, der Mann, mit dem ich mein Leben teilen möchte, behandelt mich missbräuchlich.

Mein Partner macht mich psychisch fertig

Eines möchte ich gleich vorwegnehmen: Er schlägt mich nicht. Trotzdem fügt er mir Schmerzen zu, denn seine Worte hinterlassen Wunden, die man auf dem ersten Blick nicht sehen kann. Körperlich misshandelt wurde ich als Kind, daher kenne ich auch dieses Gefühl. Das Gefühl, wenn du jeden Moment darauf wartest, dass du an den Haaren durch den Raum geschleudert wirst, dir ins Gesicht geschrien wird, jemand plötzlich nach dir tritt.

Wahrscheinlich habe ich die Tragweite des Wut-Problems meines Freundes zunächst nicht erkannt, weil ich in meiner Kindheit schon Ähnliches erleben musste. Anders als meine Eltern damals hat mein Partner immerhin nicht nach mir geschlagen. Trotzdem erkenne ich inzwischen, dass sich ein Teil des Missbrauchs aus meiner Kindheit in meiner Partnerschaft wiederholt, nämlich der psychische Missbrauch. Wenn mein Freund wütend ist, dann sind seine Worte wie Messer und es reicht eine Kleinigkeit, dass er sich damit auf mich stürzt: ‚Wie doof bist du eigentlich‘, schreit er mich an, wenn ich etwas fallen lasse oder ‚Wie konnte ich nur an so eine dumme Kuh geraten?‘

Ich lebe in ständiger Angst vor seiner vernichtenden Wut

Einmal streifte ich mit unserem Auto den Gartenzaun und hatte schon vorher große Angst, es ihm zu sagen, weil ich wusste, dass sein Zorn vernichtend sein würde. Als er dann davon erfuhr, brüllte er mich über eine Stunde lang an: ‚Was kannst du eigentlich? Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen! Du machst alles kaputt, was ich hart erarbeite!‘ Gefolgt von einer Reihe unschöner Beleidigungen, die ich euch an dieser Stelle ersparen möchte. Ich wusste eigentlich immer, dass man so nicht mit seinem Partner umgehen sollte, aber gleichzeitig habe ich in meinem Leben schon viel Schlimmeres erfahren.

Trotzdem fasste ich mir immer wieder ein Herz, überwand meine Angst vor neuen Wutausbrüchen und sprach meinen Freund auf seine Ausfälle an. Immerhin: Meistens entschuldigte er sich im Nachhinein. Er arbeitet beim Bund und er meinte, deswegen sei dieser harte Ton für ihn normal. Jedes Mal gelobte er Besserung. Danach folgten meistens Tage, manchmal sogar Wochen, in denen er sich sichtlich bemühte, aber letztendlich fiel er immer wieder in sein altes Verhaltensmuster zurück.

Je älter mein Sohn wird, desto weniger kann ich die emotionale Gewalt ignorieren

Ich versuchte mich damit zu trösten, dass er mich immerhin nicht betrügt, ein liebevoller Vater ist und dass er hart für unsere Familie arbeitet. Aber seit unser Sohn immer mehr von seiner Umwelt mitbekommt, fällt es mir schwerer, das Verhalten meines Freundes zu entschuldigen. Als mein kleiner Schatz vor ein paar Wochen nachts weinte, stand ich leise auf, um ihn aus seinem Bettchen zu holen und zu trösten. Dabei stieß ich mit dem Fuß versehentlich an eine leere Wasserflasche, die polternd zu Boden ging.

Mein Mann saß quasi augenblicklich senkrecht im Bett und schrie mich an, dass ich die schlechteste Mutter der Welt wäre. Diese Szene wäre wohl eine von vielen Tiefpunkten unserer Beziehung gewesen, wenn mein müder Blick in diesem Moment nicht die weit aufgerissen Augen meines Sohnes getroffen hätte. Seine großen, unschuldigen Kinderaugen blickten mich stumm und ratlos an und für mich fühlte es sich an, wie ein Stich ins Herz.

Was für ein Vorbild ist eine solche Partnerschaft?

Plötzlich musste ich daran denken, was für ein Vorbild seine Eltern für ihn abgeben müssen. Würde er irgendwann auch seine Freundin anschreien und erniedrigen, weil sein Vater ihm vorgemacht hatte, dass das normal ist? Ich dachte daran, wie groß meine Angst und Traurigkeit als Kind gewesen war, wenn meine Eltern mich so behandelt hatten und ich begriff, dass ich diesen Kreislauf unterbrechen muss, für mich und für meinen Sohn.

Deswegen habe ich die Entscheidung gefällt, dass ich mich von meinem Partner trennen werde. In ein paar Tagen sind wir alleine zu Hause, dann möchte ich mit ihm darüber sprechen. Ich kann mit meinem Sohn erstmal zu meiner Mutter ziehen, die glücklicherweise in der gleichen Stadt wohnt. Unseren Sohn wird mein Freund also weiterhin regelmäßig sehen können.

Die Liebe zu meinem Sohn ist größer als die Angst

Wenn ich an meinen Entschluss denke, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, alleinerziehend zu sein und ich habe wahnsinnige Angst, das alles nicht zu schaffen. Aber größer als die Angst ist mein Wunsch, dass mein Sohn aufwächst, ohne Missbrauch erleben zu müssen.“

Liebe Mama (echter Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass Du Deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe!

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, berührend, spannend oder mutmachend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected].

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg. Am liebsten erkunde ich mit ihm die vielen grünen Ecken der Stadt. Auch wenn ich selbst keine Mama bin, gehören Babys und Kinder zu meinem Leben dazu. Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert und ich komme als „Tante Lena“ zum Einsatz. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Anni20
Anni20
Antworten  Helen
3 Monate zuvor

Liebe Helen,
Ich wünsche Dir viel Kraft um deinen Mann die Stirn zu bieten. Ansonsten kann ich sagen, ich bin tief beeindruckt von dem Artikel und hofe die Mama hat das richtige geschafft.

Helen
Helen
7 Monate zuvor

Hallo, mein Mann macht immer wieder fiese Bemerkungen über mich bei Bekannte, so was er letztens bei einem anderen Mann gesagt hat:

Willst du die haben kannst du mit nehmen.

Er meinte mich der andere Mann kann mich einfach mitnehmen in seinen Augen ist vollkommen in Ordnung.

Ich bin so unglaublich verletzt und schäme mich so sehr dass ich über Haupt keinen Wert habe.

Sowas kann ich doch keinem erzählen nicht meiner Familie und eine Freundin habe ich nicht.

Birgit Glas
Birgit Glas
Antworten  Daniela
1 Jahr zuvor

Ich war sprachlos und sehr beeindruckt von dieser Mama.
Sehr gefährlich mit dem Mann alleine zu sprechen denn er wird unberechenbar reagieren. Schlimm denn die Schreiberin hat ja bei ihren Eltern furchtbare Dinge erlebt. Somit ist ihre Toleranzgrenze entsprechend höher. Leider sind diese Partner sehr lange freundlich und liebevoll. Irgendwann aus heiterem Himmel wird der Schalter umgelegt. Ich hoffe und wünsche für die Mama das sie den Absprung schafft.Ohne Hilfe ist das fast unmöglich.Alles Gute.

Daniela
Daniela
2 Jahre zuvor

Es ist super, dass diese Mama ihr Kind schützen will und, dass ihr dieser Gedanke Mut zur Veränderung gebracht hat. Aber das große Selbstwertthema, das sie offenbar hat, welches hier dahinter steckt, muss sie wohl wirklich aktiv angehen, sonst wird sie sich bald wieder in so einer ähnlich missbräuchlichen Beziehung wieder finden. Es geht in aller erster Linie doch um Sie selbst, um ihre Gefühle und wo ihre Grenzen sind. Sie alleine sollte sich das schon wert sein.

Ina
Ina
3 Jahre zuvor

Toller Artikel