„Warum schaffe ich es nicht, mein Kind zu lieben?”

Jeder kennt die Idealvorstellung, dass Frauen nach der Geburt ihr Baby in die Arme schließen und direkt von der größten Liebe durchflutet werden, die sie jemals empfunden haben. Und manche Mamas empfinden das tatsächlich so. Worüber viel seltener gesprochen wird: Trotzdem gibt es auch Mütter, die Tage, Wochen oder sogar Jahre benötigen, bevor sie Liebe empfinden können.

Die bedingungslose Liebe einer Mutter zu ihrem Kind wird in unserer Gesellschaft noch immer als selbstverständlich und natürlich angesehen. Mamas, die Schwierigkeiten haben, Liebe für ihr Kind zu empfinden, brechen also ein Tabu, wenn sie darüber sprechen. Und sind oft „Mom-Shaming” ausgesetzt: „Wie, du kannst dein Kind nicht lieben? Was bist du denn für eine Mutter?!!”

Kritik und Vorwürfe verschlimmern die Situation für Mutter und Kind

Abwertende Kommentare und Vorwürfe machen die Situation für die Betroffenen nur noch schwerer. Aus Angst vor solchen Reaktionen, behalten viele Mamas ihre Gefühle für sich. Die Idealvorstellung in vielen Köpfen sieht vor, dass Frauen in der Mutterrolle immer nur glücklich sind. Dabei könnte darüber zu sprechen, der erste Schritt sein, um wieder mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu kommen und den Druck rauszunehmen.

So geht es auch Janette, Mutter einer dreijährigen Tochter, die sich im Spiegel den Rat der Psychologin Kathrin Hoffmann holt: „Ich habe furchtbare Angst, dass mich niemand versteht oder sogar verstößt, wenn ich darüber rede. Aber es geht nicht mehr anders!” Wie viele Betroffene macht sie sich selbst die größten Vorwürfe: „Mit mir als Mutter stimmt etwas nicht (…). Ich weiß, man muss sein Kind einfach lieben, das gehört sich so. Aber ich wünsche mir viel zu oft, es wäre nicht da.”

Doch was steckt dahinter, wenn die Liebe zum Kind einfach ausbleibt?

Häufig stecken postnatale Depressionen dahinter, wenn Mütter Schwierigkeiten haben, Gefühle für ihr Baby zu entwickeln. So schreibt Mama Lisa aus unserer Community: „Nicht immer ist nach der Geburt alles wie auf einer Wolke aus Liebe.” In den ersten Wochen als Mama spürt Lisa eine lähmende Angst, sie weint ständig und ist von allem überfordert – besondern von ihrem Baby, für das sie einfach keine Liebe spürt. Es dauert drei Monate, bis sich diese negativen Gefühle legen und sie langsam lernt, ihr Kind zu lieben.

Im Fall von Janette, die sich den Rat von Psychologin Kathrin Hoffmann holt, waren es wahrscheinlich die Umstände, die ihre Gefühle für ihre Tochter blockiert haben. Denn das Baby war kein Wunschkind, Janette wurde spontan bei einem One-Night-Stand schwanger und entschied sich aus Vernunftgründen für ihre Tochter. Noch dazu hatte sie keinerlei Unterstützung von der Familie oder vom Vater des Kindes.

Wie kann ich damit umgehen, wenn ich merke, dass ich mein Kind nicht liebe?

Die Psychologin rät, die Gefühle nicht zu verdrängen. Damit ist der erste Schritt schon getan, denn was wir nicht mehr verdrängen, können wir heilen. Dafür können sich Mütter fragen: Welche Gefühle und Bedürfnisse stehen der Zuneigung zu meinem Kind im Weg? Ist es Trauer, die ich loslassen darf? Ist es möglicherweise Angst, die mich lähmt? Oder ist es sogar Wut, weil ich mich von meinem alten Leben verabschieden musste?

Mütter sollten sich in einem solchen Fall konkret fragen, was ihnen in ihrem Leben mit Kind fehlt und wie sie sich etwas davon zurückholen können. In vielen Fällen ist es außerdem sinnvoll, eigene Traumata aufzuarbeiten und sich dafür professionelle Hilfe zu holen. Denn auch eigene traumatische Erfahrungen, wie zum Beispiel eine traumatische Geburt, können die Gefühle zum Kind beeinflussen.

Liebe lässt sich nicht erzwingen

Die Psychologin warnt: Gefühle kann mich nicht erzwingen, im Gegenteil. Je mehr wir es versuchen, desto schwerer wird es, sie natürlich entstehen zu lassen. Stattdessen rät sie: „Geh verständnisvoll und liebevoll mit dir um, so wie du mit einer Freundin umgehen würdest. Du gibst extrem viel und darauf solltest du zumindest ein wenig stolz sein!”

Hattest auch du Schwierigkeiten, in deinem neuen Leben als Mama anzukommen? Tausche dich gerne in den Kommentaren mit anderen Müttern dazu aus!

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg. Am liebsten erkunde ich mit ihm die vielen grünen Ecken der Stadt. Auch wenn ich selbst keine Mama bin, gehören Babys und Kinder zu meinem Leben dazu. Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert und ich komme als „Tante Lena“ zum Einsatz. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Sabrina Breitzke
Sabrina Breitzke
2 Monate zuvor

Leider verstehe ich das sehr gut. Ich bin seit 4 Jahren Alleinerziehende und wünsche mir eigentlich täglich mein altes Leben zurück. Die Jungs sind 5 und 4 Jahre alt, und der zweite war noch ein ungeplanter Unfall😔. Sofern ich auch nur eine Andeutung mache, werde ich von Eltern zerrissen. Inzwischen bin ich zu der Mama geworden, die ich nie sein wollte, denn der ganze Druck, Stress mit einem Job den ich seit 10 Jahren hasse, und dieses Leben ohne wirklich zu leben. Das macht mich kaputt!

Sandra
Sandra
9 Monate zuvor

Meine Tochter (Wunschkind!) ist 14. Ab und an verspürte ich ‚etwas‘. Als sie zur Welt kam, legte man mir ein Fremdkörper auf die Brust. Irgendwann ging es. Jedoch stehe ich im Vergleich zu anderen Müttern mit gleichaltrigen Kindern dem Idealbild einer liebenden Mutter gefühlsmäßig weeeeeeiiiiiiiit weg. Ganz weit. Und kann es immer noch niemandem sagen, kann es auch niemandem sagen, das ich von Allem, ausnahmslos jedem Menschen am liebsten weit weg wäre. Und ich hasse dieses Gefühl abgrundtief!

Franziska
Franziska
1 Jahr zuvor

Ich kann die Angst gut verstehen. Die Gesellschaft versucht uns einzureden das die Mutter das Baby sofort lieben muss aber wenn man sich in der Tierwelt umschaut erkennt man dass es auch dort manchmal so ist das die Mutter das Kind nicht annimmt (nur kostet es in diesem Fall dem Baby meist das Leben). Ich habe beides erfahren. Bei meiner Erstgeborenen war es wirklich Liebe auf den ersten Blick und ich liebe sie immer noch abgöttisch (jetzt ist sie drei). Bei meinem Sohn war es ganz anders. Obwohl die Schwangerschaft und die Geburt super liefen, sah ich einfach nur ein nerviges Bündel das immer Hunger hatte. Ich kümmere um den Kleinen aber ich kann wirklich nicht sagen das ich ihn liebe. Ich arbeite daran aber ich merke auch das es seine Zeit braucht. Ich versuche beiden Kindern gerecht zu werden und bin froh dass mein Mann mich dabei unterstützt und wir ehrlich zueinander sagen können wenn etwas nicht geht/passt/stimmt. Ich versuche jeden Tag etwas Positives bei unserem Kleinen zu finden und erzähle es ihm. Vielleicht hilft es damit wir eine Verbindung aufbauen können.

Ursula
Ursula
1 Jahr zuvor

Bei mir war und ist es teilweise noch ähnlich. Notkaiserschnitt, schlechte Behandlung im Krankenhaus, Kind wurde mir nach der Geburt weggenommen wegen gesundheitlichen Problemen und ich konnte mich nach dem Kaiserschnitt nicht so bewegen wie ich wollte. Mein Kind lag 1 Stock über mir auf der Intensivstation und ich konnte nicht hin. Aufgrund der ganzen Vorkommnisse und des Stresses wurde mein Baby zum unruhigen Schreibaby, gleichzeitig wurden wir von den Stillberaterinnen im KH regelmäßig so lange „gequält“ bis ich geweint habe und mein Sohn auch. Es klappte einfach nicht durch diesen ganzen Stress und er schrie sich den Leib aus der Seele. Wir sind mittlerweile zuhause, mein Sohn ist jetzt 12 Wochen alt, jedoch gibt es immer noch eine Art Distanz zwischen uns, er ist immer noch schnell auf 180 und lässt sich manchmal nur schwer beruhigen, dann kommt mir wieder alles hoch vom Krankenhaus und ich möchte am liebsten davon laufen. Ich gebe mein Bestes, es ist auch schon viel besser gefühlsmäßig als zu Anfang, aber jeder Tag stellt für mich eine neue Herausforderung dar.

Jenny
Jenny
2 Jahre zuvor

Ich kann es überhaupt nicht verstehen , als ich meinen Sohn in den Armen hielt, hab ich zum ersten Mal in meinem Leben vor Freude geweint. Mein Sohn ist mir das allerwichtigste und ich liebe ihn seit der ersten Sekunde über alles. Trotzdem würde ich eine Mutter, die am Anfang Probleme hat eine Beziehung zu ihrem Kind auszubauen deshalb niemals verurteilen.

Caro
Caro
2 Jahre zuvor

Ich kann den Artikel sehr gut verstehen. Mir selbst ging es nach der Geburt meiner Tochter für, zum Glück nur, wenige Wochen so, dass ich völlig traumatisiert von meiner Geburt war und auf diese endlose Liebe gewartet habe, welche doch eigentlich dort sein sollte.
Als ich zu Hause war, wurde es noch schlimmer. Ich habe mich schuldig gefühlt, da ich mich von der Klinik so sehr unter Druck setzen ließ, was die viel zu frühe Einleitung der Geburt anging. Letzten Endes habe ich mich durch gebissen und nach 15 h Wehen und nur geringer Öffnung des Muttermundes einen Kaiserschnitt verlangt, obwohl die Ärztin 1 h auf mich eingewirkt hat mich weiter einleiten zu lassen, auch wenn meine Tochter sehr in meinem Bauch litt. Meine Meinung schien allen egal. Alle wussten besser, was mein Baby braucht…. Bis ich auf den Tisch gehauen habe.
Als es dann endlich geschafft war, wurde weiter an mir und meinem Kind auf der Station rum gemäkelt. Es wurde suggeriert mit meinem Kind stimme etwas nicht, zu viel Gewicht verloren, zu gelb usw. Ganz schlimm. Zu Hause brach dann alles aus mir heraus und ich weinte sicher 2 Wochen täglich mindestens 3 h. Ich habe dann viel geredet und zack…. Es war vorbei und meine Tochter war für mich das, was ich mir immer gewünscht habe. Das wundervollste Wesen auf Erden und seitdem steigt die Liebe täglich ins Unermessliche.