Stillen in der Öffentlichkeit: Mama schreibt sich ihren Frust von der Seele

Eigentlich unglaublich, dass wir Mamas im Jahr 2020 immer noch für das Stillen in der Öffentlichkeit angegriffen und kritisiert werden. Und doch ist es nach wie vor ein Tabu, seinem Baby oder Kleinkind öffentlich die Brust zu geben. Dabei ist Stillen die natürlichste und gesündeste Weise, sein Kind zu ernähren. Und die Mäuse haben eben nicht nur zu Hause, sondern auch unterwegs Hunger. Wie jeder andere Mensch auch.

Ich habe selbst erlebt, dass einige Personen sich davon belästigt fühlen, wenn eine Mama ihr Baby außerhalb der eigenen vier Wände füttert. Als mein Sohn Bruno ein paar Wochen alt war, wurde mir in einem Café ernsthaft geraten, zum Stillen auf die Toilette zu gehen. Ich war so perplex, dass mir die naheliegende Antwort („Essen Sie gerne auf dem Klo?“) in dem Moment nicht eingefallen ist. Stattdessen habe ich schnell bezahlt und bin auf eine Parkbank geflüchtet.

Diese Mama schreibt sich ihren Still-Frust auf Facebook von der Seele

Auch Mama Corinna Ronnisiek kennt diese und ähnliche Reaktionen auf öffentliches Stillen. Sie ist im März 2018 Mutter geworden. Und musste schon kurz nach der Geburt ihrer kleinen Tochter feststellen, dass ihr das Stillen nicht gerade leicht gemacht wird. Im Gegenteil. Schon im Krankenhaus drängte man sie dazu, doch ein Fläschchen zu geben. Kaum wieder zu Hause, erntete sie beim Stillen in der Öffentlichkeit kritische Blicke und negative Kommentare.

Daraufhin verfasste sie ein Plädoyer zu dem Thema und veröffentlichte es auf Facebook. Die Resonanz war riesig, unzählige Mamas berichteten unter dem Beitrag von ihren eigenen (negativen) Erfahrungen.

https://www.facebook.com/DofusCorius/posts/2135595759803968

Das Statement ist zwar schon etwas älter, aber immer noch genauso aktuell wie vor zwei Jahren – und unglaublich schön und eindringlich formuliert. Daher möchten wir es euch hier noch einmal in voller Länge zeigen:

Mein Plädoyer für’s Stillen  ♥️

„Als ich im März unsere Tochter bekam, war für mich die größte Herausforderung das Stillen. Nicht, weil ich und meine Tochter es nicht gekonnt hätten. Sondern weil ich Angst hatte: Was ist, wenn ich mit ihr unterwegs bin?

Das führte so weit, dass ich die ersten paar Wochen nur meinen Mann einkaufen ließ, weil ich Sorge hatte, dass meine Tochter Hunger bekommen könnte. Leider hat es die Säuglingsnahrungsindustrie geschafft, die weibliche Brust so sehr zu sexualisieren, dass es nahezu verpönt ist, in der Öffentlichkeit zu stillen. Und als junge Mutter mit all den Erlebnissen der Geburt, vollgepumpt mit Hormonen, ist man so emotional, dass jeder negative Kommentar in einem das Gefühl auslöst, man sei eine schlechte Mutter.

Selbst in den Krankenhäusern ist man so weit vom Stillen entfernt, dass man als Mutter direkt nach der Entbindung schon Druck bekommt, wenn das Kind nicht unmittelbar, nachdem es in die neue Welt gepresst wurde, perfekt stillen kann. Dann wird direkt dazu geraten, die Flasche zu geben oder einen Schnuller, damit man mal wieder Ruhe hat.

Aber es sollte einem spätestens beim Spüren der Tritte im Bauch klar werden, dass es mit der Ruhe nach der Geburt vorbei ist.  😉

Es wird leider in den Krankenhäusern oft vergessen, dass es ganz normal ist, dass es etwas dauert, bis das Kind genug Kraft zum trinken hat. Dass der Magen am Anfang die Größe einer Kirsche hat und durchaus durch ein paar Schlucke satt sein kann. Und dass Muttermilch einfach sehr schnell verdaut ist.

Es ist normal, dass ein Baby am Anfang clustert, und es ist nicht selten, dass ein Baby am Anfang 24 Stunden am Tag nach der Brust verlangt. Ein Baby kommt auf die Welt und kann schon selbstständig darüber entscheiden, wann es Hunger hat und wann nicht. Man muss keine Uhr stellen. Und man muss auch keinen Schnuller geben, weil man vier Stunden zwischen den Stillmahlzeiten überbrücken muss. Ein Baby weiß, wann es seine Brust braucht.

Leider sind dermaßen viele Fehlinformationen zum Thema Stillen im Umlauf, dass unzählige Mütter nach wenigen Tagen aufgeben. Und dadurch kann die Babymilchindustrie weiter Milliarden verdienen.

Babys werden in den Medien mit Schnuller und Flasche abgebildet. Stillende Mütter sieht man sehr selten. Dabei ist doch das Stillen die natürliche Art der Säuglingsnahrung.

Man hat als junge Mutter Angst, im Café oder Restaurant darauf angesprochen zu werden, wenn man stillt. Und das, obwohl man nichts erkennen kann.

Wenn mein Baby an meiner Brust trinkt, hat das keinen sexuellen Hintergrund. Ich möchte auch nicht die Blicke auf mich ziehen oder andere Leute verärgern. Ich möchte einfach meinem Baby dann, wenn es eben Hunger hat, zu essen geben. Und das egal, wo ich bin und wann! Und dabei will ich einfach das Beste und Gesündeste für mein Kind. Und das ist nun einmal das Stillen!

Meine Tochter hat noch nie in ihrem Leben einen Schnuller oder eine Flasche gesehen und wir kommen super zurecht! Sie bekommt eben meine Brust. Mehr benötigt sie nicht.

Stillen ist so viel mehr als Nahrungsaufnahme. Es ist Kuscheln, Liebe, das Bedürfnis nach Geborgenheit. Es hilft meinem Baby dabei, das Urvertrauen zu vertiefen. Und dabei ist es auch noch so gesund und beruhigend, der Schnuller von Mutter Natur.

Ich überlege jeden Tag intensiver, ob ich Stillberaterin werden möchte. Es ist mir einfach eine Herzensangelegenheit. Wir sollten wieder anfangen, minimalistischer zu werden und die Babyindustrie kritisch hinterfragen.

Ich bin schon gespannt auf die Reaktionen, wenn ich in einem Jahr immer noch stille. Ich werde ja jetzt schon manchmal doof angesehen, weil ich mit fünf Monaten noch stille. Ich werde meine Tochter so lange stillen, bis sie es nicht mehr möchte. Das wird sie irgendwann selbst entscheiden können.“

Schräge Blicke und blöde Kommentare? „Ich stille trotzdem weiter!“

Trotz ihrer Erfahrungen hat sich Corinna nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Heute stillt sie immer noch – sogar zwei Kinder gleichzeitig!

Sie berichtet: „Die Große ist nun 2,5 Jahre alt und ich stille sie seit einem halben Jahr gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester inzwischen Tandem. ?

Ich werde stillen, bis sie nicht mehr möchten. Mal sehen, wann das soweit ist.

Die Power-Mama ist inzwischen gut darin, das Umfeld einfach auszublenden. Die schrägen Blicke und Kommentare fallen ihr gar nicht mehr auf. Sie fokussiert sich lieber voll und ganz auf ihre Kinder, erzählt sie. Die Große stillt allerdings auch nur noch zu Hause bzw. abends. Die Kleine wurde im März zu Beginn der Corona Krise geboren. Deshalb gab es seitdem auch nicht viele Situationen, wo Corinna unterwegs gestillt hat. Trotzdem macht sich weiterhin für das öffentliche Stillen stark und teilt beispielsweise informative Links auf Facebook. Sie erklärt: „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass das Stillen kein Tabu mehr ist!“

Was sagst du zum Thema Stillen in der Öffentlichkeit? Hast du selbst auch solche (negativen) Erfahrungen machen müssen? Wenn du deine Meinung oder deine Erlebnisse mit uns und anderen Mamas teilen möchtest, dann komm doch in unsere geschlossene Facebook-Gruppe „Wir sind Echte Mamas“.

Corinna Siemokat
Ich arbeite seit über zehn Jahren als Journalistin. Studiert habe ich Modejournalismus/Medienkommunikation, schreibe mittlerweile aber viel lieber über Frauen- und Familienthemen als über Fashion. Ganz besonders am Herzen liegt mir das Thema Vereinbarkeit. Dafür setze ich mich auch in meinem Job als Office Managerin bei Coworking Toddler (Kinderbetreuung + Coworking Space) ein. Ich lebe mit meinen zwei Söhnen (6 und 2 1/2 Jahre alt) in Berlin. Mit zwei kleinen Jungs Zuhause ist es oft wild und turbulent (die Autonomiephase bei K2 lässt grüßen…). Eine prima Inspirationsquelle für meine Artikel bei Echte Mamas! Wenn zwischen Spielplatz, Sporthalle und anderen spannenden Aktivitäten mit den Kids noch Zeit bleibt, gehe ich gerne joggen, zum Yoga oder entspanne in der Badewanne.

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„Ich hatte das Gefühl, mich schämen zu müssen, als ich Babynahrung nutzen musste"
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