Schweigen als Strafe: Warum das für dein Kind so schlimm ist

Kleinkinder können uns Mamas mit ihren Experimenten und Ungeschicklichkeiten schon mal an unsere Grenzen bringen. Keine zwei Minuten lässt man sie aus den Augen, schon ist das Waschbecken mit Zahncreme eingeschmiert oder das Sofa mit Filzstift bemalt.

Eltern reagieren in solchen Situationen ganz verschieden. Die meisten schimpfen vermutlich, zeigen, dass sie wütend sind. Andere müssen wegen der Situationskomik vielleicht auch einfach lachen. Beides ist völlig in Ordnung, denn das Kind bekommt eine authentische Reaktion auf sein Handeln.

Doch dann gibt es diese Tage, an denen wir von all den kleinen und großen Auseinandersetzungen so am Ende mit den Nerven sind, dass wir uns am liebsten nur noch zurückziehen und die Tür abschließen möchten.

Jede Auseinandersetzung scheint unsere nervlichen Kapazitäten zu übersteigen.

Wir verfallen in Schweigen und wenden uns von unserem Kind ab, damit ihm klar wird, dass es so nicht weitergeht.

Doch Schweigen als Strafe für ein „schlechtes“ Verhalten des Kindes solltest du unbedingt vermeiden. Ein Kind, das von seinen engsten Bezugspersonen angeschwiegen wird, kann nämlich die Situation überhaupt nicht einordnen.

Es ist wichtig zu bedenken, dass Kleinkinder nicht vorsätzlich böse handeln. Dazu haben sie noch gar nicht die Fähigkeit, denn sie kennen die Kategorien „gut“ und „böse“ noch nicht.

Die Welt ist für Kleinkinder ein riesengroßer Spiel- und Experimentierplatz. Entdeckt ein Kind zum Beispiel eine Tube Creme, dann probiert es sie aus. Es fühlt und schmeckt und „malt“, erforscht die unbekannte Textur so mit allen Sinnen. Dasselbe passiert mit Filzstiften. Sie wollen ausprobiert werden, sollen aus Sicht des Kindes verschönern und alles farbenfroh machen.

Diese zwei Kinder machen vor, was kindliche Fantasie schaffen kann, wenn man nur kurz nicht hinguckt:

Kinder sind zudem auch oft einfach ungeschickt, denn ihre Motorik entwickelt sich noch. Stößt dein Kind also ein volles Glas um, knallt Türen oder stolpert über Gegenstände, dann ist das keine Böswilligkeit. Vielmehr liegt der Grund meist in besagter Ungeschicklichkeit, Ablenkung oder Unaufmerksamkeit.

Erntet das Kind dann jedoch für sein Verhalten strafendes Schweigen statt einer Ermahnung, hat es keine Vorstellung, was es falsch gemacht hat.

Schlimmer noch:

„Das Kind bezieht das Schweigen unmittelbar auf sich als Person, nicht auf ein bestimmtes Verhalten, das es selbst beeinflussen könnte. Es fühlt sich zugleich schuldig, ohne zu wissen wofür, und als Person abgelehnt, ja, nicht wahrgenommen,“ erklärt Margot Czekal, Geschäftsführung Pädagogik vom Kinderschutzbund Landesverband Bayern.

„Zudem fühlt es sich schrecklich hilflos, wenn es vergeblich versucht, den Kontakt zur Bezugsperson wieder herzustellen.“

„Ähnliches passiert, wenn das Kind oft unspezifische Anklagen hört wie etwa ‚immer machst du…’ oder ‚ständig musst du…’. Damit ein Kind die Regeln lernt, ist es ratsamer, die Waage zwischen klarer Grenze und Erklärung der Gründe zu finden“, fügt Margot Czekal hinzu.

Eine „klare Grenze“ zu setzen heißt jedoch wiederum auch nicht, dass statt des Schweigens heftiges Schimpfen zum gewünschten Erfolg führt. Muss ein Kind bei jeder Ungeschicklichkeit einen regelrechten Wutausbruch der Eltern befürchten, wird es sich bald nichts mehr trauen.

Die Angst vor dem nächsten „Donnerwetter“ wird dann nämlich so groß, dass sich das Kind zurückzieht, passiv wird und lieber nichts mehr ausprobiert. Doch gerade das alltägliche Experimentieren und Erforschen ist so wichtig für die Entwicklung unserer Kleinen.

Der richtige Weg lässt sich also finden, indem wir zwei Dinge im Hinterkopf behalten:

1. Wir dürfen und sollen unseren Kindern gegenüber authentisch reagieren, damit sie erkennen lernen, was in der Welt, in der wir leben, aus bestimmten Gründen nicht angebracht oder vielleicht gefährlich ist.

2. Gleichzeitig müssen wir uns als Eltern vor Augen halten, dass unsere Kinder die Regeln für ein gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft erst lernen müssen. Der Wert eines Sofas und die Mühe beim Entfernen von Zahnpasta gehören da beispielsweise auch dazu. Doch je besser ein Kind die Konsequenzen seines Verhaltens erkennen und einzuschätzen lernt, umso schneller reift sein Verantwortungsbewusstsein – für sich selbst und seine Mitmenschen. Dieses Lernen beginnt im sozialen Gefüge der Familie.

Kurz gesagt, der beste Weg ist eine angemessene Mischung aus Authentizität, Erklären und dem Setzen klarer Grenzen. Doch das müssen auch wir Eltern erst einmal lernen.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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