Platonische Elternschaft: „Wird mein 2. Kind ein Freundschaftsbaby?”

„Ihr lieben Mamas, ich möchte hier einfach mal meine Gedanken zur Elternschaft mit euch teilen und bin gespannt, ob ihr mich verstehen könnt oder eine völlig andere Meinung habt. Ich bin Michele, 36 Jahre alt und alleinerziehende Mama von einem Sechsjährigen.

Im letzten Jahr habe ich oft darüber nachgedacht, wie es wäre, noch mal Mama zu werden. Eigentlich habe ich mir immer zwei Kinder gewünscht, am liebsten noch eine kleine Schwester für meinen Großen. Aber der richtige Partner dazu ist weit und breit nicht in Sicht. Wie lange soll ich noch warten? Bevor ich mit einem neuen Partner an meiner Seite ein Kind zeuge, möchte ich diesen erstmal richtig kennen, also mindestens ein bis zwei Jahre mit ihm zusammen sein.

Ich werde nicht jünger!

Ihr seht, es wird langsam aber sicher ein bisschen eng für mich mit dem zweiten Kind. Zumindest dann, wenn ich mich auf das Modell mit einem Partner verlassen möchte. Aber möchte ich das? Schließlich habe ich genau das bereits durch und weiß deswegen genau, wie weh es tut, wenn es ins Auge geht.

Meinen Exmann habe ich mit Mitte 20 kennengelernt, es schien alles genau zu passen: Er hatte einen guten Job, wollte Vater werden und meine Eltern mochten ihn. Wir zogen zusammen, heirateten und dann wurde ich mit 29 Jahren schwanger, quasi zeitgleich mit unserem halben Freundeskreis. Ich habe das alles keine Sekunde hinterfragt, so machen es schließlich viele Menschen.

Aber als unser Sohn zur Welt kam, veränderte sich leider unsere Beziehung.

Ich war als Mama super happy, doch mein damaliger Mann fand nicht richtig in seine Vaterrolle. Er war zu diesem Zeitpunkt sehr auf seine Karriere fixiert, arbeitete oft mehr als 10 Stunden pro Tag und auch an den Wochenenden war er beruflich unterwegs. Schnell fühlte ich mich einsam in der Beziehung, wir führten unsere Leben völlig getrennt voneinander. Was mich besonders schmerzte: Mein Sohn wuchs mit einem Papa auf, dem die Arbeit irgendwie immer wichtiger war. Mein Exmann hat so viele schöne Momente mit seinem Kind verpasst.

Tatsächlich habe ich mir das Ganze dann noch ein paar Jahre angesehen: Zuerst war ich von meiner neuen Rolle als Mama komplett eingenommen, dann wollte ich ihm einfach noch Zeit geben, dann versuchte ich mit ihm darüber zu sprechen. Alles vergebens. Wir trennten uns vor zwei Jahren. Er sieht seinen Sohn seitdem nur noch sporadisch, die beiden haben kein inniges Verhältnis zueinander. Mein Kleiner sieht ihn eher wie einen Onkel.

Zum Glück habe ich dafür in den letzten Jahren sehr intensive Beziehungen zu meinen Freundinnen aufgebaut.

Mein Sohn ist mit ihnen aufgewachsen und liebt seine ‚Tanten‘ sehr – und sie ihn. Sie sind unsere Wahlfamilie und bieten meinem Kind mehr Beständigkeit und Fürsorge als sein Vater es jemals konnte. Eine von ihnen steht mir besonders nahe, nennen wir sie hier Tanja. Sie ist wie ich alleinerziehende Mama und hat einen Sohn im gleichen Alter.

Tanja wünscht sich ebenfalls noch ein Kind, aber ihr musste vor ein paar Jahren die Gebärmutter entfernt werden. Für sie ist es also nicht mehr möglich, ein Kind auszutragen. In letzter Zeit haben wir viel über unseren Wunsch gesprochen, noch ein Baby zu bekommen. Neulich fragte sie mich ganz direkt: ‚Warum bekommen wir beide nicht ein Baby zusammen?‘ Ich habe zuerst darüber gelacht und die unverblümte Frage auf den Rotwein geschoben, aber sie beharrte auf der Idee.

Es gäbe immer mehr Freunde, die gemeinsam ein Kind bekommen, meinte sie.

Ich googelte also noch am gleichen Abend ‚platonische Elternschaft‘ und las mich ein. Mittlerweile denke ich ernsthaft darüber nach: Meine Freundschaften sind deutlich stabiler und erfüllender als meine Beziehungen zu Männern. Wer sagt denn, dass Kinder unbedingt aus romantischen Beziehungen hervorgehen müssen? Eigentlich wissen doch alle Eltern, dass es ungeheuer schwer ist, ein Kind großzuziehen und sich dabei nicht als Paar aus den Augen zu verlieren

Wenn man einmal die gesellschaftliche Idealvorstellung hinter sich lässt, ergeben sich doch viele andere Möglichkeiten, einem Kind ein liebevolles und sicheres Zuhause zu geben. Tanja und ich sind uns in vielen Erziehungsfragen einig, wir wissen, was es bedeutet, die Verantwortung für ein Kind zu tragen und wir sind beide absolut bereit dazu. Wir kennen sogar schon jemanden, der bereit wäre, uns eine Samenspende zu überlassen.

Die Trennung von Erotik und Familie bringt für mich viele Vorteile mit sich.

Schließlich schwingt bei einem romantischen Paar immer die Gefahr mit, dass die Liebe irgendwann erlischt oder sich jemand neu verliebt. Dann kommt es zur Trennung, Herzschmerz und Trauer – und die Kinder sind mittendrin. Davor ist man bei einer platonischen Elternschaft geschützt. Die erotischen Bedürfnisse der Eltern werden ausgelagert und sind damit auch keine Bedrohung mehr für die Familie.

Im Moment fühlt es sich so an, als wäre dieses Konzept vielleicht genau der richtige Weg für uns. Natürlich würden wir beide uns freuen, wenn wir irgendwann auch wieder einen (kinderlieben) Partner an der Seite hätten. Aber unseren größten Herzenswunsch, den können wir uns doch eigentlich auch miteinander erfüllen.


Liebe Michele, vielen Dank für deine Geschichte und für deine Meinung. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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