Jana wurde Mutter von Zwillingen – und mit der Frühgeburt begann eine Geschichte, die ihr ganzes Leben neu geordnet hat. Sie hat ein Kind loslassen müssen und zugleich erlebt, wie das andere stärker kämpft, als sie je für möglich hielt. Heute blickt sie in ihrer echten Geschichte nicht nur auf schwere Zeiten zurück, sondern vor allem auf das größte Geschenk: ihre Tochter und all das, was sie gemeinsam geschafft haben.
Triggerwarnung: Im folgenden Text wird der Verlust eines Kindes beschrieben. Wenn du dich damit nicht gut fühlst, solltest du lieber nicht weiterlesen.
„Im Jahr 2019 wurde ich endlich schwanger – nach langem Warten und vielen Versuchen. Mein Mann und ich waren überglücklich: Es sollten Zwillinge werden. Lilli und Fiete. Alles schien perfekt, ein kleines Wunder. Wir waren voller Vorfreude, voller Pläne.

Jana im Winterurlaub. Foto: Privat
Im Februar, in der 25. Schwangerschaftswoche, machten wir noch einmal Urlaub in Österreich. In den Bergen bekam ich plötzlich starke Schmerzen und Blutungen. Mitten in der Nacht kam der Krankenwagen, ich wurde zunächst in ein Krankenhaus gebracht und dann weiter nach Salzburg verlegt. Drei Tage später, in der 25. Schwangerschaftswoche, kamen Lilli und Fiete per Notkaiserschnitt zur Welt. Schwer krank.
Viel zu früh.
Beide konnten nicht eigenständig atmen, lagen auf der Neonatologie, während ich auf der Entbindungsstation lag. Die Erinnerungen an diese ersten Tage sind verschwommen – ein Auf und Ab, geprägt von Hoffen und Bangen. Fiete bekam direkt eine Lungendrainage. Dann kam eine zweite Lungenblutung, und wir rannten nachts durch dunkle Krankenhausflure, ohne zu wissen, ob er überleben würde. Er kämpfte. Wieder und wieder.
Wir mussten Entscheidungen treffen, für die es keine richtigen Worte gibt. Entscheidungen, die kein Elternteil je treffen sollte. Die Ärzte wussten nicht mehr weiter, wir fühlten uns überfordert, hilflos, ausgeliefert.
Am 28. Februar 2019 ließen wir Fiete in unseren Armen gehen.

Fiete bleibt für immer im Herzen seiner Mama. Foto: Privat
Während wir ihm seine vertraute Musik vorspielten, die er schon im Bauch gehört hatte. Wir durften ihn danach waschen, anziehen, in eine kleine Krippe legen. Es war das erste und einzige Mal.
Lilli kämpfte für zwei – und sie hat es geschafft. Wir verbrachten insgesamt zehn Wochen in der Klinik in Salzburg. Lilli brauchte eine Hirnoperation, die in Österreich nicht durchgeführt werden konnte, also wurden wir per medizinischem Flug nach Hamburg geflogen.
Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf verbrachten wir weitere zwei Monate.
Lilli konnte nicht selbstständig trinken. Ich pumpte über sechs Monate hinweg Muttermilch ab. Ich saß täglich bis zu 20 Stunden an Lillis Bett – aus Angst, sie könnte übersehen werden, aus Angst, etwas zu verpassen.

Die kleine Lilli ist eine Kämpferin. Foto: Privat
Ende Juni durften wir Lilli endlich mit nach Hause nehmen – nach 141 Tagen Klinik, mit Magensonde, Sauerstoffflasche, Pulsoximeter und Medikamenten.
Der Moment war begleitet von Erleichterung – und von Angst.
Zu Hause war alles neu. Während unseres Österreich-Aufenthalts war mein Mann mit Familie und Freunden umgezogen – ich habe unser altes Zuhause nie wieder gesehen. Möbel, Kinderwagen, Kleidung – alles hatte ich aus dem Krankenbett heraus bestellt.
Unser Alltag war streng strukturiert. Alle vier Stunden musste Lilli 120 ml trinken – schaffte sie es nicht, musste sondiert werden. Sie schlief oft die Mahlzeiten durch, spuckte, wenn sie wach war. Ich weinte, schrie, fühlte mich hilflos. Alles musste sterilisiert werden, jede Mahlzeit war ein Kampf. Niemand durfte Lilli anfassen, sie lag unter einem Moskitonetz – draußen lauerte für mich die Gefahr von Keimen.
Lilli begann mühsam, Dinge zu lernen, die anderen Babys einfach zufallen.
Trinken, saugen, schlucken, atmen – alles musste sie sich erarbeiten. Der Hungerinstinkt fehlte. Jeder Fortschritt war ein kleines Wunder: das erste Baden, das erste Trinken an der Brust, das erste Schreien, das erste Mal im Kinderwagen, der erste Muttertag. So viele erste Male – so viele Tränen, Angst und auch Stolz.
Dann kam die Rückkehr nach Hause. Ich hatte große Angst vor der alten Umgebung – die Nachbarn, Bekannte, Beileidsbekundungen, Blicke. Alles war anders. Ich war nicht mehr dieselbe. Aber ich wollte ein Zuhause schaffen. Für Lilli. Für uns.
Heute ist Lilli sechs Jahre alt.

Lilli ist ein Sonnenschein. Foto: Privat
Sie lebt mit verschiedenen Besonderheiten. Sie hat zum Beispiel eine Bewegungseinschränkung, eine Entwicklungsverzögerung, ist schwerhörig und hat Epilepsie – und sie ist das fröhlichste, lebenslustigste, klügste Kind, das ich kenne. Sie wurde mehrfach operiert, wir sind ständig in Kliniken. Und ich kämpfe – jeden Tag. Gegen Ärzte, Krankenkassen, Bürokratie. Für Therapien, für Lillis Zukunft.
Aber ich schaue in ihr lachendes Gesicht – und weiß, dass sich jeder einzelne Kampf lohnt. Wir sind unendlich dankbar dafür, dass wir Lillis kleine Hand nehmen und Seite an Seite mit ihr spazieren gehen können.
Mir begegnen zurzeit so viele Menschen, die etwas zu beklagen haben.
Ich – als pflegende Mama – weiß ganz bestimmt, dass es eine Menge im Leben zu beklagen gibt. Und ja, manchmal ist vieles traurig, schlimm und unfair. Aber ist es da nicht umso wichtiger, sich über die guten Dinge zu freuen, die man hat? Sollten wir nicht viel öfter dankbar sein für das, was wir haben?
Ich befürchte, das tun wir viel zu selten.”
Liebe Jana, vielen Dank, dass wir deine berührende Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft! Wenn ihr mehr über Jana und Lilli erfahren möchtet, schaut gerne bei ihrem Instagram-Account vorbei: @Lillisreise
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