Heute ist Muttertag! Und Mama zu sein, ist für viele Frauen eine der schönsten Erfahrungen ihres Lebens. Ist ja auch so: Rein gar nichts auf der Welt ist vergleichbar mit dieser bedingungslosen Liebe und dem Erlebnis, einen Menschen bei den ersten Schritten in sein Leben zu begleiten. Trotzdem: All die schönen Momente werden auch immer begleitet von einer Menge Ballast im Kopf. Denn sagen wir, wie es ist: Mamas haben einfach immer etwas zu tun und zu bedenken. Stichwort: Mental Load.
Denn, kennt ihr das nicht auch? Diese Aufgaben, die man im Kopf hat. Sie sind irgendwie immer da. Einige von ihnen flirren kurz im Hirn herum wie Seifenblasen – und wenn man sie sich nicht schnell genug notiert, zerplatzen sie und „Mensch, Mama!!!“ vergisst „wieder einmal!!!“ etwas. Andere „To-Dos“ nisten sich fest im Schädel ein und vermiesen uns dann in schöner Regelmäßigkeit jede ruhige Minute, bis wir sie erledigt haben. Wie ein Wecker, dessen Snooze-Taste wir x-mal drücken, bis wir endlich aufstehen – von Erholung keine Spur. Das nennt man „Mental Load“. Die unsichtbare Arbeitsbelastung. Eine ganze Fülle von Dingen, die wir – neben all dem ganz Offensichtlichen – tun, und die niemandem auffallen. Das würden sie nämlich erst, wenn wir sie NICHT erledigen würden. Unser Kopf hat niemals Feierabend.
Zu viel Mental Load macht unglücklich. Und zuuuuu viel Mental Load kann krank machen. Es ist also an der Zeit, etwas zu ändern. Nicht nur heute, am Muttertag, sollte der ganzen Familie klar sein: Mama hält die Familie zusammen. Aber Mama braucht ganz dringend Entlastung.
Als kleines Muttertagsgeschenk haben wir drei tolle Expertinnen zum Thema befragt. Sie alle haben selbst unter Mental Load gelitten. Sie haben uns erzählt, wie sie den Kreislauf durchbrochen haben und welche Tipps sie anderen Frauen geben können.
Die erste im Bunde ist Laura Fröhlich. Die Journalistin, Bloggerin und Buchautorin hält Vorträge und berät Firmen, Vereine und Privatpersonen und zeigt Strategien und Konzepte auf, um den Mental Load zu reduzieren.

Foto: privat
Laura, wie kam es dazu, dass du selbst von Mental Load betroffen warst?
Nach der Geburt unserer drei Kinder war ich jeweils ein Jahr in Elternzeit. Ich fühlte mich verantwortlich für die Kinderbetreuung, den Haushalt und eben auch für die Familienorganisation. Irgendwann war es für meine ganze Familie selbstverständlich, dass ich mich an all die Dinge kümmere: Die Kindergarderobe aktuell halten, das Kind beim Kinderturnen anmelden, Bücher wieder in die Bücherei zurückbringen, an alle Termine im Kindergarten und in der Schule denken, Arzttermine ausmachen und so weiter. Ich habe anfangs gar nicht gemerkt, dass dieses „An-alles-denken-müssen“ mich total schafft und fertig macht, und der Auslöser dafür war, dass ich mich immer zu müde und erschöpft fühlte. Ich habe selbst dann nicht viel von der Alltagsorganisation abgegeben, als ich wieder berufstätig war, hatte also wie so viele Mütter die Doppelschicht aus Beruf und Care-Arbeit.
Warum trifft Mental Load vor allem Frauen?
Es sind eben ganz oft die Mütter, weil sie sich für die Arbeit in der Familie stärker verantwortlich fühlen, durch die Elternzeit oder Teilzeit-Jobs länger und öfter zu Hause sind, sich deshalb viel um die Kinder kümmern, entsprechend mehr Haushaltsaufgaben übernehmen und eben in erster Linie die Familie organisieren. Das hat auch viel mit unserem anspruchsvollen Mutterbild zu tun, denn unsere Gesellschaft ordnet Care-Arbeit Frauen zu. Viele Männer fühlen sich eher verantwortlich dafür, für Geld zu sorgen, und tragen damit auch eine gewisse Last, aber sie haben nicht immerzu mehrere Baustellen im Kopf, haben auch mal Feierabend und seltener ein leeres Renten-Konto.
Was sind die größten Probleme daran?
Mental Load führt oft zu Erschöpfungszuständen. Man fühlt sich überlastet, müde, hat Angst, Aufgaben zu vergessen, und findet einfach keine Zeit mehr, zu entspannen und Pause zu machen. Oft gesteht man es sich auch nicht mehr zu, weil die To-do-Listen endlos scheinen. So verlernen manche Mütter richtig, für sich selbst zu sorgen, weil sie immer nur an die anderen denken. Und: Wer sich viel kümmert, hat auch weniger Geld, weil familiäre Care-Arbeit nicht nur unsichtbar, sondern auch unbezahlt ist. Hier ist es wichtig, für denjenigen Elternteil finanziell vorzusorgen, der nicht oder geringfügiger erwerbstätig ist.
Wie bist du selbst aus der Mental Load-Falle gekommen?
Seitdem meinem Mann und mir das Problem mit der mentalen Last bewusst geworden ist, organisieren wir unsere Familie gemeinsam. Wir treffen uns einmal die Woche in der Küche und gehen alle Termine und Aufgaben durch, die anstehen. Vor einem Urlaub kümmern wir uns zusammen um die Packliste, wir organisieren einen Kindergeburtstag gemeinsam und teilen uns alle weiteren Organisations-Aufgaben auf.
Was ist dein Tipp für Frauen, die unter ihrem Mental Load leiden?
Ich kann ihnen empfehlen, sich auch mit dem Druck von außen zu beschäftigen und so zu erkennen, wie hoch die Erwartungen an Mütter sind. Wir müssen in jedem Bereich professionell sein, egal ob es um die richtige Ernährung, Erziehung oder anderer Themen rund um die Kinder geht. Das ist einfach viel zu viel und es ist kein Wunder, dass wir uns dauernd erschöpft fühlen. Es ist wichtig, den eigenen Perfektionismus zu hinterfragen und die Aufgaben zu reduzieren. Außerdem müssen wir alle gemeinsam dafür eintreten, dass diese Care-Arbeit mehr geschätzt und gerechter verteilt wird.
Für das richtige Bewusstsein es ist auch ganz wichtig, nicht zu fragen, ob der Partner „helfen kann“. Das zahlt nämlich auf die Annahme ein, dass dieser Bereich nicht in seinen den Verantwortungsbereich fällt. Manche Männer sehen sich eher als Assistent im Bereich Haushalt und Organisation. So bleibt das „Daran-denken“ auf der Seite der Frau. Wichtig ist, sich klarzumachen, dass all diese unbezahlte Care-Arbeit im Verantwortungsbereich beider Eltern liegt.
Mehr von Laura lest ihr in auf ihrer Website und in ihrem neuesten Buch:
„Familie als Team. Zusammen stark! Familienleben effizient und liebevoll“ von Laura Fröhlich. 18 Euro, rowohlt.
Auch Familienpsychologin Nina Grimm hat Mental Load am eigenen Leib erfahren. Heute hilft sie mit ihrem Soulparenting Campus Familien so zu leben, wie sie es wollen.

Foto: Nicole Thie
Nina, wie sah dein Leben aus, als du unter Mental Load gelitten hast?
Ich war mit einem Kleinkind und Baby kindergartenfrei zu Hause, mitten in der Weiterbildung für meine staatliche Anerkennung als Psychotherapeutin und hatte gerade einen Buchvertrag unterschrieben. Ich hatte keine familiäre Unterstützung und war mit Abstand die Allererste im Freundeskreis, die Kinder hatte.
Ich bin damals um 5 Uhr morgens aufgestanden, um zu arbeiten, bis die Kids wach wurden. Ich hab sie meinem Mann in die Arme gedrückt, sobald er – glücklicherweise immer verlässlich und pünktlich – gegen 17 Uhr nach Hause gekommen ist – meistens, um weiterzuarbeiten. Meine Arbeit hat mir damals wie heute aber tatsächlich eher Kraft gegeben. Aber was immer da war, war das schale Gefühl, nie fertig zu werden. Und an keiner Ecke und Kante so wirklich 100 Prozent geben zu können. Woran ich mich aus der frühen Mama-Zeit auch noch sehr gut erinnern kann, ist das Gefühl, dass mein Selbst gar nicht mehr existiert. Weil ich nur noch für andere am funktionieren bin. Ein bisschen wie ein fremdgesteuertes Alien, mit Milchbar.
Gab es einen konkreten ersten Schritt, mit dem du begonnen hast, dich aus dem Hamsterrad zu befreien?
Ja, da war auf jeden Fall die konkrete Erfahrung am eigenen Leib, dass es meinen Kindern schadet, wenn ich so runtergerockt bin. Traurig aber wahr – ich brauchte diese „Fremd-Motivation“: Nur für mich hätte ich es wahrscheinlich nicht getan. Aber meine Kinder waren es mir wert, meinen Alltag zu überdenken. Und Veränderungen vorzunehmen.
Und was hat dir dabei am meisten geholfen?
Zwei persönliche Erkenntnisse:
- Selbstfürsorge ist kein weiteres To-Do. Es geht viel mehr um eine neue Grundhaltung, mit der ich mir im Alltag lernen darf, mir selbst zu begegnen
- Hinter der Wut über die Ungerechtigkeit und über die Tatsache, dass ich jetzt Listen schreiben soll, damit er mich entlasten kann, steckt eigentlich ein Schmerz: Es lastet zu viel auf meinen Schultern. Und das, was ich tue, wird nicht wertgeschätzt. Das ist ein alter Schmerz. Der viel von dem Wumms verursacht hat, der hinter dem ganzen Topic Mental Load steckt.
Wie sehen dein Familienleben und dein Mental Load heute aus?
Gar nicht so viel anders…. Ich arbeite immer noch gerne und viel und ziehe daraus immer noch Kraft. Meine Kinder sind größer und selbstständiger geworden. Meine Tochter backt den Kuchen für das Schulfest selbst und mein Sohn hängt lieber mit seinen Jungs auf den Skateplatz ab. Das schafft natürlich neue Freiräume und damit auch Entlastung im Alltag. Ich denke, die wichtigste innere Veränderung ist tatsächlich die Stabilisierung meines Selbstwertes und das Durchbrechen des alten Musters, immer alles kontrollieren und perfekt sein zu müssen. Ich bin weicher geworden, bin weniger verbissen. Ich kann besser Pausen machen und Sport, Zeit für Beziehungen und Freundschaften sind keine „vielleicht irgendwann mal“-Option, sondern fest natürlicher Bestandteil meines Alltags. Ganz pragmatisch haben wir als Familie aber auch sehr davon profitiert, dass es klare „Ministerien gibt“ – so kümmert sich beispielsweise mein Mann um Sport und Freizeitprogramme der Kids. Und ich habe gelernt, die Verantwortung dafür auch wirklich abzugeben.
Welche Tipps würdest du mit deinem jetzigen Wissen betroffenen Müttern geben?
1. Selbstmitgefühl: Du steckst gerade in einer echt harten Lebensphase. Begegne dir selbst auf die Art und Weise, wie du es dir für deine Kinder wünschen würdest!
2. Mach deinen Load sichtbar und lerne abzugeben. Setze dich mit deinem Partner/deiner Partnerin an einen Tisch und mach die klassische Liste. Haltet fest, was es in eurem alltäglichen Alltag zu bewältigen gibt. Clustert diese Aufgaben in Gruppen und vergebt entsprechende Ministerien – basierend auf euren Kompetenzen oder Vorlieben: Finanzministerium, Einkaufsministerium, Koch-Ministerium – und dann übt euch darin, die anderen es auf ihre Art und Weise machen zu lassen. Prüfe aufrichtig, ob hinter der mentalen Belastung ein emotionaler Schmerz liegt, der unnötigen WUMMS mit aufs Feld bringt; zum Beispiel:
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- Dass du es nie recht machen kannst
- Dass es nie genug ist
- Dass niemand für dich da ist
- Dass du nicht wertgeschätzt wirst, für das was du bist
Lass dich ggf. professionell dabei begleiten, diese alte Wunde zu versorgen – damit sie deinen Alltag nicht mehr so sehr prägt.
3. Hol dir Unterstützung und such dir Gleichgesinnte. Du musst das nicht alleine schaffen. Menschen sind nicht dafür gemacht. Also zeig dich aufrichtig und connecte dich. Aber nicht um zu meckern und zu jammern – darf natürlich auch mal sein . Setze aber den Fokus darauf, euch gegenseitig zu empowern und zu unterstützen.
Gibt es eine Art SOS-Tipp, wenn man akut merkt: Ich kann nicht mehr?
Meine persönliche Variante: Alles liegen lassen – Kind ggf. in die Trage – und raus in den Wald. Oder zur nächsten Eisdiele für ein Schokoeis mit Sahne. Frag dich selbst: Was brauche ICH jetzt: etwas Schönes, Erdendes, Beruhigendes oder Belebendes? Kontakt oder Stille? Und dann nichts wie raus aus dem einengenden Kontext und gönn dir!!
Mehr von Nina und ihrem Soulparenting Campus lest ihr auf ihrer Website und in ihrem Buch:
„Wie ihr euch nicht umbringt, wenn ihr Eltern seid. 10 Fehler, die Eltern-Paare begehen – und wie ihr sie vermeiden könnt.“ von Nina Grimm. 19,99 Euro, GU.
„Ich kann nicht mehr!“ Dieses Gefühl kannte auch Henriette Mathieu, die heute als u.a. als Mutter Burnout-Coach arbeitet. Sie hat uns ihre Geschichte erzählt.

Foto: privat
Henriette, wie ging es bei dir los mit dem Stress?
Mit einem Kind war noch alles easy peasy. Ich ging ins Theater und Kino mit dem Baby im Tragetuch, sang in unserem Chor und dachte, ich sei die PERFEKTE Mama. Wir waren sogar auf Weltreise mit ihm, ohne Probleme.
Aber dann ging es los: Als ich nach einem Jahr Elternzeit zurück in die Schule ging als Lehrerin in Pflicht-Vollzeit, wurde es zum ersten Mal wirklich anstrengend. Mit der Geburt des zweiten Sohnes ging es dann erst richtig los. Mein Erstgeborener leidete ungemein unter der Entthronung, und ich sprang mit auf den Zug der starken Gefühle auf. Seine Wut und das damit verbundene zerstörerische Verhalten überforderten mich und ließen mich zurück in Ohnmacht und Verzweiflung – und enormer WUT! Ich wurde zur unberechenbaren Furie und der schlimmsten und unfähigsten Mama der Welt – willkommen Schuld und Scham! Und das als Pädagogin – welch Schande!
Wir zogen von der Metropole an den Strand – mein Lebenstraum! Man sollte meinen, dass nun alles prima war, oder? NEIN! Der Papa die meiste Zeit weg und ich alleine mit den zwei Jungs zu Hause. Der Alltag wurde immer mehr zur Hölle – schlechte Nächte, dauergestresst mit einem wütenden rebellierenden Kind und einem Kleinkind, das ständig an der Brust nuckeln wollte. Und die Einsamkeit dazu im immer noch fremden Land wohlbemerkt, keine Unterstützung weit und breit. Meine Familie und gute Freundinnen 8000 km entfernt.
Immer ich in der Haupt-Fürsorgefunktion. 4 von 7 Tagen 24/24. Ich erinnere mich an die Bauchkrämpfe Sonntag abends, bevor mein Partner uns wieder für 4 Tage verlassen würde.
Morgens zog ich tiefenerschöpft die Decke über den Kopf, abends saß ich heulend im Bett. Tagsüber jagte ein Trigger den nächsten, ich rastete regelmäßig aus und danach verfiel ich in eine Starre der Trauer. Mein Körper rief den Alarm aus: Fiese Verspannungen, Rückenschmerzen, chronische Kieferschmerzen, Reizdarm. Ich hörte ihn nicht.
An einem dieser Alleine-Sein-Abende rastete ich richtig aus und schmiss vor den Augen meiner Kinder (1 und 4 Jahre) eine Schüssel auf den Boden, die in 1000 Teile zersprang. Das war der Moment, in dem etwas in mir zusammen mit der Schüssel zerbrach. Bevor ich einschlief, überlegte ich noch, ob ich mich ins Auto setzen sollte und an den nächsten Baum brettern sollte, oder ob ich lieber einfach auf und davon fliehen sollte.
Und was hast du dann gemacht?
Ich zog endlich die Notbremse und öffnete mich einer Therapeutin gegenüber. Dies war der Start in meine ,Persönlichkeits-Entwicklung‘ – der Startpunkt zu einer Reise zurück zu mir selbst. Neben der Therapie begann ich selber zu studieren, Podcasts, Bücher, Kurse. Später begann ich mit den ersten Fort- und Ausbildungen in NLP, energetischer Psychologie, Mindfulness, Studium der Polyvagaltheorie und andere.
Meine ersten größten Erkenntnisse dieser Zeit waren:
• Ich lebte im traditionellen Partnerschafts-Eltern-Modell „Klassik“ – Frau kümmert sich um alles, Mann arbeitet oder entspannt, während Frau alles unter Kontrolle hat und mega organisiert ist. Verantwortung liegt bei der Frau – eigentlich immer! Ich sage nur, wie es bei uns war, ok?
• Ich war überzeugt, dass niemand so gut für meine Kinder sorgen konnte wie ich.
• Ich hatte mich mit der Mutterrolle völlig überidentifiziert und alles andere (auch durch die Erschöpfung bedingt) verloren: Hobbys, Freundinnen, Aktivitäten.
• Ich kannte meine eigenen Bedürfnisse nicht mehr.
• Pausen machen fällt mir verdammt schwer. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Nur, dass die Arbeit ja nie aufhört…
Der erste, wirklich entscheidende Schritt für mich war die ehrliche Selbstreflexion. Ich begann in kleinsten Schritten und mit schlechtem Gewissen, Selbstfürsorge für mich zu erlernen. Mir Zeit für mich und für nichts Sinnvolles zu nehmen war schwierig. Als ich meiner Therapeutin frustriert berichtete, dass es doch nicht sein könne, dass ich täglich zwei Stunden nur für mich bräuchte, um den Tag zu überleben, lachte sie. ,Was denkst denn du?‘, war ihre Antwort. Unvorstellbar!
Meine Liste der Glaubenssätze war lang. Schmerzhaft sie anzuschauen. Was um Himmels willen schleppte ich da Jahrzehnte unbewusst mit mir alles herum? Ich beklagte mich über mein anstrengendes Leben, beschwerte mich, dass ich alles alleine machen müsste – gab die Verantwortung aber auch nie ab. Wie oft beschwerte ich mich, dass mein Partner keine Verantwortung übernahm – wie sollte er auch? Ich war ja immer schneller als er und konnte sowieso alles besser…
Peinlich, aber wahr: Ich bat meinen Partner, abends doch die Küche aufzuräumen statt Gitarre zu spielen. Es fiel mir schwer, das anzusprechen und noch schwerer es auszuhalten – ich musste mich am Sofa festhalten, um nicht aufzuspringen und ihm beim Abwasch zu helfen. Ich konnte einfach nicht stillsitzen, während jemand anders arbeitete.
Wie sieht dein Familienleben denn heute aus?
Heute gibt es solche und solche Tage. Tage, an denen es wirklich super läuft, und dann auch Tage, an denen alte Muster wieder aufploppen – gerade wenn ich meine Bedürfnisse und Grenzen übersehen habe. Und klar, unschöne emotional anstrengende Situationen kreuzen immer wieder unseren Lebensweg.
Ich ernte die Früchte der intensiven Arbeit mit mir während der letzten Jahre. Selbstfürsorge hat heute oberste Priorität. Bewegung, ausreichend Entspannung, gesunde Ernährung und auch das geistige Nähren. Soziale Kontakte pflegen. Mittlerweile sitze ich entspannt auf dem Sofa, während mein Partner die Küche putzt. Das Wissen um das Autonome Nervensystem und dessen Regulierung war für mich ein Quantensprung. Mein Glaubenssatz-Rucksack wurde umgestülpt und ausgeleert. Heute lebe ich mit dem Bewusstsein, dass ich nicht perfekt sein muss und nicht für alles allein verantwortlich bin. Ich habe gelernt, Aufgaben abzugeben – nicht nur die Handlungen selbst, sondern auch die Verantwortung dafür. Ich fordere mehr ein und akzeptiere, dass die Dinge vielleicht nicht so erledigt werden, wie ich es tun würde.
Der Mental Load ist immer noch da, aber er verteilt sich jetzt besser. Ich habe versucht, das Meckern und Jammern – auch das stille – abzulegen, denn es vergiftet meine Energie und bringt mich keinen Schritt weiter. Was früher purer Stress war, ist heute Genuss: Die Einschlafbegleitung meiner Kinder war für mich einst die Hölle – heute genieße ich diese Zeit zum Runterkommen, Erzählen, Massieren und Kuscheln. Und klar, ich bin immer noch dabei, ein paar meiner ,Zwiebelschichten‘ abzutragen, um mich als Frau noch mehr zu erkennen und authentisch meine Werte zu leben. Eine Frau mit Bedürfnissen, Träumen, Visionen – eine Frau, die genährt werden darf.
Im Gegensatz zu früher weiß ich jetzt: Dies ist allein meine Verantwortung!
Welche Tipps würdest du mit deinem jetzigen Wissen betroffenen Müttern geben?
- Hinterfrage deine Glaubenssätze: Woher kommen deine Ansprüche? Sind sie realistisch? Glaubenssätze wie „Nur ich kann es richtig machen“ führen direkt in die Erschöpfung.
- Entdecke das „Ich“ in dir wieder: Welche Identität willst du deinen Kindern vorleben?
- Weniger ist mehr!Schon kurze „Mikropausen“ von 1-2 Minuten mehrmals täglich können dein Nervensystem regulieren und sind tatsächlich deutlich effektiver als die Badewanne oder das Yoga einmal die Woche.
- Strukturiere deinen Alltag: Mache die Aufgabenverteilung transparent und teile sie fair auf. Schau, wie und wann du dir täglich Zeit für dich einplanen kannst.
- Entwickle Mut zur Imperfektion: Akzeptiere, dass andere Dinge anders erledigen werden als du. Besser unperfekt als gar nicht.
- Baue dir dein „Dorf“: Suche aktiv nach Unterstützung – vom Partner, von Freunden, Familie, professionellen Helfern. Das ist kein Zeichen von Schwäche!
- Bewegung, gesunde Ernährung, Natur und Stille: Vergiss nicht dein Fundament – einen gesunden Körper!
Gibt es eine Art SOS-Tipp, wenn man akut merkt: ,Ich kann nicht mehr!‘?
Warte nicht, wenn du Warnsignale spürst!
Wenn du dich überlastet fühlst, mache eine echte Pause!
Atme tief durch, spüre bewusst in deinen Körper hinein. Frage dich: „Was brauche ICH jetzt in diesem Moment?“ Und dann gönn dir etwas, was deine Bedürfnisse wirklich erfüllt.
Wenn du dich erstarrt fühlst „Ich kann nicht mehr!“ komm in leichte Bewegung oder streichele oder klopfe dich ab.
Wenn du in der Übererregung bist und Wut oder großen Stress spürst, schüttele dich aus, tanze, stampfe auf den Boden, stöhne, seufze, töne. Mach einen flotten Spaziergang, um die überschüssige Energie aus dem Körper zu lassen.
Co-Regulation ist so wichtig! Wir sind soziale Wesen und brauchen einander. Wer kann dir zuhören, wer kann dich halten? Du musst nicht alles alleine wuppen!
Selbstfürsorge ist keine Selbstsucht – sie ist die Voraussetzung dafür, dass du langfristig für andere da sein kannst. Nur wenn du gut stehst, kannst du andere halten. Und wenn du es nicht alleine schaffst, hole dir bitte Hilfe!
Mehr von Henriette und ihren tollen Coachingangeboten lest und hört ihr z.B. auf ihrer Website und in ihrem Podcast:
„Leuchtturm Mütter“, der Podcast von Henriette Mathieu.