„Mein Kind hatte das Alice-im-Wunderland-Syndrom.” Bitte was?

Hast du schon mal vom Alice-im-Wunderland-Syndrom gehört? Klingt doch beinahe niedlich, zumindest, wenn man an die berühmte Geschichte denkt. Die Störung ist aber für betroffene Kinder unangenehm und kann ihre Welt im wahrsten Sinne des Wortes ganz schön auf den Kopf stellen.

„Du siehst winzig klein aus, Mama – als wärst du geschrumpft.”

Lindsey Getz ist Mama von einem betroffenen Jungen und erzählt auf parents.com von ihren Erfahrungen mit dem größtenteils noch unbekannten Syndrom. „Ich hatte gerade meinen kranken 9-jährigen Sohn für die Nacht ins Bett gebracht, als er mich verwirrt ansah: ‚Du siehst winzig klein aus, Mama – als wärst du geschrumpft‘, sagte er. Da er 42 Grad Fieber hatte, dachte ich mir zunächst nichts dabei. Aber am nächsten Tag passierte es erneut – und dieses Mal, als sein Fieber niedrig und gut unter Kontrolle war. Er erklärte mir, dass der Raum um ihn herum aus dem Nichts zu schrumpfen schien.”

Die Arme und Beine wachsen ins Unermessliche, die Umgebung schrumpft auf Zwergengröße – so erleben Menschen ihre Umwelt, die unter dem Alice-im-Wunderland-Syndrom leiden. So wie die bekannte Kinderbuch-Figur Alice im Wunderland nehmen betroffene Kinder und Erwachsene ihre Umgebung verzerrt wahr.

Mama Lindsey bringt ihr Kind zum Kinderarzt, wo es positiv auf Grippe getestet wird.

„Es gab jedoch keine eindeutige Antwort auf die visuellen Verzerrungen – und zu diesem Zeitpunkt traten sie häufiger auf.” Sie spricht ein paar Tage später mit einer befreundeten Mutter über die seltsamen Sehstörungen ihres Sohnes. „Sie erinnerte sich, dass ihr Sohn während einer Grippe auch seltsame Sehstörungen erlebt hat. Er hatte seiner Mutter erzählt, dass die Schlafzimmertür meilenweit entfernt zu sein schien, obwohl sie direkt vor ihm war.”

Lindsey ist besorgt: „Hatte die Grippe irgendeinen Einfluss auf sein Gehirn?”

Also begann sie zu recherchieren und fand eine Antwort: „Was mein Sohn und der Sohn meiner Freundin erlebt hatten, war höchstwahrscheinlich das Alice-im-Wunderland-Syndrom (AIWS) – eine neurologische Erkrankung, bei der die Fähigkeit des Gehirns, sensorische Eingaben zu verarbeiten, gestört ist. So beängstigend das auch klingen mag, es ist an sich nicht schädlich und in der Regel nur vorübergehend.”

Was ist das Alice-im-Wunderland-Syndrom?

Das treffend benannte Syndrom gilt als selten. Das könnte aber daran liegen, dass die Forschung begrenzt ist. Und in vielen Fällen wird darüber wahrscheinlich nicht berichtet oder es wird sogar missverstanden. Experten sagen, es wird gemeinhin als Sehstörung oder sogar als Halluzination abgetan – aber es ist keines von beidem.

Anjan Chatterjee, M.D., ein kognitiver Neurologe und Gründungsdirektor des Penn Center for Neuroaesthetics, erklärt, dass AIWS eine „sensorische Verzerrung“ sei. Diese trete entweder in Form einer Mikropsie auf, bei der visuelle Objekte als kleiner wahrgenommen werden, als sie sind, oder als Makropsie, bei der visuelle Objekte als größer wahrgenommen werden, als sie sind.

MaryAnn Mays, M.D., eine Neurologin an der Cleveland Clinic, die sich auf Kopfschmerzmedizin spezialisiert hat, erklärt: „Während einer Episode kann es auch zu einem Gefühl der Depersonalisierung kommen, bei dem eine Person das Gefühl hat, auf sich selbst herabzublicken, als ob sie von ihrem Körper losgelöst wäre.“ Auch ein verändertes Zeitgefühl seien bei Fällen vom AIWS schon dokumentiert worden. Es fühlt sich dann entweder so an, als würde die Zeit endlos gedehnt – oder aber es ist das Gegenteil und alles läuft im Zeitraffer.

Die Ursachen vom Alice-im-Wunderland-Syndrom

Das AIWS kann durch eine Migräne, Epilepsie oder manchmal auch durch eine Virusinfektion wie Grippe oder Epstein-Barr ausgelöst werden. Außerdem kann es auch eine Nebenwirkung verschiedener Medikamente sein. In seltenen Fällen ist AIWS die Folge eines Hirntumors, dann gehen aber andere Symptome damit einher, wie zum Beispiel Schwierigkeiten beim Gehen und Sprechen.

Was tun, wenn das eigene Kind an AIWS leidet?

Auch wenn die veränderte Wahrnehmung beim AWIS ganz schön beängstigend sein kann, so lange keine gefährlichen Begleitsymptome damit einhergehen, ist es in der Regel ungefährlich und erfordert keine sofortig Behandlung. Experten empfehlen, das Kind genau zu beobachten und am besten sofort auszuschließen, dass extrem hohes Fieber dahintersteckt, welches möglicherweise einer Behandlung im Krankenhaus bedarf. Darüber hinaus ist ein Besuch beim Augenarzt sinnvoll, hier geht es ebenfalls darum, eine andere Erkrankung auszuschließen.

Lindseys Sohn geht es inzwischen wieder gut.

„Bei meinem Sohn dauerten diese „Episoden“ jeweils mehrere Minuten – was laut Dr. Chatterjee ziemlich typisch ist. Sie blieben auch während der gesamten Genesung bestehen und hielten sogar an, als andere Symptome wie das Fieber nachließen. In seiner schlimmsten Phase passierte dies mehrmals am Tag, doch die Anfälle ließen langsam nach, bis sie ganz verschwanden.”

Viel mehr als die Begleiterkrankung zu behandeln, können Eltern in der Regel auch nicht machen. Wenn AIWS durch eine Migräne verursacht wird, dann ist es gut zu wissen, dass viele Migränemedikamente bei der Vorbeugung dieser visuellen Verarbeitungsstörungen hilfreich zu sein scheinen.

„Obwohl es alarmierend war, mitzuerleben, wie mein Sohn diese Episoden erlebte, hatte er selbst nie übermäßige Angst. Dr. Chatterjee sagt, dass es hilfreich sein kann, wenn Eltern ruhig bleiben und beruhigend wirken, auch wenn es beunruhigend sein können”, schließt Lindsey.

Hast du schon mal vom Alice-im-Wunderland-Syndrom gehört – oder vielleicht selbst schon Erfahrungen damit gemacht?

Dann schreibe es uns gerne in die Kommentare. Wir freuen uns auf den Austausch.

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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Anonym
Anonym
1 Monat zuvor

Hallo, mein Kind hat das AIWS auch, es hat bei ihm schon Wochen oder Monate vor der Grippe angefangen, war aber nur vereinzelt vorgekommen. Zur Grippezeit wurden daraus zwei bis viermal täglich, nach Genesung ein bis zweimal am Tag (bis heute). Natürlich habe ich mir zunächst große Sorgen gemacht, doch es scheint fast ausschließlich harmlos zu sein und von alleine irgendwann zu verschwinden. Es gibt wenige Studien, die die möglichwn Ursachen benennen.

Last edited 1 Monat zuvor by Anonym