Hindert zu viel Erziehung unsere Kinder am Glücklichsein?

Kleinkinder spinnen manchmal total. Sie trotzen, hauen, haben die irrsten Ideen und Ticks und drehen total durch, wenn wir da nicht mitspielen. Ein Tag mit einem Kleinkind ist spannend und wunderschön – kann einen aber auch so richtig fertigmachen. Manchmal liegt man abends platt auf dem Sofa und überlegt: „Warum nur ist mein Kind scheinbar so unzufrieden? Warum geraten wir so oft aneinander und warum hört es kein Stück auf mich?

Ich möchte doch nur, dass es glücklich ist!“

Können wir unsere Kinder zum Glücklichsein erziehen?

Glück ist doch das, was wir alle uns am meisten für unsere Kinder wünschen, oder? Dafür geben wir ihnen alle Werte mit, die uns als wichtig erscheinen, um in unserer Gesellschaft gut zu leben. Unsere Kinder sollen freundlich, respektvoll, erfolgreich und clever werden.

Und deshalb leiten wir sie an, jeden Tag, und korrigieren vermeintliches Fehlverhalten. Vielleicht fördern wir sie noch mit extra Kursen oder Büchern, die keinem so richtig Spaß machen, die aber als pädagogisch wertvoll ausgezeichnet wurden.

Aber können wir das, sie zu unserer Vorstellung des Glücks „hinerziehen“? Vielleicht liegt genau in unserem Verhalten die Antwort, warum Kleinkinder häufig so „merkwürdig“ reagieren.

Denn meistens ist es doch so: Als Babys hatten sie völlige „Narrenfreiheit“.  Unsere Babys dürfen spucken, laut weinen, sabbern, uns nachts wecken, jede Sekunde des Tages Kuschelneinheiten einfordern. Sie dürfen alles und müssen nichts. Und das ist genau richtig so, es sind Babys!

Werden sie allerdings zu Kleinkindern, nehmen wir sie oftmals plötzlich völlig anders wahr. Sie laufen, sie können sich allmählich besser mitteilen, man bekommt viel mehr von ihrem Charakter mit  – sie wirken einfach viel größer und reifer.

Und – zack – gehen wir anders mit ihnen um. Wir ändern alle Bedingungen. Quasi über Nacht. Sie sollen uns zuhören, nett sein, leiser sein, sich zumindest etwas zu benehmen wissen und gewisse Regeln befolgen.

Unsere Kinder – in Wahrheit ja immer noch so „klein“ wie vorher und auf unsere bedingungslose Fürsorge angewiesen – wissen nicht, wie ihnen auf einmal geschieht. Und reagieren auf ihre Weise: Sie handeln völlig irrational, trotzen, wüten, sind sehr fordernd. Und wir haben es nun mal oft noch so im Hinterkopf, geprägt von der Meinung vieler Generationen vor uns: Wenn wir dieses schlechte Benehmen jetzt nicht eindämmen, dann wird sich das auch nie mehr ändern.

Bah, was will Mama denn jetzt schon wieder von mir!? Foto: Bigstock

Wieviel Erziehung ist wirklich nötig?

Natürlich beginnt Erziehung schon jetzt. Das ist richtig so, wir haben die Verantwortung für unsere Kinder. Wir müssen sie anleiten auf ihrem Weg durchs Leben. Aber wenn wir wirklich permanent versuchen, sie nach unseren Vorstellungen zu formen, nehmen wir ihnen vielleicht die Chance, ihr persönliches Glück zu finden. Und sich zu den einfühlsamen, netten, zufriedenen und belastbaren Menschen zu entwickeln, die wir uns wünschen.

Wenn wir ihnen nicht den Freiraum geben, sich und die Dinge auszuprobieren, die Welt auf ihre (für uns oft völlig absurde) Art zu erforschen und auch mal zu scheitern oder bei anderen anzuecken, nehmen wir ihnen jegliche Motivation. Es kann passieren, dass wir ihnen das Selbstvertrauen nehmen und die Fähigkeit, zu lernen, welche emotionalen Fähigkeiten man braucht, um gut durchs Leben zu kommen.

Die Waage zwischen Anleitung und Freiraum

Nur, wie können wir im Alltag handeln? Wir müssen mit unserem Kind zusammenarbeiten, es ernst nehmen und immer wieder neu entscheiden, wann wir wirklich erzieherisch eingreifen sollten. Es gibt sechs Punkte, die wir dabei beachten sollten:

  1. Wir sollten unseren Kinder stets zu verstehen geben, dass sie sich in absoluter Sicherheit befinden und dass wir sie bedingungslos immer lieben werden.
  2. Wir sollten ihnen aufmerksam zuhören. Wir neigen dazu, sofort und viel zu reden, weniger zuzuhören und sie ganz automatisch zu lenken.
  3. Wir müssen unseren Kindern die Freiheit geben, nach ihren Vorstellungen zu spielen und Dinge selbst zu erforschen.
  4. Wir müssen ihnen Gelegenheiten geben, für sich zu kämpfen, sich auszuprobieren – und dabei auch mal zu scheitern. Auch, wenn das Mamas (mir zumindest!) verdammt schwer fällt.
  5. Wir müssen uns die (schöne) Mühe machen, unser Kind genau zu sehen und kennenzulernen: Welche Bedürfnisse hat es, was braucht es jetzt gerade von mir?
  6. Und trotzdem müssen wir unseren Kindern natürlich Grenzen setzen und sie anleiten. In Situationen, in denen es nötig ist. Denn ohne diese Hilfen der Eltern sind Kinder überfordert und schwirren haltlos durch ihr Leben.

Erfährt ein Kind diese Punkte im Alltag, hat es eine starke Grundlage, um seinen Charakter zu entwickeln. Die Kombination aus bedingungslosem Rückhalt, angemessenen Grenzen und genug Raum zum Entdecken des eigenen Ichs lässt Kinder zu starken, glücklichen Persönlichkeiten reifen.

Und wir haben auch etwas davon: Wir sparen uns so viele unnötige Machtkämpfen, die beide Seiten unglücklich zurücklassen.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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