Kann ich mein zweites Kind genauso lieben wie mein erstes?

Wenn das zweite Kind unterwegs ist, mischt sich bei vielen Schwangeren neben all der Vorfreude auch eine Frage, die zu großer Verunsicherung führen kann. Kann ich mein zweites Kind überhaupt genauso lieben wie mein erstes? Gleichzeitig schämen sich die meisten für den Gedanken – darf eine Mutter so etwas überhaupt denken? Ja, sie darf! Und wenn es dir auch so geht, kann ich dir sagen: Du bist damit nicht allein!

Meine Freundin ist gerade mit ihrem zweiten Baby schwanger

Es ist ein absolutes Wunschkind, und man sieht ihr an, wie sehr sie sich darauf freut. Bisher jedenfalls. Denn bei unserem letzten Treffen wirkte sie plötzlich bedrückt. Als ich sie fragte, was los sei, druckste sie erst etwas herum. Aber dann rückte sie doch mit der Sprache heraus.

„Ich habe Angst“, sagte sie leise. „Angst, dass ich mein zweites Kind nicht genauso lieben kann wie mein erstes.“ Das war es also, was sie bedrückte. Obwohl sie sich eigentlich so sehr auf ihr zweites Kind freute, hatte sich plötzlich dieser Gedanke in ihren Kopf geschlichen.

„Du hast doch zwei Kinder, wie war es denn bei dir?“

Hoffnungsvoll schaute meine Freundin mich an. Und ich sagte ihr ehrlich, wie es wahr. Denn ich kannte diesen Gedanken zur zu gut.

Als ich zum zweiten Mal schwanger wurde, war meine Tochter gerade 1,5 Jahre alt. Ich hatte mir immer mindestens zwei Kinder gewünscht, deshalb war meine Freude groß, als ich den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. Schon bald sind wir zu viert, jubelte es in meinem Kopf.

Ein paar Wochen lag ich im Bett, und meine Tochter schlief mit ihrem Kopf auf meinem Bauch. Als ich ihr kleines Gesicht betrachtete, während sie so friedlich da lag, durchflutete mich plötzlich eine Welle von Liebe. So viel Liebe für dieses kleine Mädchen, das mir einfach alles bedeutete.

Und dann war sie da, diese Frage in meinem Kopf.

Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. „Kann ich mein zweites Kind überhaupt genauso lieben?“ Kann man wirklich die gleiche große Liebe für zwei kleine Menschen empfinden? Ich erschrak bei dem Gedanken. Und fühlte mich schlecht.

Ich schlief nicht sonderlich gut und auch am nächsten Morgen ließ mir der Gedanke keine Ruhe. Ich überlegte, mit meinen Freundinnen darüber zu sprechen, aber war das wirklich eine gute Idee?

Darf man das als Schwangere überhaupt laut sagen?

Schließlich steht doch ALLEN Neu-Mamas das Glück nur so ins Gesicht geschrieben. Jedenfalls, wenn es nach dem Bild geht, das die Gesellschaft uns ständig und überall vermittelt. Nach einer anstrengenden Geburt bekommen wir unser Baby zum ersten Mal auf den Bauch gelegt – und schäumen sofort über vor Liebe und Dankbarkeit.

Natürlich ist das Quatsch! Und natürlich wusste ich auch, dass das Quatsch ist. Längst nicht jede Mutter empfindet das so, und das ist auch vollkommen in Ordnung! Manche haben noch Wochen nach der Geburt Schwierigkeiten, eine Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Eine traumatische Geburt oder Wochenbettdepression sind nur zwei der möglichen Gründe.

Und obwohl es viel mehr Mamas betrifft, als man denkt, stößt man leider oft auf Unverständnis.

Das alles war mir alles durchaus klar. Aber ich wusste eben auch: Bei meiner Tochter war es genauso gewesen, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Als ich sie zum ersten Mal in den Armen hielt, war mein Herz sofort voller Liebe. Ich hätte ohne zu zögern alles für sie getan und war von ganz viel Glück und einer tiefen Dankbarkeit erfüllt.

Und jetzt stellte sich mir die Frage: Kann man das wirklich noch einmal so empfinden? Ist das überhaupt möglich? Oder muss man seine Liebe vielleicht zwischen beiden Kindern aufteilen?

Oft heißt es ja, die Liebe verdoppelt sich mit jedem Kind.

Aber was ist, wenn es ausgerechnet bei mir nicht so sein sollte? Die Frage nach dem „Was ist, wenn“ machte mich fast verrückt. Und sorgte für unglaublich große Schuldgefühle, schon bevor mein Sohn überhaupt auf der Welt war.

Was war ich denn für eine Mutter, die an der Liebe zu ihrem Kind zweifelte?

Dazu kam noch ein zweiter Gedanke:

Würde sich durch ein zweites Kind die Beziehung zu meiner Tochter verändern?

Seit knapp zwei Jahren waren wir fast rund um die Uhr zusammen. Sie hatte meine ungeteilte Aufmerksamkeit, und wir haben es beide genossen. Wir haben viel gekuschelt, gespielt, abends ist sie in meinem Arm eingeschlafen.

Der Gedanke daran, dass sich das jetzt bald ändern würde, brach mir das Herz. Wie sollte ich meiner großen Kleinen erklären, dass Mama in den nächsten Wochen auf einmal weniger Zeit für sie haben würde? Und wie würde sie überhaupt auf den kleinen Bruder reagieren?

Wir versuchten, sie schon während der Schwangerschaft so gut wie möglich mit einzubinden. Ich ließ sie meinen Babybauch anfassen, damit sie fühlen konnte, wie ihr kleiner Bruder strampelte. Wenn mein Mann Fotos von meinem Babybauch machte, stand sie stolz daneben und wollte auch auf den Auslöser drücke – und natürlich gab es immer ein Foto, auf dem sie auch zu sehen war.

Sie freute sich wirklich sehr darauf, große Schwester zu werden. 

Nur ich war es, die zweifelte.

Wenn ich versuchte, das Thema bei meinem Mann anzusprechen, versuchte er, mich zu beruhigen. Er war sich sicher, dass die Liebe genauso stark sein würde wie bei unserer Großen. Wie konnte er so sicher sein? Ich wusste es nicht. Und es schürte meine Zweifel nur noch mehr. Sollte ich nicht genau das Gleiche fühlen? Schließlich wuchs unser Baby in meinem Bauch heran.

Die Geburt kam näher, die Vorfreude stieg – aber meine Zweifel blieben.

Und dann war er da, mein Sohn – und meine Sorgen war vergessen.

Zwei Jahre nach der Geburt meiner Tochter hielt ich mein zweites Kind in den Armen. Von einer Sekunde auf die andere waren meine Zweifel wie weggeblasen. Ich liebte diesen kleinen Menschen sofort und von ganzem Herzen.

Mein Mann hatte die ganze Zeit Recht gehabt – und ich brach vor Erleichterung in Tränen aus.

Und auch meine zweite Sorge war vollkommen unbegründet:

Wenig später holte mein Mann unsere Tochter ab. Ich war unglaublich aufgeregt. Wie würde sie auf den kleinen Bruder reagieren? Neugierig kam sie ins Zimmer, begrüßte mich kurz und entdeckte dann das Baby. Sie streckte ihre kleine Hand aus, berührte die kleinen Fingerchen – und strahlte über das ganze Gesicht. Sie war mindestens genauso verliebt wie ich!

Natürlich waren die ersten Wochen eine Umstellung – für uns alle. Aber wir haben versucht, unsere Große möglichst oft mit einzubinden. Und nach der Anfangszeit gab es für sie immer wieder Exklusivzeiten mit Mama oder Papa. Manchmal war das nur eine Viertelstunde, aber sie war glücklich.

Also, was ist meine Antwort auf die Frage, ob ich mein zweites Kind genauso lieben kann wie mein erstes?

Liebe ich meinen Sohn genauso wie meine Tochter? Nein.

Denn meine Große war diejenige, die mich zu ersten Mal zur Mama gemacht hat. Mit der ich den magischen Moment nach der Geburt zum allerersten Mal erlebt habe – und so viele andere erste Male auch. Das ist einfach mit nichts zu vergleichen und wird auch niemals wiederkommen.

Liebe ich meinen Sohn deshalb weniger? Definitiv nein! Denn er hat unsere Familie komplett gemacht. Hat mich die wunderschöne Babyzeit noch einmal erleben lassen, wenn auch natürlich etwas anders. Aber deshalb nicht weniger schön. Er ist seiner Schwester in vielen Dingen so ähnlich, und in anderen sind sie komplett verschieden. Und ich würde beide für nichts auf der Welt wieder hergeben.

Ich liebe jedes meiner Kinder auf eine andere Art und Weise – aber beide von ganzem Herzen.

Und ich für mich (und das gilt nur für mich persönlich) kann nur bestätigen, was so viele Eltern mir vorher erzählt haben, und was mir selbst schwerfiel, zu glauben: Man muss die Liebe zwischen seinen Kindern nicht aufteilen – sie verdoppelt sich von ganz allein.

Wiebke Tegtmeyer
Nordisch bei nature: Als echte Hamburger Deern ist und bleibt diese Stadt für mich die schönste der Welt. Hier lebe ich zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Kindern. Nach meinem Bachelor in Medienkultur an der Uni Hamburg, einem Volontariat zur Online-Redakteurin und einigen Jahren Erfahrung als (SEO-)Texterin bin ich nach meiner zweiten Elternzeit bei Echte Mamas gelandet. Hier kann ich als SEO-Redakteurin meine Leidenschaft für Texte ausleben, und auch mein Herzensthema Social Media kommt nicht zu kurz. Dabei habe ich mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Ernährung von der Schwangerschaft über die Stillzeit bis hin zum Babybrei beschäftigt. Und wenn ihr auf der Suche nach einem Vornamen für euer Baby seid, kann ich euch garantiert passende Vorschläge liefern. Außerdem nutze ich die Bastel-Erfahrungen mit meinen beiden Kindern für einfache DIY-Anleitungen. Wenn der ganz normale Alltags-Wahnsinn als 2-fach Mama mich gerade mal nicht im Griff hat, fotografiere ich gern, gehe meiner Leidenschaft für Konzerte nach oder bin im Volksparkstadion zu finden.

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