„Ich erlebe den ersten Muttertag ohne meine Mama an der Seite.”

Wir haben vier tolle Mamas gefragt, was sie sich wirklich zum Muttertag wünschen und was ihnen dieser Tag bedeutet. Hier kommt Annamaria zu Wort, die gemeinsam mit ihrer Frau Vivian zwei Kinder auf Erden und zwei im Himmel hat. Annamaria musste im vergangenen Jahr ihre Mutter gehen lassen und erlebt nun den ersten Muttertag ohne ihre Mama.

„Muttertag, was bedeutet dieser Tag für mich? Tatsächlich kann ich das gar nicht so leicht beantworten, denn dieser Tag hat sich in den letzten Jahren sehr in seiner Bedeutung für mich verändert. Mach dich auf eine etwas längere Geschichte gefasst und vor allem, halte deine Taschentücher bereit, denn wenn du so sensibel bist wie ich, könnte das eine oder andere Tränchen laufen…

Eigentlich ist ein Muttertag ja überhaupt nicht nötig, oder?

Generell sollte man sich feiern, seine Mutter feiern, nicht nur einen Tag im Jahr, oder?! Ist das nicht auch einfach nur ein kommerziell ausgeschlachteter Tag? Dennoch möchte ich meine Geschichte und meine Gefühle zum Muttertag mit euch teilen. Also, ihr lieben Menschen, Frauen, FLINTAs, Mamas, Töchter, bitte lest nur weiter, wenn ihr euch stark genug dafür fühlt.

Vor knapp 7 Jahren, als ich mein erstes Kind noch unter meinem Herzen trug und wir kurz vor der Geburt standen war da dieses ‚WOW‘ – bald darf ich auch Muttertag feiern, endlich werde ich eine Mama sein und bin nicht mehr nur die Hundemama oder Katzenmama. Es war ein so schönes Gefühl Mama zu sein. Als nach drei Jahren die ersten selbst gebastelten Geschenke aus dem Kindergarten bei uns ankamen, war ich umso glücklicher.

Mama zu sein ist so toll. Es war mein größter Wunsch, auf den ich so lange gewartet habe.

ENDLICH hatte ich ein Kind, hatten WIR ein Kind und dazu noch ein so bezauberndes! Ich feierte mich sehr und hätte kaum glücklicher sein können. Wer unsere Geschichte kennt, weiß, dieses Gefühl hielt leider nicht an. 2019 und auch 2020 stellte alles bisher Erlebte und Überstandene völlig auf den Kopf. Aber auch 2021 und 2022 verlangten uns einiges ab.
2019 überlebte meine Mama knapp eine sehr schwere OP und konnte nur geradeso noch reanimiert werden. Doch das war erst der Anfang ihres langen Leidensweges.

Während meine Mama sich langsam erholte, wurde meine Welt dunkel und grau… Wir haben über viele Monate versucht, unserer Tochter ein Geschwisterchen zu schenken. Doch so einfach auch alles beim ersten Versuch gewesen war, um so komplizierter wurde es nun. Als lesbisches Ehepaar ist das auch nicht so einfach, wie man sich das manchmal vorstellt.

Nach unzähligen Versuchen war ich zum Ende des Jahres endlich schwanger.

Meine Frau und ich freuten uns so sehr. Weihnachten 2019 taumelten wir also vor Freude, was waren wir Glückspilze.Mama hatte überlebt und ich wurde schwanger! Was für ein tolles Gefühl zum Jahreswechsel, was ein GLÜCK! Wir waren gesegnetes, danke lieber Gott! Ihr ahnt es vielleicht schon. Es kam alles ganz anders. Das Glück, welches wir glaubten zu haben hielt leider nicht an.

2020 verloren wir unser Baby, unseren kleinen Sohn Luigi mit Beginn des 7. Monats. Vom Bauch in den Himmel. Chancenlos. Eine Stunde hat unser kleiner Schatz gelebt … Nach einigen Wochen des Kämpfens im Krankenhaus, zu Beginn der Corona-Pandemie, verloren wir unser Kind. Präeklampsie, schwere Schwangerschaftsvergiftung und alles, was man nicht braucht, wenn man schwanger ist, trat ein. Allein, ohne jeglichen Besuch, litt ich wochenlang und hielt tapfer all meine Symptome aus, um meinem Baby mehr Zeit in meinem Bauch zu geben.

Doch Luigis Zeit auf Erden war begrenzt.

Hilflos und völlig verzweifelt hielt ich an Ostern 2020 mein totes Baby in meinem Arm. Ein nie da gewesenes Gefühl zerfetzte mich innerlich und ich konnte kaum atmen, so erstickte mich die Trauer. Nun war das ‚Mama sein‘ plötzlich in ein ganz anderes Licht gerückt. Auf einmal war es nicht mehr nur noch wunderschön und alles rosarot. Auf einmal war ich, waren wir Sterneneltern. Unser Sohn war tatsächlich gestorben. Das passiert doch sonst nur den anderen. Sternenmama. ICH?

Der Muttertag bekam für mich immer mehr eine so traurige und dennoch umso wertvollere Bedeutung. Wie schnell kann einfach alles vorbei sein, wie schnell kann sich alles ändern? Es wird kein kleines Mäuschen stolz aus dem Kindergarten kommen und selbst gemalte Bilder zeigen. Wir werden nicht zusammen Kuchen essen am Muttertag. Die Kinder werden sich nicht gemeinsam etwas Schönes für meine Frau und mich überlegen.

Ab jetzt war und wird Muttertag immer auch traurig sein, weil einer fehlt…

Doch damit nicht genug. Im gleichen Jahr wurden wir erneut zu Sternenmamas, diesmal zwei Tage vor Heiligabend. Dachten wir anfangs noch, das passiert uns keinesfalls ein zweites Mal, wurden wir auch hier eines Besseren belehrt. Dann auch noch an Weinachten. Das Schicksal meinte es leider einfach nicht gut mit mir, denn mein Kinderwunsch blieb ab dieser Zeit unerfüllt.

Ich hatte große Angst immer wieder durch diese Hölle zu gehen und gab nach einigen weiteren erfolglosen Versuchen auf. Die Trauer, Angst und Sorge blockierten mich. Mama zu sein war nicht nur schön und wundervoll, Mama sein kann unendlich weh tun und mit diesem Gefühl musste ich nun für immer leben.

Das Gute daran, dass du ein Lady-Duo bist, ist, dass es, zumindest, wenn sich beide einig sind, die Chance gibt, dass die andere Mami ein Kind zur Welt bringt. Auch hier war es alles andere als einfach und unser Patchworkpapa hatte es nicht leicht mit uns…

Es folgten unzählige Versuche, schwanger zu werden.

Immer wieder zwischen Hoffnung und Enttäuschung lebten wir Zyklus für Zyklus, traurig und enttäuscht über Monate hinweg mit diesem Gefühl des verwehrten Kinderwunsches. Letztlich erfuhren wir, dass meine Frau nur einen verfügbaren Eileiter hatte und der ganze Bauchraum voll mit Endometriose war … Somit folgte eine schmerzhafte OP, damit sich unser Kinderwunsch doch noch erfüllen konnte.

Long Story short: Das Wunder geschah! Meine Frau schenkte mir tatsächlich unser lang ersehntes Baby und so wurden wir doch noch nach einer wirklich aufwühlenden Reise des unerfüllten Kinderwunsches im November 2021 mit einem weiteren Baby gesegnet. Unser kleiner Sohn, auf den wir lange gewartet haben, zog in unser Mamaherz ein. Endlich gab es für uns als Mütter und Mamaduo wieder Grund zur Freude und wir waren wieder glücklich(er). Unsere Regenbogenfamilie wuchs. Endlich.

Seit dem Frühjahr 2022 sind wir auch noch Pflegemamas.

Ein kleines Mäuschen hat bei uns ihr zuhause gefunden und unsere Patchworkfamilie war nun noch ein bisschen größer, lauter und bunter. Wenn ihr nun glaubt, unsere Geschichte endet mit einem Happy End, so muss ich euch leider enttäuschen. Denn der für mich schwerste Schlag folgte noch, bevor unser kleiner Sohn ein Jahr alt werden durfte. Und er erklärt endgültig, warum der ‚Muttertag‘ für mich nicht einfach zu beantworten ist mit: WOW, ein toller Tag.

An Allerheiligen 2022 waren wir wie immer auf dem Friedhof bei unserem Sohn und zündeten unsere Kerzen für unsere verstorbenen Kinder im Himmel an. Mich beschlich mehr und mehr ein erdrückendes und schweres Gefühl in meinem Herzen. Allerheiligen ist sowieso schon immer sehr schwer, all die Kerzen auf dem Friedhof und zu wissen, da liegt dein kleines Baby in einem winzigen Sarg…

Wir beteten erneut für meine Mama, die sich aus heiterem Himmel gesundheitlich nach einer erneuten schweren OP im August 2022 zwischen Himmel und Erde befand. Es war seit Monaten ein Kampf um Leben und Tod, die Hölle auf Erden für Mama, für uns. Dabei hatten wir 2019 noch gedacht, dass sie das Schlimmste überstanden hätte. Intensivstation, OP über OP, Herzstillstand, offener Bauch, Multiorganversagen, Sepsis, das volle Programm. Dazu immer noch Corona, entweder meine Frau, meine Schwester oder ich, alleine auf der Intensivstation bei Mama.

Unerträglicher Schmerz, unerträgliches Leid und ein Meer aus Tränen.

Jeden Tag, seit Monaten. Die Stimmen in meinem Kopf sagten mir, dass meine geliebte Mama, mein Lieblingsmensch das vielleicht nicht überleben würde. Was war denn nur geschehen?
Wir hatten doch gerade erst die Einschulung unserer großen Tochter gefeiert und Mama lachte und strahlte und war genau einen Monat in Rente. Offiziell Rentnerin, 65 Jahre jung und noch so große Pläne und Wünsche für ihr Leben als Mama und Oma mit uns.

Wir lebten zusammen in einem Haus, wir waren die besten Freundinnen und standen mein ganzes Leben zusammen und füreinander ein. Meine Mama ist, war und blieb MEIN LEBEN. Ein Leben ohne sie war unvorstellbar und nun war sie mit jeder OP mit jeder neuen Komplikation dem Tod näher als dem Leben. Während ich noch am Grab meines Sohnes weinte, verschlechterte sich der Zustand meiner Mama immer mehr.

Die Intensivstation rief mich in der folgenden Nacht an.

Es war Allerseelen, um kurz nach 0:00 Uhr. Ich solle sofort kommen, es sähe sehr schlecht aus. Ehe ich mich versah, sprang ich aus dem Bett, holte meine kleine Schwester ab und wir durften zusammen zu Mama. Auf dem Weg zum Krankenhaus lief im Radio das Deutsch-Rap Lied: ‚Zeit steht still‘. Ich hatte das Lied noch nie in meinem Leben gehört, aber ich wusste sofort, was es mir sagen soll. Das hier wird nicht gut ausgehen. Ich werde meine Mama verlieren. Der Tod wird siegen. Schon wieder.

Um 0:59 Uhr hörte das Herz meiner geliebten Mama für immer auf zu schlagen und sie hatten ihren Kampf verloren. Mein Herz bleib nicht stehen, es zerbrach in diesem Moment für immer. Meine Mama zu verlieren, war für mich der schwerste Schlag meines Lebens. Meine Kinder zu verlieren war schon unerträglich, aber das hier toppte alles bisher Gefühlte. Sofern man diesen Schmerz überhaupt in irgendeinem Verhältnis zueinander setzen kann.

Ich hatte das Gefühl an meinem Kummer zu zerbrechen.

Wir haben viele schwere Jahre nur gemeinsam überstehen können und auf einmal allein zu sein, auf einmal ‚erwachsen‘ sein zu müssen, nicht mehr die geliebte Schulter meiner Mutter zu haben, es zerbrach mein Herz in tausend Teile. All die Erinnerungen, ihre Stimme, ihr Lachen, all die Momente, vorbei. Vergangenheit. Nichts davon würde sich jemals wiederholen. Alles Beten an ihrem Bett, hoffen, zittern, bangen, alles vergebens. Sie war tot.

So standen wir da, wieder in einer so unfassbar dunklen Zeit, trüber Herbst. Es waren nur noch zwei Tage bis zum ersten Geburtstag unseres Sohnes und ich hatte die Beerdigung meiner Mama zu organisieren. Das Schicksal schlug wieder mal mit voller Wucht und ohne Erbarmen zu…

Mit diesem Schmerz lebe ich und leben wir seitdem und versuchen, jeden Tag das Beste aus allem zu machen.

In den letzten drei Jahren haben wir 10-mal jemanden verloren, doch das alles im Detail zu erzählen, würde hier einfach viel zu weit führen. Wir haben die härteste Zeit unseres Lebens hinter uns und müssen irgendwie weiter machen, weiterkämpfen, immer wieder aufstehen. Weil ‚das Leben weitergeht‘ – weil die Gesellschaft, der Arbeitgeber, deine Familie, alle erwarten, dass du ‚stark‘ bleibst. Weil wir Kinder haben, die uns brauchen. Weil Trauer zum Leben dazu gehört und ich es kenne, von ihr umhüllt zu werden.

Darum ist die Frage, was der Muttertag mir bedeutet, nicht so ohne Weiteres für mich zu beantworten. Der Muttertag hatte für mich vor sieben Jahren eine ganz andere Bedeutung, als er es dieses Jahr haben wird. Man könnte auch sagen, den Muttertag sehe ich jedes Jahr aufs Neue mit anderen Augen. Letztes Jahr an Muttertag habe ich mich anders gefühlt, als ich es dieses Jahr fühlen werde.

Es wird der erste Muttertag sein, ohne meine Mama an meiner Seite.

Es wird anders, es wird schwer, es wird traurig. Dennoch kann ich lächeln, sogar lachen, ihre Liebe bis heute spüren. Sie schickt mir Lieder, Zeichen, schöne Momente, die mich lächeln lassen. Die Tränen laufen dennoch. Auch jetzt weine ich, weil sie mir in diesem Moment, wo ich das hier schreibe, wieder ein Lied schickt, was uns für immer verbinden wird. Trotz der Tränen muss ich lächeln – aus Dankbarkeit.

Die Erinnerungen werden niemals sterben und weil da so viel Liebe und Respekt ist, für all das, was ich mit ihr erleben durfte. Ich bin dankbar für all die Momente, in denen sie mir beigestanden hat, wo sie mein Fels in der Brandung war. Und auch für die wunderschönen Momente, die wir teilen durften. Anderen bleibt all das völlig verwehrt, sie lernen ihre Mutter nie kennen, sie stirbt noch im Kindesalter, oder bei der Geburt, oder die Kinder leben in Pflegefamilien aus den unterschiedlichsten Gründen.

Die Liste, warum die Mama nicht mehr im eigenen Leben ist, ist lang.

Ich hatte das große Glück, eine wundervolle Mama zu haben und dafür bin ich unendlich dankbar. Sie hat aus mir den Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich hatte eine so besondere Bindung und wenn ich meinen Kindern nur eine halb so liebevolle Mama sein kann, dann haben meine Kinder das Beste in ihrem Leben, was ihnen geschehen kann.

Meine Mama war, ist und bleibt die beste und einfühlsamste Mama der Welt. Ich werde nie aufhören, um sie zu weinen und sie zu vermissen, aber ich hoffe inständig, dass es einen Gott gibt und ich sie und all jene, die ich seitdem vermissen muss, wiedersehen darf.

Der Muttertag ist für mich wahrscheinlich etwas ganz anderes als für dich.

Das ist auch okay so, jeder trägt seine eigene Geschichte mit sich herum und hat seine Gefühle, die er mit dem Muttertag verbindet – oder eben auch nicht. Jede Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Das hier war meine.

Alles Liebe zum Muttertag, Mama. Du bist mein Sternenstaub und ich bin immer bei dir, wie du bei mir. Das Band, was uns im Leben verbunden hat, kann der Tod niemals trennen. Danke für alles.

Ein kleiner Nachtrag:

Auf dem Foto seht ihr meine Mama und mich, es war ihr letzter Geburtstag hier auf Erden. Sie war zu Lebzeiten eine so gemütliche und ruhige, liebevolle Person, sie war immer unser ‚Faultier‘. Wir haben sie damit immer ein wenig aufgezogen, aber sie hat es mit Humor genommen. Wenn ihr also Faultiere seht, denkt an meine Mama und schickt einen Gruß in den Himmel, denn dort liegt nun ein wunderschöner Faultier-Engel auf seiner Wolke und schaut auf uns herab. Meine Liebe wird niemals weniger werden, Mama. Du bist und warst die Beste. IMMER.”

Vielen Danke, liebe Annamaria, dass wir an deinen Gedanken zum Muttertag teilhaben dürfen. Wenn ihr mehr über Annamaria und ihr buntes Leben erfahren möchtet, schaut bei mamami.team.pingubeere vorbei!

 

 

 

 

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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