Gender Disappointment: „Ich wollte nie einen Jungen – was hilft mir jetzt?”

Die meisten Eltern haben schon vor der Schwangerschaft ein gewisses Bild im Kopf, wie ihr Leben mit Kind aussehen könnte. Viele hegen insgeheim einen Wunsch zum Geschlecht des Kindes. Doch was ist, wenn sich dieser nicht erfüllt?

So war es bei einer 34-jährigen Mama aus Koblenz, die ihre Geschichte mit uns geteilt hat: „Ich wollte immer ein Mädchen haben. Also, sagen wir eher: Ich bin fest davon ausgegangen, dass ich mal Mädchen-Mama werde. Ganz tief drinnen in mir war ich einfach sicher. (…) Dann stellte sich heraus, dass ich einen Jungen bekommen würde. Es war tatsächlich ein Schock für mich, auch, wenn das viele nicht verstehen können.”

Viele Paare wünschen sich ein Mädchen

„Ich wollte schon immer Mutter werden und in meinen Träumen habe mir dabei ein kleines Mädchen vorgestellt: Wie ich ihre Haare frisiere, wie wir süße Partnerlook-Outfits tragen und ich mit ihr später von-Frau-zu-Frau-Gespräche führe”, schrieb uns eine andere Mama aus der Community. Was diese Frauen beschreiben ist das sogenannte „Gender Disappointment”, also die Enttäuschung über das vermeintlich falsche Geschlecht des Kindes.

Gerade der Wunsch nach einem Mädchen scheint weiter verbreitet zu sein, als ich bisher angenommen hatte. Eigentlich erstaunlich, man sollte doch meinen, dass stereotype Vorstellungen zum Geschlecht immer mehr an Bedeutung verlieren. Trotzdem haben viele Mamas ein klares Wunschgeschlecht. Manche gehen sogar so weit, dass sie eine künstliche Befruchtung mit ‚Gender Selection‘ in Anspruch nehmen. Dabei werden die Embryonen nach Geschlecht sortiert, bevor sie in die Gebärmutter eingesetzt werden.

„Plötzlich hasste ich es, schwanger zu sein.”

Besonders drastisch ist der Fall einer Mama, die uns anonym geschrieben hat: „Plötzlich hasste ich es, schwanger zu sein. Ich wollte nicht mehr erleben, wie mein Bauch wuchs oder das ‚Monster‘ sich in mir bewegte. Eine Abtreibung in Holland wurde zur echten Option.” Bis heute hat die Frau damit zu kämpfen, dass sie einen gesunden Sohn anstatt einer Tochter zur Welt gebracht hat.

Für Menschen, die seit Jahren für ein einziges Kind kämpfen, sind solche Worte sicher schwer zu ertragen. Dennoch ist „Gender Disappointment” real. Während in anderen Ländern oft noch ein Sohn das bevorzugte Geschlecht der werdenden Eltern ist, hat sich dies in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Hier wünschen sich die meisten Paare eine kleine Tochter. Die Gründe dahinter sind nicht ganz klar.

Vermutlich hängt es mit Klischees zusammen, die immer noch in vielen Köpfen herumgeistern: Mädchen sind demnach süß, hilfsbereit, fleißig, wollen eher gefallen und passen sich an. Viele Eltern von Mädchen können sicherlich bestätigen, dass das nicht immer der Fall ist. Ich frage mich, was passiert, wenn das ersehnte Töchterchen nicht all diese Anforderungen erfüllt? Wird es dann eine noch größere Enttäuschung für die Eltern sein?

Was können Eltern tun, die unter dem Gefühl von Gender Disappointment leiden?

Betroffene schämen sich oft, offen über ihre Gefühle zu sprechen. Sie wissen, dass sie in ihrem Umfeld vermutlich auf wenig Verständnis stoßen werden. Dennoch ist ihr Schmerz real. Gefühle zu unterdrücken, lässt sie leider nicht verschwinden – im Gegenteil, es macht das Unbehagen eher noch größer.

Deswegen ist es wichtig, dass Eltern ihren Kummer bewusst zulassen und sich eingestehen „Ja, ich habe mir etwas anderes vorgestellt und ich bin enttäuscht, dass meine Vorstellungen so nicht eintreffen werden.” Sie sollten außerdem darüber sprechen, um sich zu entlasten – auch wenn es schwerfällt.

Eine gewisse Phase der Verarbeitung ist normal.

Es ist manchmal gar nicht so leicht, eine schöne Fantasie gehen zu lassen. Es hilft aber, sich bewusst zu machen, dass die Vorstellung davon, wie es sein würde, eine Tochter zu haben, tatsächlich nichts anderes war als reine Fantasie. Es ist unwahrscheinlich, dass das Leben mit einer Tochter so gewesen wäre, wie du es dir ausgemalt hast.

Wenn sich diese Gefühle nach der Geburt des Kindes nicht legen, ist es allerdings an der Zeit, sich professionelle Hilfe zu holen. Es gibt nämlich eine hohe Wahrscheinlichkeit, das hinter der Ablehnung andere Gründe stecken, als nur ein unerfüllter Wunsch.

Möglicherweise stecken eigene schlechte Erfahrungen hinter Gender Disappointment

Viele Menschen empfänden es instinktiv als einfacher, eine gute Beziehung zu einem Kind mit dem gleichen Geschlecht aufzubauen, als zum entgegengesetzten Geschlecht. Gravierende Auslöser – vor allem bei Frauen – seien Traumatisierungen, Missbrauch oder Misshandlung durch Männer, sagt die Psychologin Julia Ditzer gegenüber RND. „Das kann dazu führen, dass Frauen in einem Sohn ihren Aggressor sehen und lieber eine Tochter hätten.“

Interessant ist, dass bestimmte Menschen stärker dazu neigen, vom Geschlecht enttäuscht zu sein. So sind junge Eltern eher gefährdet als Menschen, die später Kinder bekommen. Außerdem bestehe bei Menschen mit einer neurotischen, extrovertierten und gewissenhaften Persönlichkeit eine Tendenz zum Gender Disappointment.

Psychologen und Psychologinnen sind sich sicher:

Es geht nicht wirklich um das Geschlecht des Kindes, sondern um eigene, tiefliegende Konflikte. Das Gender Disappointment ist nur ein Warnhinweis, dass die werdenden Eltern sich mit sich selbst auseinandersetzen sollten.

Leidest du unter Gender Disappointment und die negativen Gefühlen beeinflussen die Beziehung zu deinem (ungeborenen) Kind? Bitte zögere nicht, deine Hebamme, den Hausarzt oder deine Gynäkologin darauf anzusprechen und dir professionelle Hilfe zu suchen.

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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Söhnesindtoll
Söhnesindtoll
3 Monate zuvor

Tja die Söhne dcheisden auf solche Monster Mütter.mit 18 und Melden.dich dann zurecht nie wieder wenn sie nur zu spüren bekommen, das sie Unerwünscht sind.