Eine muss es ja mal sagen: Die Wahrheit über das Paarsein mit Kind

Nur die Liebe zählt?! In jedem Fall mögen wir uns ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Von klein auf lernen wir: Du brauchst nur den passenden Glaspantoffel für deinen Fuß, und schon lebst du happily ever after. Vielleicht sind wir uns sogar sicher, „den Einen“ bereits gefunden zu haben.

Doch spätestens wenn Eins plus Eins plötzlich Drei ergibt, gehen alte Gewissheiten flöten. Natürlich haben wir vorher geahnt, dass die Geburt eines Babys uns als Paar verändert. Wir wussten nur nicht, wie es sich anfühlen würde, wenn uns der Partner als Vater plötzlich ein wenig fremd vorkommt. Umso wichtiger ist es, zu wissen: Das ist ganz normal. Leider scheitern zu viele gute Beziehungen an überzogenen Erwartungen an die Liebe.

Es kann sein, dass ihr euch zwischendurch hasst

Ja, wirklich. Natürlich muss das nicht passieren. Aber wenn doch, ist es vielleicht ein Trost zu hören: Auch das ist normal, gerade in der Zeit nach der Geburt. Wenn sich Eltern scheiden lassen, passiert da bei 40 Prozent der Paare im ersten Elternjahr. Vielleicht flippst du gerade sogar schon aus, wenn du siehst, wie „falsch“ er eine Windel schließt. Womöglich möchtest du ihm an die Gurgel gehen, wenn er von der Arbeit kommt und du (deinem Gefühl nach) wie eine „50er-Jahre-Mutti“ den ganzen Tag mit dem Baby zuhause hockst. Vielleicht macht er überhaupt gerade sehr in deinen Augen sehr viel falsch. Und auch in seinen Augen glimmt derzeit vielleicht nicht jedes Mal leidenschaftliche Begeisterung, wenn er dich ansieht.

Der Schlafmangel macht euch verrückt, die unterschiedlichen Vorstellungen über Elternschaft und die Hormone erledigen das übrige. Jetzt bloß keinen Schnellschuss probieren. Wenn da grundsätzlich noch Respekt und Zuneigung sind, wartet einfach mal ein ab. Redet darüber, wenn euch das gut tut. Lasst es, wenn es das nicht tut.

Auch wenn immer gesagt wird, dass es wichtig ist, über alles zu sprechen: Auch Reden kann Blech sein, wenn man sich immer wieder in der gleichen nervigen Diskussion verheddert. Dann schaut lieber, ob euch etwas anderes besser hilft – etwa Großeltern oder ein Babysitter, die mal die Kinder nehmen. So, und nun rein in die Strapse und ein Hotelzimmer gemietet. Scherz. Es sei denn, ihr habt da gerade Lust drauf. Sonst tut es auch ein Cocktail in der Lieblingskneipe, ein Kinoabend oder Austoben beim Badminton… oder so.

Sex, was war das nochmal?

  1. Phase: Der Sex … ja, also der Sex… worüber haben wir gerade geredet?
  2. Phase: Yippieh, das erste Mal „danach“ wäre geschafft. War ja eigentlich nur halb so schlimm. Zumindest mit etwas Alkohol intus.
  3. Phase: Och, eigentlich ist es ja doch ganz schön. Jaaaaa… Halt, hast du gerade auch das Babyphone gehört?

Da helfen eigentlich nur Humor – und vielleicht doch mal eine „spießige“ Verabredung zu Date-Nights im eigenen Zuhause. Überwindet euch aber zu nichts, was ihr gerade nicht mögt. Euch ist gerade nicht nach der Nummer, die euch das süße Monster im Babybett beschert hat? Schon ein zärtlicher Kuss oder eine kleine Kuscheleinheit ohne Sex-Absicht tun der Beziehung viel Gutes – und wecken manchmal doch noch Lust auf mehr, oder eben nicht, auch okay.

Wo kommt das denn auf einmal her?

Beim Partner unerwartete Veränderungen zu beobachten, kann eine Herausforderung sein.  Da mutiert der lässige Surferboy plötzlich zum Spießer. Oder der achtsame Lover zeigt unerwartet (dem Kind gegenüber) eine altmodisch strenge Seite, obwohl wir selbst gerne ohne Schimpfen erziehen wollte. Doch nun packen wir eben auch das Gepäck aus, das bislang in irgendeinem Koffer tief im Keller unseres Bewusstseins vergraben war.

Wenn wir Eltern werden, dann tun wir das jeweils mit ganz eigenen Bildern, Erwartungen und Ängsten das Elternsein betreffend. Die wurden oft schon in der Kindheit geprägt, kamen aber in der reinen Paarbeziehung nicht zum Tragen. Hier hilft es dann meistens doch, ausgiebig miteinander über zu reden. Wichtig ist, dass keiner versucht, dem anderen die eigenen Ansichten aufzudrücken. Vergesst nicht, dass ihr letztendlich das Gleiche wollt: für euch ein Familienleben schaffen, das zu euch passt und in dem jedes Mitglied sich gesehen fühlt.

Versucht offen zu schauen, welche Vorstellungen und Erwartungen euch als Familie gut tun, und welche gerne über Bord fliegen dürfen. Aber nicht erschrecken: Zu jeder Beziehung gehören Konflikte, die sich bei aller Liebe und Paardiskussionen nicht lösen lassen. Die große Kunst ist dann, das einfach auszuhalten – falls ihr nicht alle halbe Jahr den Partner wechseln wollt.

Alles bleibt anders

Sorry, aber eure Beziehung wird höchstwahrscheinlich nie mehr so sein, wie sie vorher war.  Ihr seid jetzt Eltern und das hat etwas verändert – wäre ja auch irgendwie traurig, wenn das spurlos an euch vorbeigegangen wäre. Aber auch ohne Kinder wäre eure Beziehung nicht mehr dieselbe, weil wir (zum Glück) über die Jahre viel dazulernen und Ansichten auch mal ändern dürfen.

Im Grunde hast du es schon gemerkt, bevor ihr ein Kind hattet: Dein Partner – der doch gefälligst dein Seelenverwandter sein sollte – hat absolut unverständliche Macken und eigene Vorlieben. Der Eindruck kann sich jetzt noch einmal verschärfen. Das Gute an der Sache: Du musst dich wegen deiner eigenen Unvollkommenheit nicht mehr so mies fühlen. Nicht perfekt zu sein, ist keine Katastrophe, sondern normal. Tödlicher für die Liebe ist es, sie mit Erwartungen zu überladen.

Liebe macht nicht glücklich

Das musst du schon selbst übernehmen. Sie ist auch nicht dauerhaft, wenn ihr euch nicht darum kümmert. Manchmal erkennst du sie vielleicht gar nicht, wenn sie da ist, weil sie nicht das erwartete, romantische Gesicht zeigt. Manchmal ist sie der gemütliche Schlabberpulli, der einfach dazugehört. Vielleicht schielst du gelegentlich nach dem neuen, noch nicht so ausgeleierten Glitzerteil im Schaufenster – nur um dann dankbar in die behagliche Wohlfühlversion zu schlüpfen.

Manchmal ist sie der Sandkorn in deinem Getriebe. Nichts verletzt so wie die Kritik vom Partner, weil seine Meinung wirklich zählt. Manchmal ist die Sehnsucht kaum zu ertragen, nach den Menschen, die er und du mal waren oder ineinander gesehen habt. Und manchmal schaust du dem, der dir jetzt gegenübersitzt, in die Augen und bist ganz überrascht, wie es in dir kribbelt und blubbert und funkelt– wie Champagnerperlen im Glas. Der Nobeltrunk ist gerade deswegen so köstlich, weil man ihn nur zu besonderen Anlässen genießt. Und, mal ehrlich, zum alltäglichen Durstlöschen schmeckt das schlichte Sprudelwasser ohnehin viel besser.

Jana Stieler
Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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