Emotional Load: Wie du als Mama lernst, Gefühlsverantwortung loszulassen

Mamas sind oft das emotionale Auffangbecken für alle. Sie trösten, sie hören zu, sie behalten die Bedürfnisse aller im Blick. Doch was passiert, wenn  dieser „Emotional Load” zu viel wird? Wenn wir selbst nicht mehr wissen, wo wir mit unseren Gefühlen hin sollen?

Die psychologische Psychotherapeutin Dr. Rosalie Weigand erklärt, warum Mütter so oft die emotionale Verantwortung tragen, woran du erkennst, dass es dir zu viel wird – und wie du dich davon befreien kannst, ohne Schuldgefühle zu haben.

Das rät die Psychotherapeutin: Wie du dich vom Emotional Load befreien kannst

Echte Mamas: Warum lastet so viel emotionale Verantwortung auf Müttern?

Rosalie Weigand: Es gibt diese typische Szene: Ein Kind weint, und obwohl beide Eltern anwesend sind, schaut es instinktiv zur Mutter. Sie tröstet, während der Vater vielleicht erst noch fragt, was passiert ist. Warum ist das so? Die emotionale Verantwortung von Müttern beginnt oft lange vor der Geburt des Kindes. Schon in der Schwangerschaft werden Frauen oft auf die Rolle der Hauptbezugsperson sozialisiert. Dazu kommt, dass Mütter oft den Mental Load tragen – also all das, was im Hintergrund organisiert, erinnert und reguliert werden muss.

Und dann gibt es noch die gesellschaftlichen Erwartungen: Eine „gute Mutter“ ist immer liebevoll, geduldig, aufmerksam. Das ist kein Job, den man einfach mal für ein paar Stunden ausblenden kann. Und das Umfeld (Partner, Familie und auch das Kind) gewöhnen sich auch daran, weswegen es dann umso schwieriger ist, die Verantwortung hier mal abzugeben.

Das Ergebnis: Mütter übernehmen die emotionale Verantwortung nicht nur, weil sie es wollen, sondern weil es von ihnen (implizit oder explizit) erwartet wird – vom Partner, von der Gesellschaft, manchmal sogar von sich selbst.

Echte Mamas: Wie kann Emotional Load langfristig Mütter belasten – und woran merke ich, dass es mir zu viel wird?

Rosalie Weigand: Jeder Mensch hat eine Art „emotionale Batterie“. Manche Tage laden sie auf, andere entladen sie schneller als gedacht. Wenn Du für alle Emotionen in der Familie verantwortlich bist, kann das bedeuten:

  • Deine eigene Batterie wird nie richtig aufgeladen.
  •  Du bist gereizter als sonst, sogar bei Kleinigkeiten.
  • Du hast das Gefühl, nie richtig abschalten zu können.

Langfristig kann Emotional Load in völlige Erschöpfung münden. Manchmal zeigt sich das als klassische Überforderung: Du weinst plötzlich wegen Nichtigkeiten oder fühlst dich leer. Manchmal aber auch als unterschwellige Gereiztheit, die sich gegen die falschen Menschen richtet: den Partner, das Kind oder sich selbst. Der beste Indikator, dass es zu viel wird? Wenn Du Dich fragst, ob es zu viel wird.

Echte Mamas: Welche Auswirkungen hat diese unsichtbare Last auf die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin?

Rosalie Weigand: Wenn dieser Mechanismus sich über Jahre wiederholt, entstehen zwei Dinge:

  1. Eine emotionale Schieflage: Du fühlst dich irgendwann wie die einzige Erwachsene im Haus, weil du immer an alles denken musst.
  2.  Ressentiments gegenüber dem Partner: Nicht, weil er oder sie absichtlich weniger macht, sondern weil sich durch diesen unausgesprochenen Standard eine Dynamik entwickelt, die kaum jemand hinterfragt.

Die Folge: Mütter fühlen sich allein verantwortlich, Partner fühlen sich übergangen. Dies ist ein frustrierender Kreislauf für beide. Als Paartherapeutin fällt mir auf, dass Paarkonflikte nach der Geburt eines Kindes sich oft auf unausgesprochene Ressentiments der Mutter gegen den Partner beziehen. Sucht Euch schnell Hilfe, wenn ihr das bei euch bemerkt!

Echte Mamas: Wie kann ich lernen, mich von der ständigen Verantwortung für die Emotionen anderer abzugrenzen, ohne Schuldgefühle zu haben?

Rosalie Weigand: Das Problem ist: Verantwortung abgeben fühlt sich anfangs nicht nach Entlastung an, sondern nach Kontrollverlust. Ein Beispiel: Dein Kind weint, und Du entscheidest, dass heute dein Partner trösten soll. Innerlich drängt sich ein unangenehmes Gefühl auf: Macht er oder sie es „richtig“? Wird das Kind sich genauso geborgen fühlen?
Der erste Schritt ist, dieses Schuldgefühl auszuhalten. Die Wahrheit ist:

  • Andere können genauso trösten.
  • Nur weil du eine Situation nicht kontrollierst, heißt das nicht, dass sie schlecht läuft.
  • Wenn du willst, dass sich etwas ändert, musst du aushalten, dass die andere Person natürlich nicht so routiniert ist wie du und die Dinge deswegen auch
    nicht so routiniert erledigt.
  • Grenzen setzen bedeutet nicht, dass du weniger liebst.

Der zweite Schritt ist, bewusst Dinge abzugeben, auch wenn sich dein erster Impuls anders anfühlt. Denn langfristig ist es gesünder, wenn Kinder (und Partner) lernen, dass emotionale Verantwortung geteilt werden kann.

Echte Mamas: Was sind konkrete Strategien, um die emotionale Last in der Familie gerechter zu verteilen?

Rosalie Weigand:

  1. Unsichtbare Arbeit sichtbar machen: Viele Partner denken, sie „helfen“ mit, anstatt zu sehen, dass emotionale Arbeit echte Arbeit ist. Ein bewährter Trick: Notiere eine Woche lang jede einzelne Sache, die du für die emotionale Balance in der Familie tust, z. B. „Kinder an den Kindergeburtstag erinnern“. Die Liste ist meist länger, als man denkt.
  2. Konkrete Zuständigkeiten festlegen: „Kannst Du das bitte auch mal übernehmen?“ funktioniert selten gut. Besser ist: Klare Verteilung von emotionaler Verantwortung. Zum Beispiel: Einer ist die Hauptansprechperson für Schulorganisation, der andere für Einschlafbegleitung.
  3. Loslassen lernen und das Chaos aushalten: Wer emotionale Verantwortung teilt, muss damit leben, dass der andere es anders macht. Das kann bedeuten: Das Kind geht mit einem falschen T-Shirt zur Schule. Oder der Partner reagiert anders auf Wutanfälle. Solange das Kind geliebt wird, ist das okay.

Echte Mamas: Was haben die eigenen unbewältigten emotionalen Belastungen aus der Kindheit damit zu tun?

Rosalie Weigand: Es gibt einen Satz, der in diesem Kontext immer wieder auftaucht: „Ich wollte nie so sein wie meine Eltern und trotzdem höre ich mich plötzlich genauso sprechen.“
Alte emotionale Lasten wirken oft unsichtbar im Hintergrund und können durch Verhalten des Kindes „getriggert“ werden. Ein erster Schritt ist, sie zu erkennen, denn nur dann kannst du sie bewältigen. Frage dich:

  • Welche Emotionen meiner Kinder lösen überproportional starke Reaktionen in mir aus?
  • Wo handle ich aus „Instinkt“, anstatt bewusst zu entscheiden?
  • Welche Muster wiederholen sich immer wieder, obwohl ich sie eigentlich
    ablehne?

Wenn du merkst, dass du trotz Bewusstheit über diese Muster nicht innehalten kannst und den Automatismus nicht unterbrechen kannst, empfehle ich, dir therapeutische Unterstützung zu suchen. Eventuell gibt es Themen, die es sich lohnt aufzuarbeiten.

Grenzen setzen und bewusst Verantwortung abgeben

Emotional Load ist keine unsichtbare Nebensache – sondern echte Arbeit, die nicht nur Mütter allein tragen sollten. Je bewusster wir unsere Grenzen setzen und Verantwortung abgeben, desto gesünder sind unsere Beziehungen – zu unseren Kindern, zu unseren Partnern und vor allem zu uns selbst. Es ist keine Schwäche, sich Hilfe zu holen oder Dinge anders zu machen, als es vielleicht erwartet wird. Denn eine Mama, die auch für sich selbst sorgt, ist eine Mama, die wirklich für ihre Familie da sein kann.

Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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