In ihrer Echten Geschichte nimmt uns Janina mit an einen Ort, an dem sie zum ersten Mal seit Langem wieder durchatmen konnte. Sie ist Geschäftsführerin eines Familienunternehmens und Mama von zwei kleinen Jungs – und steckt wie viele Mütter mitten im Spagat zwischen Verantwortung, Erwartungen und Erschöpfung. Als sie sich für einen Moment aus dem Alltag stiehlt, merkt sie, wie sehr ihr Körper längst Alarm geschlagen hat.
„Je länger der Weg vom Zug zum Strand dauerte, je entspannter die Leute wurden und je mehr sich die Häuser veränderten, desto mehr schmerzten meine Schultern. Es kribbelte, drückte und stach mir die Arme runter bis in die Fingerspitzen. Es war, als würde die Last, die ich trug, runterrutschen – Zentimeter für Zentimeter. Jeder Schritt, der eine Fußlänge mehr Abstand zum Alltag brachte, ließ meine Schultern etwas lockerer werden.
Ich hatte gar nicht gemerkt, wie hoch ich sie gezogen hatte.
Mein Kiefer tat weh. Warum tat mein Kiefer weh? Die Last trug man doch auf den Schultern, so sagte man doch. Ich dachte an den Zahnarzt, der vor zwei Wochen noch sagte, dass bald eine Knirschschiene notwendig sei, wenn es so weiterging. Ich knirsche nicht, habe ich noch nie, hatte ich gesagt. Ihr Zahnschmelz sagt etwas anderes, hatte er nur entgegnet.
In dem Moment merkte ich, wie ich die Zähne zusammenbiss. Ganz unbewusst. Aber es tat weh, der Kiefer hatte sich verkrampft. Ich versuchte, ihn zu lockern. Auf, zu, auf, zu. Wie lockert man bitte einen Kiefer?
Zähne zusammenbeißen.
Beiß dich halt durch. Hatte ich wohl zu wörtlich genommen. Wir haben doch alle Stress. Meine Schultern schmerzten. Es tat fast gut, sie hochzuziehen.
Meer. Ich blieb stehen. Die Schultern fielen runter und zogen bis zum Boden. Eine Möwe begrüßte mich im Sturzflug. Vitamin Sea hilft gegen Verspannungen. Gab nur keine Packungsbeilage.
Ich betrat den menschenleeren Strand.
Ein Pärchen trabte vorbei, diskutierte darüber, dass es zu stressig sei, sich in den Sand zu setzen – und suchte lieber ein Café. Ich zog meine Schuhe, Socken aus. Mund auf, zu, auf, zu. Tat gut.
Ich ging bis zum Meer. Der Sand fühlte sich gut an. Boden unter den Füßen. Mehr Distanz. Meerdistanz. Wie ein anderes Leben. 600 Kilometer weit weg.
War es ein Fehler, vor der Tagung geflohen zu sein?
Vor dem Smalltalk? Vor den Verbindungen? Zähne zusammenbeißen, nebenbei die Mails. Den Raum verlassen und ans Handy gehen, Kunden betreuen.
Die Nachricht während des Kundentelefonats beantworten, wo die T-Shirts der Kleinen verstaut sind. Und die Turnschuhe. Und wann Logopädie für den Großen ist. Wann kommst du zurück?
Der Kiefer schmerzte wieder. Ich zwang mich, die Verkrampfung zu lösen. Wie lange machte ich das schon, wenn der Zahnschmelz schon runter war? Nie bemerkt.
Jacke aus. In den Sand setzen. Stille.
Nur das Meer. Sand spüren. Mich selbst spüren.
Einatmen. Ausatmen. Atmen tat auch irgendwie weh. Als hätte meine Muskulatur verlernt, tief zu atmen. Dabei war ich gar nicht kurzatmig – ich joggte mittlerweile ganz passable Strecken. Die Kilos mussten runter.
Keiner wusste, dass ich hier war.
Alle dachten, ich sei noch auf der Tagung. Ich schämte mich für diesen einsamen Ausflug. Ich sollte im Seminarraum sein. Nur die anonyme Selbsthilfegruppe für Mamas von Fünfjährigen wusste, dass ich hier war.
‚Schon wieder auf Tagung. Das zweite Mal dieses Jahr. Mamas müssen bei ihren Kindern sein,‘ hatte meine Mama gesagt.
Nie genug.
Nirgends. Prioritäten setzen. Autsch. Jetzt waren es die Schulterblätter. Einatmen. Ausatmen. Vielleicht war es auch der Brustkorb. Nicht die Schulterblätter.
Wann atmete man schon mal so tief? Außer bei der Einschlafbegleitung der Kleinen – um so zu tun, als würde man auch schlafen. Um dann einzuschlafen und sich kurz vor Mitternacht aufzuraffen, weil doch die Brotdosen oder die Wäsche noch gemacht werden mussten.
Schlecht organisiert, sagte Oma manchmal.
Einatmen. Ausatmen. Wellen lauschen. Möwen lauschen. Atmen. Der Schmerz ließ nach.
Ich hatte mich aufgeregt, so weit weg von zu Hause war die Tagung. Keine Zeit. Mein Mann war auch nicht begeistert. Und im Herbst noch eine weitere.
Vielleicht sollte es so sein. So weit weg. So viel Distanz. So weit außerhalb des Alltagskreisels. Weit weg von der Komfortzone Stress, in der man es sich bequem gemacht hatte.
Mit etwas Distanz wurde es weniger schmerzhaft.
Wenigstens mal für den Moment. Das gibt dir kurz Zeit, Luft zu holen, um den Kopf im Sog des Alltags oben zu halten. Bis sich der Sturm legt – und schmerzfrei nicht zur Ausnahme wird.”
Liebe Janina, vielen Dank, dass wir deine berührende Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!
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WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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Hmm…der Bericht lässt mich etwas ratlos zurück.
Ersteinmal tut es mir für Janina wahnsinnig leid, dass sie so überlastet ist und wünsche ihr gute Besserung hinsichtlich der körperlichen Beschwerden. Eine professionelle Massage löst zwar nicht das Grundproblem, verschafft neben Sport (Mobility, kein Ausdauer) aber eine erste Linderung. Die würde ich mir gönnen, wenn sie schon von der Tagung geflohen ist. Bestimmt gibt es eine Möglichkeit vor Ort.
Dann aber finde ich es erschreckend, dass ihr Mann nicht alleine klarzukommen scheint und Janina selbst auf der Tagung mit Nachrichten bombardiert. Das sollte nicht so sein.
Ich bin selbst ab und zu auf Dienstreise, im Juli 3 Tage, muss mir um zu Hause aber keine Gedanken machen, denn ich weiß mein Mann und wunderbarer Papa unserer Kinder, hat alles im Griff.
Liebe Janina, dein Job als Geschäftsführerin ist bestimmt sehr oft stressig und voll mit Terminen bis oben hin. Gerade dann ist es aber wichtig, einen verlässlichen Mann an seiner Seite zu haben, der nicht nur seine eigene Karriere im Blick hat.
Lass deinen Mann zu Hause mehr machen. Er muss die Termine kennen, wissen wo die Sachen liegen und in der Lage sein, die Brotdosen eurer Kinder zu befüllen.
Und bitte lass dir von deiner Mutter, die einer anderen Generation entstammt, kein schlechtes Gewissen machen.
Du musst nicht alles alleine können. Geht gar nicht, wenn man seinem Beruf oder seiner Karriere im gleichen Maße nachgehen möchte, wie der Ehemann. In dieser Konstellation ist es eure gemeinsame Aufgabe, für die Kinder zu sorgen und den Haushalt zu machen, nicht nur deine.
Ich nehme an, du trägst einen erheblichen Teil zu eurem Familieneinkommen bei. Wo ist dann noch die Berechtigung deines Mannes, sich als „Ernährer der Familie“ aus der Care-Arbeit zurückziehen zu dürfen?
Und selbst wenn er noch mehr verdient als du – dein Job ist genauso wichtig und genauso oder noch anspruchsvoller als seiner. Du hast ein Recht darauf, von deinem Mann entlastet zu werden.
Bitte hole dir die Unterstützung deines Mannes und wenn er dich weiterhin im Stich lässt, wenigstens externe Unterstützung wie ein Kindermädchen, Au-Pair und/oder Putzfrau.
Alles Gute.