Zu Hause nach der Neonatologie: Zwischen Angst und Vertrauen

Nach einer schwierigen Schwangerschaft kam meine Tochter rund sechs Wochen zu früh zur Welt. Nachdem sie per Kaiserschnitt geboren wurde, durfte ich sie kurz sehen und dann kam sie auf die Neonatologie.

Das war der Beginn einer wirklich aufreibenden Zeit, über die ich hier schon einmal geschrieben habe: Zu früh geboren: der aufreibende Start in das Leben meiner Tochter.

Mein winziges Baby war über drei Wochen lang auf der Neonatologie, wäre wegen Verdacht auf eine Malrotation beinahe am Darm operiert worden, trank nicht, bekam Gelbsucht… Die letzte Zeit im Krankenhaus war ich mit meiner Kleinen in einem Mutter-Kind-Zimmer untergebracht. Und erlebte meine ersten 24-Stunden-Tage mit Baby komplett durchgetaktet: Alle drei Stunden wurde sie zum Trinken geweckt, damit sie endlich zunahm. Danach gab es immer eine frische Windel. Jede neue Injektion, jedes Wiegen – alles folgte einem straffen Zeitplan. Na klar! Schließlich mussten eine ganze Menge Babys versorgt werden.

Natürlich war unser Tag im Krankenhaus dadurch aber nicht nur strukturiert – sondern auch sehr behütet. Bei jedem Spucken, Weinen, Seufzen, Zucken konnte ich ins Schwesternzimmer traben und um eine Kontrolle bitten, ob alles okay war. Und ja, das tat ich ehrlich gesagt auch, ziemlich verschreckt nach all den Aufregungen der letzten Wochen.

Das war eine große Hilfe, ich fühlte mich dadurch allerdings auch richtig unselbstständig. Ich freute mich wirklich unendlich auf zu Hause, ein wenig Normalität und darauf, dass mein Partner und ich unsere Tochter endlich „so richtig“ kennenlernen würden. Gleichzeitig wurde mit jedem Tag, an dem unsere angekündigte Entlassung näher rückte, auch die Angst präsenter: Würden wir das überhaupt allein können, unsere Tochter versorgen? Wäre ich nicht hoffnungslos damit überfordert, ohne jegliches Fachpersonal an meiner Seite die richtigen Entscheidungen zu treffen? Und:

Würden wir es schaffen, nicht bei jedem ihrer Verdauungsprobleme direkt wieder ins Krankenhaus zu rasen?

Noch schlimmer wurde dieses Gefühl, als wir dann nach Hause durften. Mit im Gepäck: Ein Schreiben, dass wir künftig „in Krippe, Kita und Schule“ abgeben sollten, damit Erzieher*innen und Lehrer*innen auch wüssten, was zu tun sei, wenn unsere Tochter über starke Bauchschmerzen und Verstopfung klagen sollte. Nämlich den Krankenwagen rufen und die Kinderklinik informieren, dass ein Notfall auf dem Weg sei – und das, bevor sie uns anrufen. Denn bis heute kann keiner erklären, woher ihre Darmprobleme auf der Neonatologie kamen.

Ehrlich, ich sah uns beide mehrfach die Woche in der Notaufnahme mit einem schreienden Baby auf der Matte stehen. Und kein Auge zumachen. Ich hatte große Angst, die meine Freude auf der Heimfahrt  trübte.

Um einmal zu spoilern: Irgendwie schafften wir es, nicht ein einziges Mal in die Klinik zu fahren.

Und zwar nicht, weil wir supercool waren – im Gegenteil. Und es ist auch nicht so, als hätten wir nie überlegt, zu fahren.

Aber sobald wir in Ruhe zu Hause waren, hatten wir irgendwie ein gutes Bauchgefühl, was unser Baby anging. (Dem hätten wir natürlich nicht blind vertraut, wenn etwas wirklich hätte brenzlig sein können!) Und auch unsere Tochter spürte wohl irgendwie, dass sie jetzt endlich angekommen war. In der ersten Nacht im Beistellbettchen schlief sie seelenruhig sieben Stunden durch. Vorher unvorstellbar!

Sie war ein entspanntes, ruhiges Baby. Man hört so oft: „Babys, die auf der Neonatologie waren, sind kleine Kämpfer!“ Was klingt wie eine Floskel, ist wahr. Wir wussten: Unsere Kleine hatte schon so viel geschafft! Und wir spürten: Trotz der wertvollen ersten Zeit ihres Lebens, die wir sie nicht bei uns zu Hause hatten, kannten wir sie gut.

Wir hatten ein Gefühl für sie: Nicht jedes Wimmern war ein Notfall. Bei weitem nicht.

Zudem hatten wir die Kinderkrankenschwestern, Ärztinnen und Ärzte auf der Neonatologie wochenlang erlebt und wussten, dass sie uns unser Baby nicht leichtfertig „mitgegeben“ hatten. Und letzten Endes hatten wir großes Glück mit unserem Kinderarzt und unserer Hebamme. Diese gaben uns ebenfalls viel Sicherheit und beantworteten mit ganz viel Geduld all unsere Fragen. Wieder und wieder.

Wir lernten, zu vertrauen. Uns und ihr. Wir ließen es langsam angehen, holten das Wochenbett nach.

Ließen das Leben dort draußen erstmal ohne uns weitergehen und genossen zu dritt unsere kleine Höhle. Und so erholten wir uns Tag für Tag kuschelnd von diesen traumatischen ersten Wochen.

Für alle, die sich gerade in einer ähnlichen Situation befinden: Verliert nicht den Mut. Und nicht das Vertrauen in euch selbst. Macht alles, was sich für euch richtig anfühlt:

• Fahrt in die Klinik, lieber einmal zu viel als zu wenig. Oder fahrt nicht.

• Holt euch Hilfe von außen, um auch mal Pause zu haben. Oder genießt die Zwei- oder Dreisamkeit.

• Und wer nur schwer mental wieder „auf die Beine“ kommt, der sollte sich besten Gewissens therapeutische Hilfe holen.

Denn das alles ist es wert! Ich schaue heute auf eine freche, „riesige“ Zehnjährige. Nichts mehr erinnert an ihr an das zarte, zu früh geborene Baby. Ich werde aber niemals vergessen, dass diese Sorglosigkeit nicht selbstverständlich ist.

Und wenn dein Baby gerade auf der Neonatologie liegt, hilft dir vielleicht dieser Text ein wenig:

Die Zeit steht still: 5 Tipps, um die Neonatologie zu überleben

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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