Zu früh geboren: Der aufreibende Start in das Leben meiner Tochter

Ich war so gerne schwanger. Nachdem mir die ersten zwei, drei Wochen im Liegen immer schwindelig wurde, hatte ich keinerlei Beschwerden mehr. Ich habe es geliebt, das Gefühl, dass unter meinem Herzen ein kleines Wunder heranwächst und später auch das Gefühl, wenn ich seine Tritte gespürt habe.

Ich fand mich schön, war glücklich, voller Vorfreude und genoss mein „Vor-Mami-Leben“ noch einmal ganz bewusst. 

Bis zur Routineuntersuchung in der 24. Schwangerschaftswoche.

Meine Frauenärztin untersuchte mich länger als sonst, so kam es mir zumindest vor. Schließlich sagte sie, dass mein Gebärmutterhals etwas kurz für meine Schwangerschaftswoche war. Sie schickte mich zur Beobachtung ins Krankenhaus, sagte aber: „Nehmen Sie mal Gepäck für das Wochenende mit. Normalerweise hätte ich Ihnen nur gesagt, dass Sie heute und morgen mal eine ruhige Kugel schieben und dann sehen wir noch einmal nach. Aber das Wochenende steht vor der Tür, deshalb gehen Sie besser zur Kontrolle ins Krankenhaus. Aber kein Grund zur Panik!“

Das sah das Krankenhaus ein paar Stunden später leider ganz anders.

Mein Gebärmutterhals hatte sich noch einmal drastisch verkürzt und die Ansage war klar: Ich sollte mindestens eine Woche bleiben, weil mir eine Frühgeburt drohte. Und ob mein Kind das zum jetzigen Zeitpunkt überleben würde, das sei nicht gewiss.

Um es zusammenzufassen: Ich blieb fünf lange Wochen in der Klinik. Und musste die meiste Zeit liegen, damit das Gewicht meiner Tochter nicht noch mehr auf den Gebärmutterhals drückte.

Die Schwestern und Ärzte waren sehr nett und ich wurde gut umsorgt. Trotzdem fühlte ich mich aus dem Leben gerissen und total deprimiert. Weil man im Krankenhaus ja nicht viel zu tun hat, außer in sich hineinzulauschen, redete ich mir im Laufe der Wochen viel ein: War der feuchte Fleck in meiner Unterhose nicht doch Fruchtwasser? Dieses Ziehen im Bauch, waren das etwa Wehen? Und wenn ich hier bis zur SSW 40 nicht „herausgelassen“ werden würde? (Als wenn das Krankenhaus meinen  Aufenthalt aus purer Bosheit verlängert hatte…)

Unterbrochen wurde mein banger, langweiliger Krankenhaus-Alltag durch Aufregungen wie fehlende Herztöne meines Babys – eine Fehldiagnose, verursacht durch ein altes CTG. Oder einer weiteren Verkürzung meines Gebärmutterhalses, nach der mir ein Cerclage Pessar gesetzt wurde, ein Gummiring, der den Muttermund zusammenhält.

Nach fünf Wochen durfte ich heim.

Dort lag ich weiter, wenigstens in der behaglichen Atmosphäre meiner eigenen „Höhle“. Nur zum Frauenarzt durfte ich fahren oder auch mal gaaaanz kurz um den Block gehen.

Ich fühlte mich richtig schwach – tatsächlich hatte sich meine Muskulatur schon nach wenigen liegenden Wochen ganz schön abgebaut.

Zu Hause lag ich weitere fünf Wochen. Als ich schließlich am Morgen des Pfingstsonntages von einem komischen Ruck geweckt wurde. Ich hatte das Gefühl, dringend zur Toilette zu müssen – als ich aber aufstand, wusste ich, was dieses Gefühl gewesen war:

Meine Fruchtblase war geplatzt. Ich war in der 34. Schwangerschaftswoche.

Ich legte mich sofort hin – schließlich lag mein Baby noch gemütlich in Beckenendlage. Mit dem Krankenwagen kam ich ins Krankenhaus, dort war schnell klar, dass meine Tochter das Licht der Welt per Kaiserschnitt erblicken würde. Sie war noch klein, in Beckendlage und ich hatte bei der Ankunft im Krankenhaus grünes Fruchtwasser.

Nach all dem Kummer war ich auf einmal irgendwie ganz ruhig und zufrieden.

Dann war heute eben der Tag gekommen, an dem wir unsere Tochter kennenlernen durften.

Die Schwangerschaftswoche war den Umständen entsprechend okay und ich war in guten Händen.

Die Kaiserschnitt-OP habe ich sogar als (den Umständen entsprechend) relativ angenehm empfunden. Und meine Tochter, die mir kurz gezeigt wurde, bevor sie auf die Neonatalogie kam, war wunderschön. Sie war natürlich noch recht klein mit 2400 Gramm und 44 Zentimetern, aber sie war scheinbar rundum gesund.

Nach ein paar Tagen wurde ich nach Hause entlassen, meine Tochter musste noch bleiben. Die Schwestern machten uns Mut, dass wir sie schon ganz bald nachholen könnten: Mit ihren Maßen war sie quasi der „Riese“ auf der Frühchenstation.

Als mein Freund und ich aber eines Abends fröhlich auf die Station wiederkamen, um unsere Tochter zu sehen, begann die schlimmste Zeit unseres Lebens.

Wir durften nicht ins Zimmer unserer Kleinen, stattdessen rasten immer mehr Ärzte und Schwestern hinein.

Schließlich bat uns ein junger Kinderarzt zum Gespräch. Er sagt uns aber am Ende gar nicht, was das Problem war, er druckste eher herum. Gleich würde ein Kinderchirurg kommen, der sehr erfahren sei, und unsere Tochter operieren. Ob unsere Tochter sterben könnte? Nun ja, jede OP birgt ja Risiken.

Ich habe so ein Gefühl noch nie erlebt. Diese Angst, Unsicherheit, Ahnungslosigkeit, Ohnmacht…

Zum Glück war der Kinderchirurg, der extra aus einer anderen Klinik abgezogen wurde, sehr besonnen und, man muss es so sagen, cool.

Er erklärte uns in einfachen Worten, was das Problem sei: Unsere Tochter hatte auf einmal einen stark aufgeblähten Bauch bekommen und auf einer – sehr unscharfen – Röntgenaufnahme sah es für die Ärzte des Krankenhauses so aus, als ob sie unter einer Anomalie der Darmrotation leiden würde. Eine so genannte „Malrotation“, die binnen kürzester Zeit zu einem tödlichen Darmverschluss führen könne.

Der Chirurg aber sah keinen Anlass, unser Kind zu operieren. Er war der Meinung, dass das Bild viel zu undeutlich für eine Diagnose wäre und er daraufhin „ganz sicher keinem Frühchen den Bauchraum aufschneiden und am Darm rumfummeln“ würde.

Es folgten etwa drei Wochen lang Geschacher zwischen dem Chirurgen und dem Krankenhaus.

Die Kinderärzte unserer Station waren der Meinung, dass eine OP nötig sei, trauten sie aber nur dem Chirurgen zu. Der hingegen wollte handfeste  „Beweise“ für die Notwendigkeit dieses riskanten Eingriffes, der jede Menge Folgeschäden mit sich hätte bringen können.

Wir durchlebten drei Wochen lang die Hölle. Jeden Tag gab es andere Infos, jeden Tag musste sich meine tapfere kleine Maus quälenden Untersuchungen unterziehen. Jeden Tag saßen wir angespannt an ihrem Bettchen und beäugten ängstlich all die Infusionsnadeln und Schläuche, die an ihrem winzigen Körper befestigt waren.

Ich hatte so die Nase voll vom Krankenhausleben…

Eines Tages aber kam ich wieder auf das Zimmer meiner Tochter und sie war weg. Großer Schreck! Am Ende hatten die Ärzte aber eine Röntgenaufnahme in der Radiologie, mit sehr viel besseren Geräten, veranlasst.

Warum erst nach drei Wochen? Ich hatte keine Kraft mehr, das zu fragen.

Als sie wiederkamen, hieß es, dass alles okay sei. Oder zumindest in diesem Moment, die Aufnahme hatte nichts Auffälliges ergeben.

Einige Tage später nahmen wir unsere Tochter endlich mit heim.

Im Gepäck hatten wir einen langen Arztbericht und die Mahnung, beim kleinsten untypischen Problem mit dem Bauch in die Kinderklinik zu fahren und sie dort eventuell doch noch operieren zu lassen. Wir hatten Angst, wie die Zukunft aussehen würde. Wären wir cool genug, nicht bei jeder Babyblähung ins Krankenhaus zu rasen?  Würden wir mitbekommen, wenn etwas wirklich nicht stimmen würde?

Wir haben es geschafft und waren kein einziges Mal im Krankenhaus. Meine Tochter hatte nie wieder Beschwerden mit ihrem Bauch, keiner wird je wissen, was das damals wirklich war.

Heute blicke ich stolz auf eine immer noch wunderschöne, aber so gar nicht mehr kleine Fünfjährige und wundere mich, wann sie so frech und stark geworden ist. Dem Himmel oder wem auch immer sei Dank, dass wir dieses gesunde, tolle Mädchen im Arm halten dürfen. Sie ist eine echte Kämpferin, und das war sie von Anfang an.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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