„Wir schaffen das! Aus unseren Schicksalsschlägen habe ich viel gelernt.“

„Im Endeffekt begann die Beziehung zu meinem Mann schon vor 14 Jahren, als ich bei meinem neuen Arbeitgeber anfing. Er sah mich und ich sah ihn, wir beide fanden uns auf Anhieb gut. Nur leider waren wir beide vergeben. Erst nachdem ich 2015 einige Monate in eine andere Abteilung versetzt worden war, wurde uns bewusst, dass wir einander sehr mochten.

Wir vermissten uns, steckten aber noch immer beide in unglücklichen Beziehungen. Das Leben veränderte sich, als mein Vater Krebs im Endstadium hatte. Er hatte gekämpft und all seine Kraft aufgebraucht. 2016 starb er und ich beschloss, mich von allem Negativen in meinem Leben zu befreien. Ich streifte alles ab, was mir die Farbe im Leben klaute.

Also beendete ich auch die Beziehung zu meinem damaligen Freund.

Ich holte mir die Farbe zurück, begann wieder bunte Kleidung zu tragen und mich mit Freunden zu treffen, die ich ewig vernachlässigt hatte. So lernte ich die erste meiner drei Lehren: Du kannst Dich auf den Boden werfen und um Dich treten und schreien: ‚Ich will das so nicht‘, aber die Situation kommt trotzdem. Also kannst Du sie auch annehmen und das Beste daraus machen. Genau das tat ich, ich nahm den Tod meines Vaters als das an, was er war (traurig).

Ich vermisste ihn und das tue ich bis heute, aber ich schlage nicht mehr um mich, nur weil etwas nicht so läuft, wie ich es möchte. Wie der Zufall oder das Schicksal es wollte, starb der Vater von meinem Mann 365 Tage nach meinem Vater, ebenfalls an Krebs. Bereits in dessen Sterbephase durchlebte mein Mann das gleiche wie ich, er befreite sich von Negativem. Die dunkle Wolke, die ein Krebskranker teilweise vor sich herträgt, war negativ genug. Den Kampf eines Menschen mit anzusehen, der sein Leben verliert, ist tragisch genug, da brauchte auch mein Mann nichts anderes Negatives mehr.

Er trennte sich von seiner Exfrau und zog in eine kleine Wohnung.

Auch wenn diese Phase unendlich schwer war, so fanden wir beide etwas Gutes darin. Denn wir konnten uns Trost spenden und sprachen viel miteinander. Bis die Energie sich so sehr verändert hatte, dass wir uns irgendwann zum ersten Mal küssten. Tja und dann ging es los. Wir bestiegen den Zug des Lebens, in unserem Fall schien dies ein Transrapid zu sein, denn so schnell wie wir von Zweisamkeit zu fünf Personen wurden, so schnell kamen nicht mal wir hinterher.

Wir sind nun seit vier Jahren zusammen und haben zwei Kinder und ein Bonuskind (die 10 Jähriges Tochter aus vorheriger Ehe meines Mannes lebt ebenfalls bei uns). Wir haben ein Haus gekauft, haben renoviert und sind umgezogen. Erst jetzt erhalten wir die Chance, alles aufzuarbeiten und langsam zur Ruhe zu kommen. Geplant war der Transrapid nicht. Wenn ich auf die letzten vier Jahre zurückblicke, dann gibt es zwei Ereignisse, die mich besonders prägten.

Das erste Ereignis war die Geburt unseres ersten Sohnes.

Er kam vier Wochen zu früh und wir konnten deswegen nicht in unserer Wunschklinik bleiben. Kamen per Notfallverlegung in eine uns fremde Klinik. Ich hatte einen Blasensprung und war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Die Kliniktasche war nur zur Hälfte gepackt und somit hatte ich die meiste Zeit eine nasse Hose an. Trotz der für uns dramatischen Situation wurden wir erbarmungslos von A nach B geschickt.

Ich fühlte mich die ganze Zeit entblößt und keineswegs geschützt. Ich lief mit einer nassen Hose von einem Raum zum nächsten, jedes Mal kam ein neuer Schwall Fruchtwasser. Erst nach zwei Stunden bekam ich endlich ein Zimmer. Als die Schwester die Tür öffnete, sah ich eine Mutter mit Baby am Wickeltisch stehen, mein Mann durfte nicht bleiben. Das Zimmer roch noch dazu massiv nach Knoblauch. Ich drehte mich um und sagte klar: ‚Hier bleibe ich nicht, ich will nach Hause.‘

Erst da schienen die Menschen um mich herum zu verstehen, dass mein Limit erreicht war.

Wir durften dann doch in ein Zimmer, in dem mein Mann bei mir bleiben durfte und ich kam langsam zur Ruhe. Dann begannen die Wehen. Die Nachtschwester schaute ab und an mal vorbei, den Rest der Zeit waren wir alleine. Ich hatte Rückenwehen und das Gefühl, dass es mir den Rücken zerfetzt. Mit zunehmenden Wehen ging es mir schlechter.

Bis ich einen Blutdruck von 90/60 hatte. Doch egal, wie oft mein Mann klingelte, die Schwester verstand meine Probleme nicht. Sie kam aus Italien und sprach nur gebrochen Deutsch. Sie meinte immer wieder, dass sie mir nichts gegen die Schmerzen geben können, denn dann würde ich die Geburt nicht mehr schaffen. Ich würde ja noch nicht mal vor Schmerzen schreien. Dabei bin ich generell ein sehr stiller Mensch, der sich in sich zurück zieht, wenn er Schmerzen hat.

Es dauerte bis 5:50 Uhr am nächsten Morgen.

Dann kam die Hebamme vom Frühdienst und eine Stunde später lag ich im Kreißsaal, hatte eine PDA und bekam das erste Mal etwas zu essen. Um 14:30 war unser Sohn da. Die Nabelschnur dreimal um den Hals und ohne Atmung. Nach einiger Stimulation und dem Ausstreichen der Nabelschnur schrie unser Sohn. Es folgten Intensivstation, massive Gelbsucht und zwei Wochen furchtbare Unsicherheit. Doch dann durften wir nach Hause.

Ein neues Leben begann. Wir hatten Spaß, Freude, Stress, Streit, lachen, weinen, Schlafdefizit und alles, was man als junge Familie so erlebt. Ich lernte meine zweite Lehre: ‚Es wird alles gut, es wird vielleicht anders als ich es mir gewünscht hatte, aber es wird wieder gut.‘ Wir orientierten uns neu als Eltern und entspannten uns. Schon war das nächste Kind unterwegs. Ich war wieder schwanger und überrascht.

Während der Arbeit bekam ich dann plötzlich starke Blutungen.

Schuld war ein Hämatom direkt hinter dem Embryo. Nach drei Krankenhausaufenthalten und wiederholten Fehldiagnosen, dass mein Baby gestorben sei, warteten wir einfach ab bis ich einen Termin beim Frauenarzt hatte. Dort zeigte sich der kleine Kämpfer deutlich und mit schlagendem Herzen. Die Blutung hielt vier Monate an. Ich musste liegen und die Hilfe von unserer Familie annehmen. Doch wir schafften auch das. Der Kleine entwickelte sich super.

Er hielt sich fest und lies nicht los. Bis zur Schwangerschaftswoche 32+2. Da spürte ich im Bett plötzlich und zu meinem Erschrecken, dass Fruchtwasser aus mir heraus lief. Es kam mir fast so vor, als wollte mein Körper die Schwangerschaften nicht. Dabei wünschte ich mir meine Kinder so sehr.

Ein Baby in der Zeit einer Pandemie zu bekommen, hat sicherlich sehr viele Frauen geprägt.

Bestimmt haben viele die gleichen Emotionen durchlebt wie ich. Für mich war die Situation die Hölle. Unser Baby lag in Querlage und ich durfte drei Tage gar nicht aufstehen. Ich lag isoliert mit einem Blasensprung und wieder ständig laufendem Fruchtwasser in einem Zimmer. Konnte nur dieses blöde rote Blinklicht anschauen, was vor meinem Fenster war und wartete auf die nächsten Situationen.

Innerlich drehte ich durch, ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mir wünschte, dass das Baby endlich da wäre. Gleichzeitig wusste ich, dass es zu früh war, dass ich zumindest bis zur Lungenreife abwarten musste. Ich hasste es, dass niemand zu mir durfte und war genervt von den pseudofreundlichen Besuchen der Pflegekräfte, die kurz reinkamen, Blutdruck und CTG abhängten und wieder weg waren.

Es war zerstörend.

Dann kamen die Wehen, an Tag 5 im Krankenhaus ging es los. Wieder waren es Rückenwehen, die im  CTG nur gering angezeigt wurden. Es war also egal, wie oft ich es sagte, erst als das CTG nach 6 Stunden deutlich ausschlug, wurde ich ernst genommen und in den Kreißsaal geschoben. Mein Mann fuhr los. Da unser Baby wieder in Querlage war, musste es ein Kaiserschnitt werden. Ich danke meiner Mutter, die mir  beigebracht hat, Schmerz wegzuatmen. Denn ich atmete jede Wehe weg und auch das Legen der PDA bei zeitgleichen Wehen konnte ich wegatmen.

Dann kam mein Mann und saß neben mir. Ich war so dankbar und gleichzeitig merkte ich, wie sie an mir arbeiteten. Unser Baby kam, wurde gezeigt und war erstmal weg. Wir waren darauf vorbereitet, von daher war es okay. Er sollte ja erstmal gut im Leben ankommen.

Eine Stunde später kam der Kinderarzt zu uns und erklärte uns, dass unser Baby an dem Amniotischen Band Syndrom leidet.

Das heißt, dass unser Sohn im Bauch von umher schwebenden Bändern umwickelt gewesen ist. Diese hatten eine seiner Hände abgeschnürt und sie war abgestorben. Auch eines seiner Beine war schwer verletzt. Doch der Kleine atmete selbstständig und es ging ihm ansonsten gut.

Uns traf mit dem Syndrom etwas, was 1 zu 15000 vorkommen soll. Ich hatte davon noch nie gehört. Es tat mir unendlich leid, dass mein Baby hatte an dem Ort, an dem es sicher sein sollte, gelitten hatte. Das ist eine Emotion, die ich noch heute mit mir trage. Doch unser Sohn macht das einfach bombastisch. Er lacht und ist das fröhlichste Menschenkind, das ich kenne. Ich lernte meine dritte Lehre: ‚Nichts kommt wie es geplant war, aber das heißt nicht, dass es nicht trotzdem wundervoll wird.‘

Es werden einige OP’s folgen und wir werden alles an Hilfe annehmen, was wir kriegen können. Aber wir schaffen das. Denn bisher haben wir alles geschafft. Es wurde nur definitiv Zeit, den Transrapid zu verlassen und das Leben, so wie es jetzt ist, zu entschleunigen und zu genießen.“


Vielen Dank, liebe Mama (Name ist der Redaktion bekannt), dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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