Wenn der Kindsvater der eigene Bruder ist: Liebe trotz Inzestverbot

Beziehungen zwischen (Halb-)Geschwistern sind nicht nur ein gesellschaftliches Tabu, sondern auch strafbar. Trotzdem gibt es diese Beziehungen, manchmal haben die Paare auch Kinder zusammen. So ist es auch bei einer Frau, die ihre Geschichte dem Focus erzählt. Um ihre Identität zu schützen, wird sie Marion genannt.

Die 29-Jährige ist Mutter eines kleinen Jungen, der Vater des Kindes ist ihr Partner, der gleichzeitig ihr Halbbruder ist. Die beiden haben sich erst kennengelernt, als sie schon erwachsen waren. Sofort hat Marion eine tiefe Verbindung gespürt.

„Inzest – so was wollen wir hier nicht”

Inzwischen sind die Halbgeschwister seit vier Jahren zusammen, Familie und Freunde wissen nur teilweise davon. Denn viele, die davon erfuhren, haben sich von dem Paar abgewendet. Anfangs hätten die beiden versucht, ihre Beziehung offen zu kommunizieren: „Für Charakterstärke habe ich meine Ehrlichkeit gehalten. Heute sage ich: wie naiv ich war”, erzählt Marion dem Focus.

Besonders schmerzhaft ist ihr der Rauswurf aus ihrer WG in Erinnerung geblieben, nachdem die Beziehung bekannt wurde. „Inzest – so was wollen wir hier nicht”, hätten ihre Mitbewohner ihr gesagt. Das Paar erhält regelmäßig Drohbriefe und wird mit dem Gesetzgeber unter Druck gesetzt, schließlich ist ihre Beziehung strafbar. Inzwischen hat Marion in einer anderen Stadt neu angefangen, dort weiß niemand, dass sie und ihr Freund Halbgeschwister sind.

Auch der gemeinsame Vater weiß nichts davon, dass seine Kinder ein Paar sind. Er glaubt, dass sein Enkel bei einem One-Night-Stand mit einem Unbekannten entstanden ist.

Es drohen Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren

In Paragraph 173 des Strafgesetzbuches heißt es: „Wer mit einem leiblichen Verwandten aufsteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft; dies gilt auch dann, wenn das Verwandtschaftsverhältnis erloschen ist. Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen.” Der Gesetzgeber begründet dies mit den möglichen gesundheitlichen Schäden, die Kinder aus solchen Beziehungen haben könnten.

Dass diese Begründung womöglich nicht ausreicht, stellte die Süddeutsche Zeitung schon 2010 in einem Artikel zur Diskussion. Es stimme, dass der Nachwuchs von Geschwistern ein höheres Risiko aufweise, nicht der Norm zu entsprechen. Die Gene der Eltern sind sich sehr ähnlich, das Risiko, dass fehlerhafte Gene weitergegeben werden, sei deswegen sehr hoch.

Sexuelle Selbstbestimmung: Ist das Verbot gerechtfertigt?

Bei einer der größten Untersuchungen dazu hat eine tschechische Genetikerin 161 Kinder aus Inzestbeziehungen betrachtet, 44 Prozent von ihnen waren geistig behindert. Allerdings gaben deutsche Humangenetiker zu bedenken, dass manche der Elternteile selbst Lernschwächen oder geistige Behinderungen aufwiesen. Dieser Faktor wurde bei der Untersuchung nicht berücksichtigt.

Doch das vielleicht wichtigste Argument führt der Heidelberger Genetiker Claus Bartram an: „Es gibt Hunderte von Erbkrankheiten in der Bevölkerung, die ein ebenso hohes Risiko für die Kinder bedeuten. Niemand würde auf die Idee kommen, solchen Leuten zu verbieten, dass sie sich fortpflanzen.” Vielmehr werde es den Betroffenen überlassen, selbst zu entscheiden.

Die Begründung des Gesetzgebers steht demnach auf wackeligen Füßen, trotzdem bleibt das Thema ein gesellschaftliches Tabu, das viele unangenehme Emotionen hervorruft. Die meisten Menschen finden die Vorstellung abstoßend, mit einem nahen Verwandten im Bett zu landen. Aber rechtfertigt das ein Gesetz dagegen?

Marion träumt von einem Neuanfang als Familie in Schweden

Auch Marion ist sich sicher: Wenn sie gemeinsam mit ihrem Halbbruder aufgewachsen wäre, hätte sie sich bestimmt nicht in ihn verliebt. Trotzdem sind ihre Gefühle zu ihrem Halbbruder heute so wie sie sind. Wenn sie ihren kleinen Sohn anschaut, der inzwischen wenige Wochen alt ist und kerngesund, empfindet sie „pures Glück”. Trotzdem wappnet sich die Mutter. Sie weiß, dass die Gefahr besteht, dass plötzlich die Polizei bei ihr klingelt und ihr der Sohn weggenommen wird.

Dass ihr Kind mit einer Lüge aufwächst, möchte sie aber nicht. Die Mutter denkt deswegen über einen Neuanfang in Schweden nach. Dort gibt es kein Gesetz, dass die Beziehung zu ihrem Halbbruder verbietet. In Schweden könnten die beiden sogar heiraten.

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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