Warum ich niemals gehe, ohne mich von meiner Tochter zu verabschieden

Ich weiß noch ganz genau, als ich meine Tochter das erste Mal für einige Stunden bei Oma und Opa ließ. Ich war noch in Elternzeit und hatte einen wichtigen Termin. Meine Kleine, fast ein Jahr alt, war bisher noch nie ohne mich oder ihren Papa gewesen. Ich sehe mich nicht als übertriebene Glucke, aber bis dahin gab es einfach keinen Grund dafür.

Natürlich war ich etwas nervös, wie es denn klappen würde. Sie kannte meine Eltern gut, da machte ich mir keine Sorgen. Aber so ganz ohne mich!?

Nun gut, ich lieferte sie ab – und sie war sofort mit Feuereifer damit beschäftigt, mit meinem Vater zu spielen. Ich rief ihr von Weitem zu, dass ich jetzt gehen und sie später wieder abholen würde. Keine Reaktion, sie hatte mich gar nicht gehört. Meine Mutter sagte: „Geh doch schnell, bevor sie was mitkriegt und weint!“

Mich nicht richtig verabschieden? Das kam mir irgendwie falsch vor (doch Glucke!?). Ich ging kurz zu meiner Tochter, berührte sie am Arm und sagte ihr noch einmal, dass ich für einige Zeit weg wäre.

Natürlich klappte alles ganz wunderbar…

Aber so handhabe ich das bis heute. Egal, ob ich kurz Einkäufe erledige oder länger mit einer Freundin unterwegs bin – ich gebe meiner Kleinen einmal kurz Bescheid, dass ich weg bin und wann ich wiederkomme. Verabschieden ist Pflicht!

Das finden viele übertrieben und rollen mit den Augen. Zudem hätte ein heimlicher Abgang mir sicher einige tränenreiche Abschiede erspart – denn die gab es natürlich auch.

Aber: Gerade wurde ich in meiner Meinung bestätigt, dass heimliches Wegschleichen nicht gut für die Psyche des Kindes ist. Und zwar von Danielle Graf, Co-Autorin von „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn“.

Auf ihrer Homepage wird gut nachvollziehbar erklärt, was mit dem Kind passiert, wenn sich Mama oder Papa heimlich aus dem Staub machen, ohne sich zu verabschieden:

Wenn das Kind plötzlich bemerkt, dass seine Bindungspersonen weg sind, ist das ein echter Schock – und wirkt sich negativ auf das zukünftige Sicherheitsgefühl des Kindes aus. Daraus kann eine anhaltende Angst entstehen, von den Eltern getrennt zu werden.

„Wo ist meine Mama!?“ Panik macht sich breit. Foto: Bigstock

Denn schließlich hat es gerade gelernt, dass es scheinbar jederzeit möglich ist, dass seine Eltern verschwinden. „Das Kind lebt in chronischer Furcht, dass ,es‘ wieder passieren könnte .“ Mit dem Resultat, dass das Kind künftig (noch) viel anhänglicher werden wird – aus purer Verlustangst.

Irgendwie doch verständlich, oder? Der Schock sitzt tief, auch, wenn sich das Kind nach außen hin scheinbar schnell wieder beruhigt hat. 

Deswegen ist es wirklich wichtig, sich deutlich von seinem Kind zu verabschieden. Eine Umarmung, vielleicht eine kurze Info, wohin man geht und wann man wiederkommt – das kostet nicht viel Zeit, schafft aber viel Vertrauen. Und wenn es dabei zum kurzen, nervenzehrenden Abschiedsdrama kommt? Dann ist das der (kleine) Preis dafür, dass unser Kind nicht ständig die Furcht im Hinterkopf hat, dass wir einfach so verschwinden könnten.

Danielle Graf zu diesem Prinzip: „Es gibt im Leben von Kindern viele Situationen, in denen sie Angst haben oder ihnen kurzzeitig weh getan werden muss, z. B. wenn sie geimpft werden (oder eben die Eltern weg müssen). Viele dieser Dinge sind unumgänglich. Erfolgen sie nun aber auch noch unangekündigt, um den Protest und das Weinen des Kindes zu umgehen, kann es sein, dass die Kinder übermäßige innere Ängste entwickeln, weil sie nicht mehr wissen, wann sie sicher sind. Werden diese Ereignisse jedoch von den Erwachsenen angekündigt („Die Spritze tut kurz weh. Danach ist es aber gleich besser.“) müssen sie zwar ihre Angst in diesem Moment aushalten und überwinden, sie werden aber lernen, dass sie sicher sind, wenn die Mutter sagt „Das tut nicht weh“.

Sprich: In solchen Momenten macht die Wahrheit es manchmal ein bisschen unbequemer für alle – aber dafür bekommt das Kind ein grundlegendes Sicherheitsgefühl.

Und ist das nicht etwas ganz Wertvolles, was wir unseren Kindern ermöglichen sollten?

Danielle Graf ist Co-Autorin des umwerfend guten Ratgebers für die Trotzjahre: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn*

Auf ihrem Blog, den sie gemeinsam mit Katja Seide betreibt, lest ihr noch viel mehr zu diesem und vielen anderen Themen.

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Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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