„Warum ich meine Schwangerschaft bis zur Geburt geheim gehalten habe”

„Als ich im April ein Bild von den wunderschönen Füßchen meines Baby postete und damit die Geburt meiner Tochter offiziell machte, erreichten mich eine Menge geschockter Nachrichten. Denn bis auf meinen Mann und meiner Schwester hat niemand gewusst, dass ich ein Kind erwarte.

Eine Freundin rief mich aufgebracht an, um mich zur Rede zu stellen. Wir hatten uns noch vier Wochen vor der Geburt zu einem kleinen Spaziergang getroffen und ich hatte ihr nichts gesagt. Es war nicht so, dass ich sie anlügen wollte, aber es war mir auch recht, dass sie mich nicht auf die Schwangerschaft ansprach. Mit der dicken Winterjacke über meinem Babybauch war ich erleichtert, nicht über das Baby sprechen zu müssen, das in mir heranwuchs.

Warum hatte ich niemandem etwas gesagt?

Drei Monate bevor ich mit meiner Tochter schwanger wurde, hatte ich bereits ein Kind geboren. Ich brachte es zur Welt, aber konnte es nicht mit nach Hause nehmen. Mein Baby starb noch in meinem Bauch und kam tot zur Welt. Während ich auf einem Rollstuhl aus dem Krankenhaus geschoben wurde, brachten sie meinen Engel ins Leichenschauhaus. Ich denke, es ist klar, dass ich völlig am Ende war.

Bei dieser ersten Schwangerschaft hatte ich meine Freude darüber mit allen geteilt. Ich konnte es kaum abwarten, bis die ersten 12 Wochen um waren und ich offiziell machen konnte, dass ich ein Kind bekomme. Mein Mann war so stolz und wir platzten beinahe vor Glück. Alles war perfekt. Bis ich plötzlich hohes Fieber bekam und wenig später im Krankenhaus aufwachte – mit einer Sepsis und einem toten Baby.

Die Menschen in meinem Umfeld konnten offensichtlich nicht damit umgehen, dass ich mein Baby verloren hatte.

Ich hatte beinahe den Eindruck, dass eine Totgeburt ein Tabuthema für sie ist. Wenn ich Freunden auf der Straße begegnete, wussten sie oft nicht, was sie sagen sollten. Kommentarlos wurde ich von einer Babyparty ausgeladen. Die meisten vermieden das Thema komplett.

Für meinen Mann und mich war es traumatisch zu sehen, wie wenig Menschen wirklich für uns da waren, ihr Mitgefühl zeigten und angemessen mit unserem Verlust umgehen konnten. Wir fühlten uns in unserer Trauer um unser Baby abgekapselt von der Außenwelt, einsam. Als ich dann nur drei Monate später wieder einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt, wusste ich, dass ich das nicht noch mal durchstehen könnte.

Also beschloss ich, dieses Mal anders mit meiner Schwangerschaft umzugehen.

Der Lockdown kam mir dabei natürlich entgegen, schließlich waren wir sowieso alle dazu angehalten, möglichst wenige Menschen zu sehen. Als mein Bauch immer sichtbarer wurde, steuerte ich einfach mit weiten Pullis gegen. Es war gar nicht so, als hätte ich bewusst entschieden, die Schwangerschaft zu verheimlichen, ich spürte nur einfach keinen Drang, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken.

Eigentlich hatten mein Mann und ich uns vorgenommen, es unseren Eltern zu sagen, sobald ich im dritten Trimester wäre. Doch dann wurden meine Werte schlechter, ich hatte Eiweiß im Urin und meine Frauenärztin machte mich darauf aufmerksam, dass mein Baby ungewöhnlich klein war. Bei mir gingen sofort sämtliche innere Alarme an. Innerlich bereitete ich mich schon darauf vor, wieder ein totes Baby zur Welt zu bringen.

Danach war uns dann endgültig die Lust vergangen, unser kleines Mädchen anzukündigen.

Wir konnten es einfach nicht, zu groß war unsere Angst, dass sich dann alles wiederholen würde. Erst in dem Moment, als ich mein kleines Mädchen im Kreissaal weinen hörte, wusste ich, dass wir es dieses Mal geschafft hatten, wir würden endlich zu dritt nach Hause fahren.

Bis zuletzt hatte ich Angst, auch dieses Baby nicht kennenlernen zu dürfen. Deswegen bedauere ich es nicht, dass ich die Schwangerschaft für mich behalten habe. Aber wir haben es geschafft und sind endlich eine Familie, das ist das Einzige, was für uns zählt.


Vielen Dank, liebe Gabriela, dass Du Deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg. Am liebsten erkunde ich mit ihm die vielen grünen Ecken der Stadt. Auch wenn ich selbst keine Mama bin, gehören Babys und Kinder zu meinem Leben dazu. Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert und ich komme als „Tante Lena“ zum Einsatz. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Lalucy
Lalucy
1 Jahr zuvor

Seit wann geht eine Schwangerschaft überhaupt irgendjemand anders als die beiden daran beteiligten Menschen an?
Ich musste nie eine Fehl- oder Totgeburt mitmachen und ich weiß, dass das ein unverdientes Glück ist. Und trotzdem habe ich meine Schwangerschaften bis zuletzt „verheimlicht“, da ich groß und schlank bin, hatte ich nie großartig Bauch. Zum Glück hat bei uns nie jemand negativ reagiert. Ob man es gleich beim positiven Test oder nach der Geburt verkündet ist doch völlig egal, wer einen mag, der freut sich für einen mit.
Einen festen Drücker für alle, die ein Baby verloren haben.

Christina
Christina
1 Jahr zuvor

Es klingt wie meine Geschichte. Ich war zwar nicht krank geworden, aber mein Kind starb neun Tage vor seinem Geburtstermin – warum?- keine Ahnung. Habe in den Folgeschwangerschaften auch niemandem davon erzählt. Meinen Eltern auch erst nach der Geburt. Allerdings hatte ich schon 2 Kinder zuhause, die aber auch nichts weitergesagt haben, sich aber unfassbar auf ihre Brüder gefreut hatten.
Die Angst ist ein ständiger Begleiter. Ich habe immer gesagt: bei anderen fängt der Stress nach der Geburt an- bei mir hat er mit dem ersten Schrei nachgelassen. Bei meinen Großen war ich oft am Ende nach durchgemachten Nächten- bei den Kleinen wusste ich es zu schätzen, dass sie nach mir rufen. Wie sehr hätte ich es mir bei meinem Finn gewünscht…

Lane
Lane
1 Jahr zuvor

Ich habe eine dreijährige Tochter, bei der ich es gar nicht früh genug allen sagen konnte, dass ich schwanger bin. Deshalb machte ich mir beim zweiten Kind auch keine Gedanken- leider eine Totgeburt. Danach hatte ich noch zwei Fehlgeburten. Daher kann ich durchaus verstehen, dass die Autorin so reagiert hat. Ich würde es bei einer erneuten Schwangerschaft auch so machen.

Kiki
Kiki
1 Jahr zuvor

Ich bin aktuell in der 24. Woche schwanger. Dies ist meine dritte Schwangerschaft und hoffentlich das erste Kind, welches ich im Arm halten darf. Verstorbene Kinder sind ein wahnsinns Tabuthema. Ich kann verstehen, wenn dann viel geschwiegen wird, auch wenn ich genau den gegenteiligen Weg gewählt habe: ich rede. Wem das nicht passt, der kann gehen. Ja, damit stoße ich vielen vor den Kopf, aber ich habe gemerkt, dass ich diese auch nicht in meinem Leben brauche. Viele waren am Anfang dieser Schwangerschaft sehr vorsichtig, sehr zurückhaltend, die Freude ist nun umso größer, dass es ein kleines, perfektes Mädchen zu sein scheint.

Clau
Clau
2 Jahre zuvor

Ich kann das sehr gut verstehen. Nachdem unser erstes Kind nicht geboren wurde habe ich sowohl die 2. wie auch 3. Schwangerschaft nicht öffentlich gemacht. Ich habe sie nicht verheimlicht aber nicht öffentlich gepostet und bin bauchfrei aus dem Haus gegangen. Da ich kaum Bauch hatte haben es die meisten nicht bemerkt. Es gab nach den Geburten verärgerte Kommentare und einige Leute konnten es nicht verstehen. Aber es gibt meist einen Grund warum man mit diesem Thema so umgeht. Ich hätte mir gewünscht ich hätte es auch öffentlich leben können aber die Angst war zu gross dass noch etwas passiert.