Unterschiedliche Erziehungsstile: Mama & Papa ticken völlig anders – was nun?

Als Partner wart ihr ein harmonisches Team. Kaum ist das erste Kind da, entdeckt ihr auf einmal Seiten aneinander, mit denen ihr nicht gerechnet habt. Kennt ihr das auch? Diese Erfahrung machen sehr viele Paare, auch die vorher sooooo harmonischen, die ganz selbstverständlich davon ausgegangen sind, dass sie auch bei der Kindererziehung direkt an einem Strang ziehen würden. Pustekuchen.

So ging es auch Es fing damit an, dass sie ihre zwei Töchter so lange wie möglich an ihrer Seite im Elternschlafzimmer lassen wollte, während er die beiden früh im eigenen Zimmer schlafen lassen wollte. Er verteilt großzügig Süßigkeiten, sie rationiert ungesunde Snacks eher streng.

Beim Lesen habe ich mich in vielen Unstimmigkeiten wiedergefunden und war gleich ein wenig erleichtert, weil ich das draußen so oft auf Eltern treffe, bei denen ich denke: „Wow, die ticken ja voll gleich, was den Umgang mit den Kindern angeht. Bei denen muss es ja wie geschmiert laufen.“

Ich habe für mich zum Beispiel viele Prinzipien der bedürfnisorientierten Elternschaft übernommen (manche aber auch inzwischen wieder verworfen, weil sie an unserer Realität als Familie vorbeigingen). Manchmal stresse ich mich damit ganz schön, wahrscheinlich habe ich auch den ein oder anderen Ratgeber zu viel gelesen. Mein Mann geht die Sache viel lässiger und ein ganzes Stück tougher an. Das Kind fällt hin und schreit herzzerreißend? „Steh auf, hat keiner gesehen“, sagt er dann etwa lapidar. Da hocke ich schon auf Knien neben unserem Sohn, um seinen Schmerz empathisch zu begleiten.

Auch wenn es anstrengender ist: Unterschiede haben auch Vorteile

Was die Erziehung angeht, sind wir uns auch in anderen Fragen alles andere als einig. Das hat mich anfangs kalt erwischt. Langsam gelingt es mir besser, zu akzeptieren, dass beide Stile ihre Vor- und Nachteile haben. Vielleicht profitiert unser Sohn sogar von unseren Widersprüchen. Er erlebt unterschiedliche Herangehensweisen und kann ausprobieren, was für ihn funktioniert. Und er sieht auch, dass es keine Katastrophe ist, wenn man als Paar nicht immer einer Meinung ist. Inzwischen weiß er außerdem genau, an wen er sich mit welchen Themen und Bedürfnissen am besten wendet.  Weil mein Mann und ich uns auch in vielen Interessen unterscheiden sind, findet unser Sohn für (fast) alles den passenden Ansprechpartner. Eigentlich super, aber manchmal knirscht es natürlich trotzdem im Getriebe.

Dass es zwischen Eltern kracht, ist normal: Beide waren auch mal Kinder

Dass es bei vielen plötzlich gerade dann hakt, wenn das ersehnte Kind kommt, ist kein Wunder. Da kommen Faktoren zum Tragen, die vorher keine Rolle spielten. Plötzlich seid ihr nicht mehr nur ein Paar, sondern Eltern. Wer weiß schon genau, wie das funktioniert? Also kramen wir in eigenen Erfahrungen, unseren alten Familientraditionen, und den Vater- und Mutterbildern, mit denen wir aufgewachsen sind. Vielleicht haben wir komplett unterschiedliche Erfahrungen gemacht, was für uns als Kind funktioniert hat und was nicht?

Mein Mann ist ein toller Vater. Inzwischen habe ich außerdem begriffen: Wenn er einmal nicht so doll auf den Kummer unseres Sohnes eingeht, dann gerade weil ihn dessen Not bewegt. Er nimmt an, dass der Kleine den Schmerz schneller hinter sich lässt, wenn man dem nicht zu viel Aufmerksamkeit schenkt – so wie er es von seinen Eltern gelernt hat. Ich hingegen hätte mir früher manchmal etwas mehr Aufmerksamkeit für meine Bedürfnisse gewünscht, und verteile deshalb in manchen Situationen wohl überreichlich davon. Weil ich fürchte, bei unserem Sohn könnte sonst die Message ankommen: „Ich sehe deine Gefühle nicht, und sie zählen für mich auch nicht so.“

Vergiss nicht, dass ihr letztendlich doch an einem Strang zieht

Trotz unserer Unterschiede verlief unsere Paarbeziehung vor dem Kind extrem harmonisch. Wir teilen vielleicht nicht unbedingt die gleichen Interessen, aber am Ende doch die gleichen Wertmaßstäbe. Ich glaube, das ist schon die halbe Miete. Auch wenn wir uns nicht immer einig sind, wie man diese Werte am besten zeigt und vermittelt. Seid ich mir das öfter ins Gedächtnis rufe, kann ich mich besser zurücknehmen, wenn ich in Sachen Kindererziehung anderer Ansicht bin. Auch viel reden hat tatsächlich geholfen.

Das klappt natürlich nicht immer perfekt – gerade weil unser Sohn für uns beide vielleicht die Herzensangelegenheit ist. Klar, will man sich da gerne mal durchsetzen, wenn man meint, in einem Punkt einfach besser rauszuhaben, wie der Hase läuft. Trotzdem weiß ich am Ende genau: Selbst wenn wir in einer Frage mal nicht an einem Strang ziehen, wollen wir das Gleiche. Unser Kind soll irgendwann voller Selbstvertrauen und Mut in die Welt ziehen.

Jetzt sind wir gespannt auf eure Geschichten. Wart ihr euch von Anfang an einig, was die Kindererziehung angeht? Wir habt ihr Kompromisse gefunden, falls es bei euch auch nicht ganz so reibungslos verlief? Erzählt doch mal!

Jana Stieler
Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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