Trotz Warnung: Pfleger stellt das Beatmungsgerät eines Babys ab

Er war offensichtlich davon überzeugt, es besser zu wissen als die Ärzte und richtete unvorstellbaren Schaden an. Ein Pfleger in Berlin stellte eigenmächtig das Beatmungsgerät eines Babys ab, das sich in seiner Obhut befand. Eine Entscheidung mit lebenslangen Konsequenzen für das Kind und seine Familie.

Der 58-jährige Pfleger Jacek A. muss sich vor Gericht wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Das Opfer seiner Taten: Ein wehrloser kleiner Junge, der 2017 mit einem Genfehler zur Welt kam. Er atmete nicht ausreichend, litt an Epilepsie. Seine Eltern können ihr Baby erst Anfang 2018, als es acht Monate alt ist, zu sich nach Hause holen. Doch auch dort war ihr Sohn auf häusliche Pflege angewiesen.

Da kam der Angeklagte ins Spiel.

Die Pflegefachkraft wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, „keine eigenmächtigen Entwöhnungsversuche bezüglich der Sauerstoffgabe durchzuführen“, wie die B.Z. berichtet. Laut ärztlicher Anordnung musste das Kind immer noch nachts an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden, ein Monitor sollte stets seine Vitalfunktionen überwachen. Tagsüber bekam der Junge Sauerstoff.

Der kleine Junge macht zuhause Fortschritte: Er konnte Brei essen und auch trinken, nach Dingen greifen und mit den Augen seine Eltern anschauen, wie die Berliner Zeitung berichtet. Vielleicht stellt Jacek A. deswegen die Beatmungsmaschine und einige Tage später auch noch die Überwachungsmonitore für die Sauerstoffsättigung eigenmächtig aus.

Obwohl das Gerät zuvor mehr als 300 Sauerstoffmangel-Ereignisse bei dem Kind aufgezeichnet habe.

Trotzdem kam der Pfleger zu dem Schluss, dass eine Beatmung nicht mehr notwendig sei. Damit habe er seine medizinische Fachkompetenz erheblich überschätzt, sagt die Staatsanwältin. Sein Wissen hatte er laut Anklage aus dem Internet bezogen. Drei Tage nach dem Abschalten der Überwachungsmonitore kommt es zur Katastrophe.

Die Mutter hörte im Nebenzimmer komische Geräusche und kam dazu, als Jacek A. gerade Erste Hilfe leistete. Der kleine Junge erlitt am 17. Juni 2018 nach dem Füttern einen Herzstillstand, er war noch nicht mal ein Jahr alt. Der Pfleger reanimierte das Baby und es überlebte – aber mit schwersten neurologischen Schäden. 15 Minuten war sein Gehirn nicht mit Sauerstoff versorgt. Vor Gericht kommentiert er das mit: „Tut mir leid, dass es so weit kam.“

Für die Richterin grenzt das Verhalten des Pflegers an Vorsatz.

Sie nennt das Verhalten von Jacek A. „haarsträubend”. „Sich sehenden Auges nicht daran zu halten, was die Ärzte sagen, grenzt an Vorsatz.“ Zusätzlich war der Angeklagte vor dem Vorfall von einer Kollegin vor den möglichen Folgen gewarnt worden. Diese sei entsetzt gewesen, als sie von der eigenmächtigen Entscheidung hörte.

Sie habe ihren Chef und die Kinderärztin des Babys informiert. Wäre es früher zum Prozess gekommen, „hätte man über ein Berufsverbot nachdenken müssen“, merkt die Richterin an. Doch da sich der Mann in den letzten fünf Jahren nichts zu schulden kommen lassen habe, kam er glimpflich davon.

Er wird zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro verurteilt.

4.800 Euro Geldstrafe dafür, dass ein Kind nun lebenslang unter seiner Tat leiden wird? Das klingt unverhältnismäßig, aber der Anwalt des Pflegers argumentierte: „Er überwachte das Kind. Es hatte sich verschluckt.“ Er versuchte sogar noch, einen Freispruch für seinen Mandanten zu erwirken. Doch der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung war für die Richterin eindeutig erfüllt.

Was genau die Ursache für den Kreislaufstillstand war, bleibt unklar. Laut Berliner Zeitung sagte die Sachverständige, er könne durch die lange Zeit, in der er keinen Sauerstoff erhalten habe, in eine CO₂-Narkose gefallen sein. Ein „Atemstillstand einfach so“ sei ebenso möglich wie ein epileptischer Anfall. Auf alle Fälle hätte ein angeschlossener Monitor sofort Alarm geschlagen und damit wahrscheinlich verhindert, dass es zu solch schlimmen Folgen gekommen wäre.

Die Eltern hatten von der Entscheidung des Pflegers gewusst, die Geräte abzuschalten.

Doch sie haben ihm offenbar blind vertraut. Die Mutter spricht noch dazu kaum Deutsch. Jacek A. habe über alles entscheiden können. Ihr Kind lebt heute in einer Intensivpflege-Wohngemeinschaft in einem Wachkoma-Zustand.

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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