Studie: Viele Kitas können die Kleinen nicht kindgerecht betreuen

Wenn wir unser Kind in die Krippe oder auch „erst“ in die Kita eingewöhnen, begleiten uns dabei oft ganz gemischte Gefühle. Wir freuen uns, wieder ein wenig mehr Zeit für uns zu haben, wieder arbeiten zu können und dass unser Kind jetzt täglich mit vielen Altersgenossen spielen kann. Auf der anderen Seite schwingt auch viel Wehmut mit, weil wir unseren Schatz die letzten Monate oder Jahre 24 Stunden am Tag um uns hatten. Vielleicht haben wir auch ein schlechtes Gewissen, weil wir unser Kind jetzt „abgeben“ oder haben Angst, wichtige Meilensteine zu verpassen.

Aber ganz egal, was wir fühlen, eines wird immer dabei sein: Die Hoffnung, dass unser größter kleiner Schatz in seiner Kita gut aufgehoben ist und sich wohl fühlt.

Leider ist das aber nicht immer so. Unsere Echte Mama Merle (echter Name ist der Redaktion bekannt) hat jeden Morgen ein ungutes Gefühl, wenn sie ihre kleine Poppy in der Krippe abgibt:

„Ich habe mich wirklich sehr gefreut, als Poppys Eingewöhnung in die Krippe anstand. Ich habe meine Elternzeit sehr genossen, aber jetzt freute ich mich auf meinen Job und zudem hatte ich das Gefühl, dass auch Poppy mehr als bereit war, etwas Neues zu erleben.

Die Eingewöhnung ging auch glatt, Poppy hat sich schnell an den Trubel gewöhnt und kaum mal geweint, wenn ich ging.

Und das tut sie auch heute, ein dreiviertel Jahr später nicht, wenn ich sie morgens in der Krippe abgebe. Das Elend beginnt erst, wenn ich sie am frühen Nachmittag wieder abhole.

Sobald sie mich sieht, wirft sie sich entweder in meine Arme und weint – oder sie dreht völlig durch, bekommt einen Trotzanfall und lässt mich gar nicht an sie heran. Zu Hause dann ist sie viel in ihrem Zimmer und schaut sich Bücher an. Zum Spielen kann ich sie kaum mehr animieren.

Ich habe das Gefühl, dass ihr Tag in der Krippe einfach megalaut und stressig ist.

Ich wundere mich auch immer, wie viele Kinder dort herumlaufen! Eine so große Gruppe und oftmals nur zwei Erzieherinnen zur Zeit, das muss doch für alle Beteiligten megastressig sein! Ich bewundere die Erzieherinnen, dass sie immer so toll und geduldig mit den Kindern sind.“

Diese Erfahrungen machen viele Eltern.

Und eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung bestätigt dies.

Das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildung“ bewertet die Umstände der pädagogischen Arbeit nach drei Kriterien: Personalschlüssel, Gruppengröße und Qualifikation des Personals.

Das Ergebnis der gerade vorgestellten Studie zeigt vor allem zwei Dinge: Deutschland steht insgesamt längst nicht so gut da, wie es nötig wäre, um eine gute Betreuung zu gewähren. Und: Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind wahnsinnig groß.

Wir haben die wichtigsten Ergebnisse für euch zusammengefasst:

• Im Schnitt betreut eine Fachkraft in Deutschland 4,2 Krippenkinder. Bei den Größeren im Alter von drei bis sechs Jahren kommen auf eine Fachkraft im Schnitt 8,8 Kindergartenkinder.

Zudem kommt es natürlich oft zu Ausfällen der Erzieher wegen Krankheit, Urlaub etc.

Die Fachleute der Bertelsmann Stiftung halten bei Kleinkindern eine Relation von 1:3 für nötig, bei Kindergartenkindern von 1:7,5, um eine gute Betreuung zu gewährleisten.

Bundesweit war der Personalschlüssel nach diesen Maßstäben für rund 1,7 Millionen (!) Kitakinder bundesweit also „nicht kindgerecht“. Für ganze 74 Prozent der Kinder gab es in ihren Gruppen nicht genügend Fachpersonal. Ein Alptraum.

Übrigens gibt es hier aber regional enorme Unterschiede. Denn in Ostdeutschland betrifft dieses Problem  93 Prozent der Kinder, in Westdeutschland 69 Prozent. Um wie viele Kinder sich ein Erzieher oder eine Erzieherin rechnerisch kümmern muss, variiert zudem stark von Bundesland zu Bundesland.

• Und auch die Größe der Gruppen entspricht in vielen Kitas nicht den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung. In Krippen sollten demnach nicht mehr als zwölf Kinder in einer Gruppe sein, im Kindergarten nicht mehr als 18.

Der Studie zufolge sind mehr als die Hälfte der untersuchten Kitagruppen in Deutschland größer, aber auch hier sind die regionalen Unterschiede wieder groß.

Hier befürchten die Experten genau das, was auch Merle in ihrem Bericht über Poppys Krippenalltag vermutet: Kinder und Erzieher sind in großen Gruppen übermäßigem Stress und einer durchgehend großen Lautstärke ausgesetzt. Viele Spiele und Aktivitäten, die für die Entwicklung der Kinder wichtig sind, könnten dadurch nicht im nötigen Umfang stattfinden. Die Erzieher geben alles, haben aber schlichtweg zu wenig Zeit.

• Ein weiter Punkt der Untersuchungen war das Ausbildungsniveau der Erzieher.

In den ehemals ostdeutschen Bundesländern ist der Anteil der ausgebildeten Erzieher mit 82 Prozent deutlich höher als in Westdeutschland mit 66 Prozent. Hier arbeitet laut Studie mehr Personal auf Assistenzniveau, beispielsweise als Kinderpfleger oder Sozialassistent.

Der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung Jörg Dräger mahnt: Insbesondere bei Personalmangel steige das Risiko einer niedrigeren Bildungsqualität. Er kritisiert: „Es gibt keine bundeseinheitlichen Qualifikationsstandards für das Personal.“ Kitas könnten deshalb ihren Bildungsauftrag teilweise nicht wahrnehmen.

Wie so oft ist die größte Problematik das Finanzielle:

„Auch wenn in den vergangenen Jahren schon viel für die Kitas gemacht wurde“, sagt Dräger, „Es reicht noch nicht.“ Denn gute pädagogische Arbeit für die Kleinsten gehe nur mit zusätzlichen Mitteln – und die gäbe es nicht ohne eine angemessene, dauerhafte Finanzierungsbeteiligung des Bundes.

Wenn du mehr über die Ergebnisse der Studie wissen möchtest – vielleicht auch speziell zu deinem Bundesland – findest du alle Infos unter www.laendermonitor.de.

Wie sieht es denn bei euch in der Kita aus? Gibt es genügend Erzieher und wie große sind die Gruppen?

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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