Eine Mama erzählt, wie Anzeigen für Baby-Produkte ihr das Herz brachen:

Gillian Brockell ist eine Journalistin aus Washington und steht normalerweise hinter Texten und Videos. Nun aber wurde sie selbst zum Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Sie teilte auf Twitter ihre persönliche, tragische Geschichte und stellte Google und Facebook DIE Frage, die sich so viele schon gestellt haben, nämlich: Warum können die Tech-Konzerne nicht sensibler mit menschlichen Krisen, in ihrem Fall ein still geborenes Kind, umgehen?

Aber von vorne: Gillian Brockell war so überglücklich, als sie schwanger wurde. Voller Vorfreude kaufte sie für ihr ungeborenes Baby ein, beschäftigte sich mit Mami-Themen und sah zu, wie ihr Bauch wuchs. Doch dann, als sie bereits im siebten Monat war, fühlte sie keine Bewegungen mehr. Sie machte sich große Sorgen und schließlich wurde ihr größter Albtraum wahr: Ihr Baby war tot.

Es würde nicht, wie gedacht, Ende Januar zur Welt kommen. „Unser Herz ist gebrochen und wir teilen euch allen mit, dass unser Sohn Sohna Singh Gulshan, still geboren wird. (…) Wir sind noch im Krankenhaus und ich bin dabei, ihn zur Welt zu bringen“, schrieb Gillian Brockell in einer emotionalen Nachricht am 30. November.

Viele kommentierten diesen Tweet der Journalistin und drückten ihr tiefstes Mitgefühl aus.

Wer allerdings nicht sonderlich mitfühlend war, waren die personenbezogenen Werbeanzeigen. Sie machten die ohnehin schon am Boden zerstörte Mutter noch trauriger. Darum schrieb sie einen offenen Brief an Facebook, Twitter, Instagram und Experian. Diesen veröffentlichte sie auf Twitter und sprach damit so vielen Menschen aus der Seele, dass er inzwischen über 66.000 Likes bekommen hat und 30.000 Mal geteilt wurde.

 

„Jedes Jahr werden in den USA 26.000 Babys still geboren, und Millionen bei euren Nutzern auf der ganzen Welt. Lasst mich euch erklären, wie die sozialen Medien sich verhalten, wenn man schließlich vom Krankenhaus nach Hause kommt, mit den leersten Armen der Welt, nachdem man Tage schluchzend im Bett verbracht hat, und um sich ein paar Minuten abzulenken das Telefon in die Hand nimmt, bevor der nächste Heulkrampf kommt. Es ist exakt, völlig verstörenderweise, genau so, wie es wäre, wenn dein Baby noch leben würde. Mutterschaft, Elternschaft. Mama-Kram. Jedes verdammte Deko-Kram-Teil, das ich für das Kinderzimmer kaufen wollte.“

Dabei, so Gillian, müssten die Algorithmen doch mitbekommen haben, dass etwas passiert ist, denn sie wussten doch auch, dass sie schwanger war:

„Ich weiß, dass ihr wusstet, dass ich schwanger war. Ich konnte den Instagram-Hashtags einfach nicht widerstehen – #30wochenschwanger, #babybauch. Und ich, ich Doofie!, habe sogar einmal oder zweimal auf die Werbung für Umstandsmode geklickt, die Facebook mir gezeigt hatte. Und ich bin mir sicher, Amazon hat euch sogar den Geburtstermin verraten, den 24. Januar, den ich angegeben habe, als ich mich dort registriert habe.

Aber habt ihr nicht gesehen, dass ich plötzlich gegoogelt habe: „Sind das Übungswehen?“ und „Baby bewegt sich nicht“? Habt ihr nicht bemerkt, dass ich euch drei Tage lang gar nicht benutzt habe, sehr merkwürdig für einen Intensiv-Nutzer wie mich? Und dann die Veröffentlichung mit Schlagworten wie ,gebrochenes Herz‘ und ,Problem` und ,Totgeburt‘ und die zweihundert traurigen Emoticons mit Tränen von meinen Freunden? Sind das nicht Dinge, die ihr auch aufzeichnet?“

Das hat sich wohl jeder schon mal gefragt, der so eine oder eine ähnliche Tragödie hinter sich hat, wie auch die Reaktionen der anderen Twitter-Nutzer zeigen.

Auch ein Wegklicken der Werbung funktioniert oftmals nicht, wie Gillian beschreibt: „Und wenn wir Millionen untröstlicher Menschen ,Ich will diese Anzeige nicht sehen‚ anklicken und wir sogar euer ,Warum?‘ mit dem grausamen-aber-wahren ,Es ist nicht relevant für mich‘ beantworten, wisst ihr, was eure Algorithmen beschließen, liebe Tech-Firmen? Sie beschließen, dass wir geboren haben, gehen von einem glücklichen Ergebnis aus und überfluten uns mit Werbeanzeigen für die besten Still-BHs [Ich habe Kohlblätter auf meinen Brüsten, weil das die beste Lösung ist, die die medizinische Wissenschaft gefunden hat, um den Milchfluss abzuschalten], Tipps, um das Baby dazu zu bringen, durchzuschlafen [Ich würde alles dafür geben, ihn überhaupt weinen zu hören] und die besten Kinderwagen, die mit dem Baby mitwachsen [meines wird für immer 1900 Gramm haben].“

Am Ende richtet die Journalistin einen Appell an all die Firmen, die unsere Daten sammeln und uns persönliche Werbung zeigen: „Liebe Tech-Firmen, ich flehe euch an: Wenn ihr schlau genug seid, um zu bemerken, dass ich schwanger bin, dann seid ihr bestimmt auch schlau genug, um zu bemerken, dass mein Baby gestorben ist und könnt eure Werbeanzeigen entsprechend anpassen, oder vielleicht, aber auch nur vielleicht, mir gar keine zeigen.“

Eine Antwort darauf hat sie inzwischen schon erhalten: Rob Goldmann, der bei Facebook für die Werbung zuständig ist, twitterte: „Mein aufrichtigstes Beileid zu Ihrem Verlust und Ihrer schmerzvollen Erfahrung mit unseren Produkten. Wir haben eine Einstellung, die es erlaubt, Werbung auszublenden, deren Themen einen schmerzvoll berühren – Elternschaft eingeschlossen. Es ist nicht perfekt, aber bitte seien Sie sich sicher, dass wir daran arbeiten und Ihr Feedback gerne annehmen.“

Das wäre doch eine wünschenswerte Entwicklung!

Rebecca
Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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