Ist dieser Preis gerechtfertigt? Streit um den „Spitzenvater des Jahres“

Eine Mutter fliegt ins All und die Welt steht Kopf. Allerdings nicht, weil Dr. Insa Thiele-Eich die erste deutsche Astronautin wird, sondern weil ihr Mann einen Preis dafür bekommen hat, während der Abwesenheit seiner Frau die drei Kinder zu hüten. Satte 5000 Euro wird der Familie bezahlt, weil Daniel Eich ein Jahr Elternzeit nimmt, während seine Frau mit den Vor- und Nachbereitungen für den elftätigen Aufenthalt beschäftigt ist. Außerdem darf er nun den Titel „Spitzenvater des Jahres“ tragen.

Was ist denn das für ein Preis?

Von hochoffiziellen Stellen kommt das übrigens nicht. Die fragwürdige Auszeichnung wurde von einer Großbäckerei verliehen, die das jährlich seit 2006 macht. Vor den Schlagzeilen um Daniel Eich allerdings war die Bäckerei, die sich eigentlich für Gleichberechtigung stark machen möchte, nicht unbedingt in aller Munde.

Erst dieses Jahr schlägt ihr und dem Preis herbe Kritik entgegen. Der Preis ist, so die Gegner, genau das Gegenteil von Gleichberechtigung. Er und die verliehene Summe sind ein Schlag ins Gesicht von Millionen Frauen, die sich selbstlos und ohne Erwartung eines Preises um ihre Kinder kümmern.

Besonders alleinerziehenden Mamas und Papas geht die Hutschnur, wenn sie vom „Spitzenvater“ und der damit verbundenen „Vergütung“ hören. Und sie dürfen darüber wütend sein. Sie sind 24/7 Spitzenmütter und Spitzenväter, nicht nur für ein Jahr, sondern für viele Jahre. Viele von ihnen haben keinerlei Unterstützung vom Vater ihrer Kinder, weder durch gelegentliche Betreuung noch durch Unterhaltszahlungen. Sie sind also nicht nur diejenigen, die sich um Kinder und Haushalt kümmern, sondern auch diejenigen, die zusätzlich dafür sorgen müssen, dass am Ende des Tages Geld für Essen und Kleidung da ist. Es scheint nur logisch, dass sie 5000 Euro eher verdient hätten und gebrauchen könnten als eine Uni-Absolventen-Familie.

Die Wogen in den sozialen Netzwerken und auf Spielplätzen und in KiTa-Fluren gehen gehörig hoch und diejenigen Mütter (und Väter), die den „Spitzenvater des Jahres“-Preis gut finden, kann man an einer Hand abzählen. Himmelschreiend ungerecht, das hingegen sagen fast alle.

Die andere Sicht auf die Dinge

Aber Halt! Bei aller Emotionalität darf man nicht vergessen, dass Insa auch eine Mutter ist und ein Mensch wie jeder andere. Sie hat sich zu Wort gemeldet und verteidigt sich und ihren Mann.

Die Bald-Astronautin, deren Einsatz auf der Internationalen Raumstation per Crowdfunding und privaten Spenden finanziert wird, kann die Aufregung verstehen, findet aber viele Argumente ungerecht. Gegenüber mehreren Medien bestätigte sie, dass der Preis für Werte stehe, die sie und ihr Partner vertreten und unterstützen, nämlich Gleichberechtigung.

„Es geht darum, dass wir seit neun Jahren eine gleichberechtigte Partnerschaft und Elternschaft führen“, so Insa gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Schon beim ersten Kind habe Daniel Elternzeit genommen, um ihr zu ermöglichen, ihr Doktorratsstudium fortzusetzen.

Den Preis anzunehmen, sei Ergebnis reichlicher Überlegungen gewesen. Gegenüber dem wundervollen Blog „Stadt Land Mama“ sagte Dr. Insa Thiele-Eich, sie selbst nenne ihn lieber „Familienpreis“. Sie sieht in ihm nicht die Herabsetzung von Frauen, sondern einen Anreiz für Väter, ihren Mann zum Vorbild zu nehmen und ebenfalls Elternzeit zu nehmen.

Die Anfeindungen, so meint sie, kämen in erster Linie von nicht korrekter Berichterstattung. Denn in einem der ersten Artikel darüber heißt es, dass sie nur deshalb ins All fliegen könne, weil Daniel Elternzeit genommen habe.

Das ist natürlich Quatsch, denn Insa hat sich ihren Flug redlich verdient, weil sie eine gute Wissenschaftlerin ist und sich im Auswahlverfahren gegen ihre Konkurrentinnen durchsetzen konnte. Dass sie den Stempel „erste deutsche Frau im Weltall“ aufgedrückt bekommen habe, finde sie auch nicht gut. Aber es zeige, dass auch in Deutschland 2019 noch immer keine Gleichberechtigung herrsche. Preise wie der „Spitzenvater des Jahres“ seien nötig, um andere Männer zu motivieren, es Daniel gleichzutun und sich um Kinder und Haushalt zu kümmern.

Kritiker halten weiterhin dagegen. Dass Daniel Insa dabei unterstützt, beruflich Erfolg zu haben, sei selbstverständlich und keineswegs preiswürdig. Das durch einen Preis zu „belohnen“ sende ein falsches Signal, finden viele.

Egal, wie man denn nun zur Auszeichnung steht, eines ist sicher: Insa und Daniel selbst darf und sollte man dafür nicht verurteilen. Sie sind eine ganz normale Familie und freuen sich, dass ihre Lebensform honoriert wird. Und seien wir mal ehrlich: Wenn jemand zu uns käme und sagte, dass wir für etwas, das wir ohnehin machen, 5000 Euro bekommen, würden wir doch auch nicht sagen: „Och nö. Behalt‘ mal.“ Oder?

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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