Schwangerschafts-Depression: „Es dauerte, bis ich Hilfe bekam.“

Linda Moosherz hatte sich immer ein Kind gewünscht. Als sie dann überraschend schwanger wurde, war sie daher auch überglücklich! Leider hielt dieses Gefühl aber nicht lange an, denn schon ab dem zweiten Schwangerschaftsmonat bemerkte sie eine große Traurigkeit in sich, die sie so nicht kannte. Es wurde immer schlimmer, bis sie endlich die Diagnose pränatale Depression und somit auch Hilfe bekam. In unserem Podcast „Ehrlich gesagt“ hat Linda unserem Host Nora ihre echte Geschichte erzählt – hört unbedingt rein!

Hier lest ihr einen Auszug aus dem Gespräch:

„Ich hatte irgendwie schon immer einen Kinderwunsch. Nie so ganz präsent und akut, sondern eher ,irgendwann“’– auf der anderen Seite sah ich mich aber auch nicht als alte Mutter.

Und dann vergeht die Zeit ratzfatz und dir fehlt der passende Mann. Dann ist er da, aber es gibt vielleicht noch körperliche Hindernisse, durch die es nicht so easy klappt – und so bin doch erst mit 37 Mama geworden. Für die Begriffe meines jüngeren Ichs ist das natürlich alt – aber jetzt finde ich es überhaupt nicht mehr schlimm.

Als ich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt, war es eine echte Überraschung.

Eine Ärztin hatte mir ein Medikament verschrieben und mich mehrmals mit Nachdruck gefragt, ob ich denn schwanger sei. Ich antwortete: ,Nein, auf keinen Fall!‘ Sie gab mir aber nochmal mit, dass es wirklich wichtig wäre, dass das sicher sei, wenn ich mir das Medikament holen würde.

Und dann stand ich in der Apotheke und wurde irgendwie unsicher. Menschen mit unregelmäßigem Zyklus werden das verstehen, dass man da irgendwann so eine Art Akzeptanz hat, dass es eben mal so, mal so sein kann. Ich kaufte also noch einen Schwangerschaftstest, um auf Nummer sicher zu gehen. Und der war dann tatsächlich positiv, als ich ihn zu Hause machte. Ich konnte das gar nicht glauben, habe mich aus dem Homeoffice nochmal kurz abgemeldet und habe mir noch zwei Tests besorgt. Und die waren auch beide positiv.

Mein Freund und ich hatten anders geplant, haben uns aber riesig gefreut.

Ich habe bereits zu Beginn der Schwangerschaft gemerkt, dass sich mein Körper verändert, also kleine Veränderungen. Das ist ja ganz subjektiv, wie man sich selbst spürt. Ich habe aber tatsächlich schon in den ersten Wochen gemerkt, dass meine Energie einfach weg ist. Viele der typischen Schwangerschaftsbeschwerden habe ich mitgenommen.

In Lindas Innerem sah es zu der Zeit nicht so glücklich aus, wie es auf diesem Foto wirkt.

In Lindas Innerem sah es zu der Zeit nicht so glücklich aus, wie es auf diesem Foto wirkt. Foto. privst

Und irgendwann habe ich dann auch gemerkt, mir geht es einfach gar nicht gut.

Ich bin ein sehr fröhlicher Mensch und eher immer der Typ ,Klassenclown‘, aber auf einmal war ich nur noch traurig. Das war so ungewohnt für mich, ein ganz neues Gefühl und einfach schwer. Es war anfangs schwer einzuschätzen, ob ich mich einfach nicht gut gefühlt habe wegen der Schwangerschaftsbeschwerden oder ob ich wirklich traurig war. Vielleicht ist der Übergang in so einer Situation auch fließend. Aber ich glaube, wenn irgendwann die Hoffnung schwindet auf Besserung und dann noch super dunkle Gedanken dazukommen, die einem die Lebenslust nehmen – dann ist das auf jeden Fall der Punkt, an dem man versuchen muss, Hilfe zu bekommen.

Das war bei mir schon so im zweiten Schwangerschaftsmonat der Fall. Und irgendwann schickten meine Freunde mir Sprachnachrichten, in denen sie mir sagten, dass ich mich gar nicht gut anhören würde. Meine Frauenärztin fragte bei einem Kontrolltermin: ,Und, kann ich sonst noch etwas für Sie tun?‘ und ich konnte das gar nicht richtig in Worte fassen. Ich konnte einfach nur sagen; ,Mir geht es nicht gut, ich bin nur noch traurig, ich will nicht mehr.` Und dann fing ich an zu weinen und mir wurde selbst bewusst, dass ich nicht in Ordnung war.

Und schließlich schickte meine Mutter mir einen Selbsttest von einer Depressions-Institution und da kam dann auch raus: Ja, okay, ich muss mir sofort Hilfe suchen.

Ich fragte mich nicht mal mehr, was mich eigentlich so traurig machte. Ich konnte gar nicht so sehr in mich reinhorchen. Es war alles nur noch dunkel. Ich habe morgens die Augen aufgemacht und die Last war da. Das Leiden. Ich habe einfach nur gedacht: ,Ich will nicht. Ich will nicht aufstehen, ich kann nicht aufstehen.‘  Das war ein ganz ohnmächtiges Gefühl. Man kennt sich selbst ja nicht so, das Umfeld kennt einen nicht so und man kann ja auch bei der Arbeit nicht mehr so performen. Rückblickend würde ich aber sagen, dass nicht jeder Tag ein schwarzer war. Es gab auch immer wieder gute Tage und vor allem, als ich in der Therapie war, war es ein Auf und Ab.

Mein Partner war eine tolle Unterstützung, er hat mir ganz viel abgenommen im Alltag, hat sich um mich gekümmert, gekocht, obwohl er selber gerade in seinem zweiten Bildungsweg ganz, ganz viel auf der Pfanne hatte.

Fürs Umfeld ist es auch ein Prozess, denn es fällt vielen schwer, zu akzeptieren oder zu begreifen, warum es gerade so ist wie es ist.

Es muss einfach ganz viel Aufklärung her, damit alle Menschen diese unsichtbaren Krankheiten zu begreifen!

Denn so habe ich mich manchmal richtig geschämt. Vor allem, weil mir meine Gynäkologin erst einmal gesagt hatte, dass es keine Depression in der Schwangerschaft geben würde, sondern nur danach – also die postnatale Depression. Sie sagte, ich müsse mich ein wenig zusammenreißen! Ich war ganz unten und konnte gar nicht mehr richtig für mich einstehen. Deswegen dachte ich erst recht: ,Okay, aber was ist denn das dann mit mir?‘ Es fiel mir noch viel schwerer, damit klarzukommen, weil mir meine Gefühle so abgesprochen wurden.

Wenn ich heute daran zurückdenke, bin ich immer noch fassungslos. Wie weh es getan hat, dass das von der Fachseite so abgetan wurde und vor allem bedeutete das ja auch, dass es sich total verzögerte, bis ich die passende Hilfe bekam. Ich hatte dann wirklich riesiges Glück, dass meine Hausärztin sofort den Notfallcode gezückt hat, mit dem man bevorzugt behandelt wird, ich dadurch sofort einen Termin in der Psychiatrie bekommen habe – und ja, es gibt dort sogar eine eigene Abteilung für Schwangere. Die haben mich gleich dabehalten, aus der Arbeit rausgenommen und ich bekam endlich die Hilfe, die ich brauchte.

Und das war eine gute Geschichte. Ich habe mich gegen Medikamente entschieden, weil sowohl ich selbst als auch die Experten von außen hatten jetzt zum Beispiel keine Suizidgefahr bei mir gesehen. Aber soweit ich informiert bin, gibt es dort auch eben ein, zwei Medikamente, die man theoretisch auch gut nehmen kann.

Und tatsächlich ging es mir zum Ende der Schwangerschaft hin immer besser. Die Ärzte erklärten mir, dass es mir wohl durch mehrere Faktoren so schlecht ergangen war: Ich habe das polyzystisches Ovarialsyndrom, das für eine hormonelle Dysbalance sorgte, die durch die Schwangerschaft nochmal durcheinandergewürfelt wurde, und dann war auch noch Winter und zudem die Pandemie in vollem Gange. So die Vermutung. Das ist meine Geschichte, aber das ist total individuell, deswegen kann man es auch überhaupt nicht pauschalisieren.

Jeder hat seine eigene Geschichte und jeder fühlt das anders und es gibt wahrscheinlich sehr, sehr viele Gründe, wie eine pränatale Depression entstehen kann und alle sind wahr und echt und sollten gesehen werden.

Ich habe mir in dieser Zeit übrigens sehr viele Sorgen um mein Baby gemacht!  Man ist so verbunden und ich habe gedacht, dass sie diese tiefe Traurigkeit doch in irgendeiner Form mitbekommen muss. Ich bin jetzt aber sehr glücklich, denn ich kann mir kein fröhlicheres Kind vorstellen.

Aber nochmal zurück, es ging mir gegen Ende der Schwangerschaft schon besser. Und dann kam die Geburt, die war ein ungeplanter Kaiserschnitt und gar nicht so easy – aber trotzdem ging es mir danach direkt noch einmal deutlich besser. Alles wurde wieder klarer, die Sonne schien und meine Tochter war da, alles war an ihr dran und sie war gesund. Ab da wurde es einfach immer nur besser.

Trotzdem wurde ich im Mutterschutz auch noch weiter psychologisch begleitet und ein Jahr später gab es auch nochmal ein finales Abschlussgespräch mit der Psychologin, bei dem die Kleine auch dabei war. Das war eine runde Sache. Und jetzt im Alltag habe ich auch keine Angst mehr davor, dass es mir wieder so schlecht gehen könnte.

Aber ich würde mir wirklich vor diesem Hintergrund noch einmal gut überlegen, schwanger zu werden. Ich habe natürlich mehr Wissen und könnte anders agieren, aber trotzdem sind diese Gefühle nichts, was ich nochmal freiwillig erleben möchte oder auch meinem Partner aufbürden.

Heute möchte ich werdende Mamas, die merken, dass sie und ihre Gedanken sich ändern, auf jeden Fall ermutigen, etwas zu sagen, Hilfe einzufordern, sie sich selbst zu holen, oder, wenn sie das schon nicht mehr schaffen, ihre Nächsten zu bitten, sie dabei zu unterstützen.“

Mehr über Linda erfahrt ihr auf ihrem Instagram-Account @wyldkraut oder in unserer Podcast-Folge.

Liebe Linda, vielen Dank, dass du uns deine Geschichte erzählt hast!

Du leidest ebenfalls unter einer pränatalen Depression? In unserem Artikel „Schwangerschaftsdepression: Das kann dir helfen“ findest du viele Infos und Hinweise, an wen du dich wenden kannst.

Übrigens: Du kannst dich anonym an die Deutsche Depressionshilfe wenden. Dort stehen dir immer Menschen zur Verfügung, mit denen du telefonieren, chatten oder in dich in Foren unterhalten kannst. Du erreichst die Hilfe telefonisch unter 0800 / 33 44 533 oder über die Website https://www.deutsche-depressionshilfe.de/start

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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