Schreistunden: So hilfst du deinem Baby, wenn es jeden Abend weint

Ach, was hatte ich mir das Wochenbett schön vorgestellt: Ich dachte, wir würden uns mit unserem Neugeborenen Zuhause einkuscheln, lange Spaziergänge mit dem Kinderwagen unternehmen und unser Baby abends sanft in den Schlaf wiegen. Von abendlichen Schreistunden hatte ich bis dahin noch nie etwas gehört…

Schreistunden: Jasper schrie abends mehrere Stunden am Stück

Schon einige Tage, nachdem wir mit Bruno aus dem Krankenhaus entlassen wurden, ging es los: Am späten Nachmittag oder frühen Abend fing er an zu schreien – und hörte einfach nicht mehr auf. Wir versuchten alles, um ihn zu beruhigen.

Trugen ihn im Tragetuch durch die Wohnung. Ließen „weißes Rauschen“ auf dem Handy laufen (der Klang erinnert Babys an die Geräusche im Mutterleib und wirkt daher beruhigend). Versuchten es mit homöopathischen Kügelchen und Bauchweh-Tropfen. Doch es wurde nicht besser. Wir waren verzweifelt und machten uns große Sorgen. Was war nur mit dem Kleinen los, ging es ihm nicht gut, war er etwa krank?

Schreistunden: Papa küsst Babys Blähungen weg

Wir überlegten: Waren Bauchweh der Grund für die Schreistunden? Symbolbild. Foto: Bigstock

Dreimonatskoliken: Mehr als nur Bauchweh

Im Netz stieß ich auf den Begriff „Dreimonatskoliken“. Betroffene Babys weinen in den Abendstunden heftig und häufig mehrere Stunden am Stück. Früher ging man davon aus, dass der Grund dafür Bauchweh ist. Heute weiß man, dass das nur auf ungefähr fünf Prozent der Babys zutrifft. Bei allen anderen ist ein aufgeblähter und harter Bauch eine Folge des vielen Schreiens, da sie dabei Luft schlucken.

Was die eigentliche Ursache für das unstillbare Weinen ist, ist immer noch nicht eindeutig geklärt. Experten vermuten, dass es sich um eine Mischung aus Überreizung, Problemen mit der Selbstregulation und Müdigkeit handelt. Die Babys haben zum Beispiel Schwierigkeiten, tagsüber in den Schlaf zu finden, und sind daher abends übermüdet.

Das Baby muss erst noch in der Welt ankommen

Es gibt außerdem den schönen Begriff „Gebärmutterheimweh“: Viele Babys sehnen sich in den ersten Wochen in Mamas Bauch zurück. Und wenn man mal überlegt, ist das auch ziemlich verständlich.

Stell dir vor, du bist an einem Ort, an dem dir immer warm ist und du nie Hunger oder Schmerzen leiden musst. Du wirst sanft geschaukelt und Geräusche und Worte dringen nur gedämpft an dein Ohr. Und dann wirst du plötzlich in die laute, grelle Welt befördert, spürst zum ersten Mal Kälte und Hunger. Für mich war das eine plausible Erklärung für Jaspers Tränen.

Den Kummer zulassen: Dein Baby weint sich bei dir aus

In der Regel verschwinden die abendlichen Schreistunden nach dem dritten Lebensmonat wieder. Immerhin, wir konnten also hoffen… Allerdings gab es bis dahin noch einige Wochen zu überstehen. Was also tun? Für Eltern gibt es wohl kaum etwas Schlimmeres, als das Baby so sehr leiden zu sehen. Trotzdem ist es der falsche Weg, das Schreien um jeden Preis „abschalten“ zu wollen.

Denn was machen wir selbst, wenn wir uns unwohl fühlen, traurig oder gestresst sind? Richtig – wir weinen uns bei vertrauten Menschen aus. Das tut gut und baut Stress ab. Dabei wünschen wir uns ein offenes Ohr und aufmunternde Worte, keine Versuche, unseren Gefühlsausbruch zu unterbinden. Du bist die erste und wichtigste Vertrauensperson für dein Baby. Es vertraut dir in diesem Moment seine Sorgen und Nöte an. Hör ihm zu, sei sein sicherer Hafen.

So haben wir die abendlichen Schreistunden überstanden

Von da an hielten wir Bruno jeden Abend im Arm und ließen das Weinen zu. Bitte nicht falsch verstehen: Hier geht es auf gar keinen Fall darum, das Baby schreien zu lassen. „Schreien lassen“ und „schreien dürfen“ ist ein großer Unterschied. Es ist extrem wichtig, das Baby in diesen schweren Stunden zu begleiten. Mit ihm zu sprechen, mit dem ganzen Körper Verständnis und Trost auszudrücken und ihm immer wieder zu sagen: Ich bin für dich da.

Zudem sollte jedes Baby, das unter Dreimonatskoliken leidet, natürlich ärztlich gründlich durchgecheckt werden. Verdauungsstörungen oder Blockaden müssen als Grund für das Schreien ausgeschlossen werden. Wir waren mit Bruno beim Kinderarzt und beim Osteopathen, beide konnten nichts feststellen. Außerdem kann man versuchen, tagsüber einen regelmäßigen Schlafrhythmus einzuhalten, damit das Baby abends nicht so übermüdet ist.

Nach drei Monaten hatten wir es überstanden

Tatsächlich hörte das abendliche Schreien nach ein paar Wochen von alleine auf. Es war eine harte Zeit, die uns als Eltern oft an unsere Grenzen gebracht hat. Doch wir haben sie gemeinsam als Familie durchgestanden, und darauf bin ich stolz.

Corinna Siemokat
Ich arbeite seit über zehn Jahren als Journalistin. Studiert habe ich Modejournalismus/Medienkommunikation, schreibe mittlerweile aber viel lieber über Frauen- und Familienthemen als über Fashion. Ganz besonders am Herzen liegt mir das Thema Vereinbarkeit. Dafür setze ich mich auch in meinem Job als Office Managerin bei Coworking Toddler (Kinderbetreuung + Coworking Space) ein. Ich lebe mit meinen zwei Söhnen (6 und 2 1/2 Jahre alt) in Berlin. Mit zwei kleinen Jungs Zuhause ist es oft wild und turbulent (die Autonomiephase bei K2 lässt grüßen…). Eine prima Inspirationsquelle für meine Artikel bei Echte Mamas! Wenn zwischen Spielplatz, Sporthalle und anderen spannenden Aktivitäten mit den Kids noch Zeit bleibt, gehe ich gerne joggen, zum Yoga oder entspanne in der Badewanne.

Alle Artikel

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Neueste
Älteste Beliebteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
trackback
„Mein Baby schreit die Brust an!“ Mein schwerer Start beim Stillen
4 Jahre zuvor

[…] abends artete es aus. Bruno war in den Abendstunden generell unruhig und weinte viel („Schreistunden“). Er wollte in dieser Phase sehr häufig und in kurzen Abständen gestillt werden. Das Phänomen […]