Endlich richtig glücklich: Die 3 Outings einer Regenbogen-Familie

Ein Outing ist für alle Betroffenen ein Schritt, der sehr viel Mut erfordert. Denn auch wenn lesbische, schwule oder transexuelle Menschen es heute sehr viel leichter haben als früher, gibt es immer noch (zu) viele Vorurteile. Umso erstaunlicher, dass sich in dieser Familie gleich drei Personen getraut haben, mit ihrer sexuellen Orientierung an die Öffentlichkeit zu gehen!

Eine „ganz normale“ Familie? Nach herkömmlicher Ansicht nur fast!

Schaut man sich Familienfotos auf den Instagram-Accounts von Jennifer Barret (37) und ihrer Ehefrau Sarah (38) aus Arziona (USA) an, sieht man ein glückliches, lesbisches Paar mit zwei Kindern. Was die beiden alles durchgemacht haben – und welche Hürden sie auf dem Weg zur glücklichen Familie überwinden mussten – wird erst offensichtlich, wenn man sich ältere Bilder der beiden ansieht.

Denn bei ihrem Kennenlernen vor 15 Jahren war Jenni noch eine heterosexuelle Frau – und Sarah ein Mann!

Alles begann zunächst wie eine „klassische“ Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau.

Als sich Jennifer und Sarah (damals noch „Sean“) zum ersten Mal auf einer Party im College trafen, steckten beide mitten in der Ausbildung zur Lehrkraft. Zunächst war Jenni noch in einer Beziehung. Als diese zerbrach, begannen sie drei Jahre nach ihrem ersten Treffen damit, sich zu verabreden, verliebten sich und waren von da an unzertrennlich.

Bald darauf machte Sarah ihrer großen Liebe Jenni einen Heiratsantrag. Die sagte Ja. Im September 2004 zog das Pärchen dann zusammen und heiratete im darauffolgenden Jahr. Es folgten zwei Kinder: Morgan (heute 13) und Toby (heute 11). So weit, so „normal“.

Doch das Familienglück des Paares war nur scheinbar perfekt.

Die beiden hatten große Geheimnisse voreinander: Sie verschwiegen sich gegenseitig ihre wahre sexuelle und geschlechtliche Identität. Sarah fühlte sich tief in ihrem Innern als Frau. Und Jenni war eigentlich lesbisch. Zugeben wollten die beiden das aber nicht – zu groß war die Angst, die Familie für immer zu zerstören.

Eines Tages fand Jennifer dann durch Zufall heraus, dass Sarah gerne heimlich Frauenkleider trug. Schon als kleiner Junge hatte Sarah gerne den Bikini ihrer Mutter und die Kleider ihrer Schwestern angezogen. Später im College unterdrückte sie diese Neigung. Doch das Verlangen, eine Frau zu sein, wurde immer stärker.

Sarah trug heimlich einen BH unter der Kleidung.

Sie begann, im Bett einen Frauen-Seidenpyjama zu tragen und trug Frauenunterwäsche. Nach und nach kaufte sie einen ganzen Kleiderschrank voller Frauenklamotten, angeblich für Jennifer. Die schöpfte allerdings Verdacht: „Die Kleider passten teilweise überhaupt nicht zu mir und meinem Stil. Außerdem hatte ich einige der Kleidungsstücke, die ich schmutzig in der Wäsche fand, nicht selbst getragen.“

Sie sprach ihre Frau allerdings nicht darauf an: „Ich bemerkte, dass etwas vor sich ging, aber es tat niemandem weh – daher sagte ich nichts“, so Jenni. Beide schwiegen das Thema tot. Als „Überlebensstrategie“, erklärt Jenni. Es wäre einfach zu schmerzhaft gewesen.

Doch irgendwann wollte Sarah sich nicht mehr länger verstecken.

Im Jahr 2012 begann Sarah damit, während ihrer Online-Schulkurse im Internet Frauenkleidung zu tragen. Da nur ihr Kopf zu sehen war, bekamen die Schüler davon nichts mit. Sie glaubte, auch Jenni würde von der ganzen Sache nichts bemerken. Sie stellte sich einen Alarm auf dem Handy ein, bevor Jenni nach Hause kam, und zog sich schnell um.

Doch Jenni durchschaute Sarah: „Ich ahnte, dass sie trans ist, hatte jedoch Angst, es anzusprechen“, so Jenni. Sie tat sich sehr schwer mit der Situation und war traurig über den langsamen Verlust ihres Ehemannes. Sie spürte, dass Sarah sich immer mehr vor ihr zurückzog und nach einiger Zeit sogar depressiv wurde.

Dann kam der Moment, der alles für immer veränderte:

Sarah traute sich nach vielen Jahren des Schweigens, ihr Geheimnis mit Jenni zu teilen. Sie konnte es einfach nicht mehr länger ertragen, ihre Seelenverwandte anzulügen. Jenni erinnert sich: „Eines Abends dreht sich Sarah im Bett zu mir und sagte: ,Ich muss mit dir reden – ich glaube, ich bin trans’.“

Statt geschockt zu sein oder auszuflippen, wie es sicherlich viele andere Frauen getan hätten, reagierte Jenni verständnisvoll. Und überraschte Sarah ihrerseits mit einem Geständnis. „Mir war plötzlich klar, warum ich mich immer so stark zu ihr hingezogen fühlte: Es lag einfach daran, wer sie im Innern war – nämlich eine Frau. Ich drehte mich zu ihr um und sagte: ,Das ist okay – ich glaube, ich bin lesbisch’.“

Sarah beschloss, sich komplett zur Frau umwandeln zu lassen.

Im Mai 2017 begann Sarahs Verwandlung. Ein teilweise schmerzhafter Prozess. Sie musste sich einer Brustvergrößerung unterziehen und Hormontherapien. In diesem Jahr sollte eigentlich eine weitere Operation zur Angleichung des Geschlechts stattfinden. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde diese nun auf das nächste Jahr verschoben.

Vor der Umwandlung sprachen die beiden Frauen selbstverständlich mit ihren Söhnen über das Thema. „Wir erklärten ihnen, dass sie bald zwei Mamas haben würden. Die Jungs nahmen es überraschend gut auf. Kinder verkomplizieren die Dinge nicht“, so Jenni.

Sarah outete sich offiziell – und ihr ältester Sohn gleich mit!

2017 wagte Sarah ihr offzielles Coming Out – auf Facebook. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Derart bestärkt, traute sich auch ihr älterer Sohn Morgan ein Jahr später, sich öffentlich zu outen.

Schon 2016 hatte Morgan seinen beiden Mamas anvertraut, dass er schwul ist. Für die Mütter keine große Überraschung: Wir haben das vermutetet, seit er zwei Jahre alt war“, so Jenni. Morgan war auch der Auslöser dafür, dass Sarah sich überhaupt traute, endlich auch öffentlich zu ihrer Sexualität zu stehen: „Ich dachte mir: Wie sollen wir Morgan beibringen, ehrlich mit seiner Sexualität zu sein, wenn ich es selbst nicht bin?“

Heute ist das ungewöhnliche Paar glücklicher denn je.

„Seit sich Sarah geoutet hat, sind wir uns näher als je zuvor, und das in jeder Hinsicht“, so Jennifer. „Es ist fantastisch zu wissen, dass Jenni und unsere Jungs mich auf diesem langen Weg zur Frau unterstützen werden“, freut sich Sarah. Die Söhne haben die Identitäten ihrer Mütter inzwischen voll und ganz akzeptiert.

Mit ihrer Geschichte möchte die Familie nun vielen anderen, die in einer ähnlichen Situation sind, Mut machen. Jenni, Sarah und ihre Söhne sind der lebende Beweis: Wahre Liebe überwindet einfach alles. Und auch wenn sich viel verändert, Familie bleibt für immer Familie!

Corinna Siemokat
Ich bin zweifache Jungs-Mama und Journalistin aus Leidenschaft und freue mich sehr, hier bei Echte Mamas Beruf & Berufung miteinander verbinden zu können. Am liebsten schreibe ich über Frauen- und Familienthemen & Vereinbarkeit. Mit meinem Mann und unseren Söhnen lebe ich in Berlin. Wenn zwischen Spielplatz, Sporthalle und anderen spannenden Aktivitäten mit den Kids noch Zeit bleibt, gehe ich gerne joggen, zum Yoga oder entspanne in der Badewanne.

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