Politik in England: Mama musste ihr Wunschkind aus Geldnot abtreiben

Ein Wunschkind abtreiben aus finanziellen Gründen? Allein der Gedanke daran macht einen traurig und nachdenklich: Welche Umstände können eine werdende Mama zu einer so traumatischen Entscheidung zwingen?

In England wurde jetzt solch ein Fall bekannt. Mary (Name von der Redaktion geändert) hat mit ihrem Partner bereits zwei Söhne (4 und 5 Jahre alt).

Sie bekommt den „Universal Credit“. Diese soziale Unterstützung des Staates deckt mehrere Zahlungen ab, unter anderem auch das Kindergeld. Durch eine posttraumatische Belastungsstörung war sie nicht länger in der Lage zu arbeiten.

Ihr Partner ist auf der Suche nach Arbeit – aber es ist schwer. Aktuell macht er eine Ausbildung zum Personal Trainer, um Geld für seine Familie zu verdienen.

Ein weiteres Baby war bisher nicht wirklich geplant – aber sie verhüteten auch nicht.  Als das Paar dann von der dritten Schwangerschaft Marys erfuhr, war die Freude groß! „Wir hatten schon nach der Geburt unseres jüngeren Sohnes darüber gesprochen, wie sehr wir uns über ein drittes Kind freuen würden.“

Mary wusste, dass das Geld knapp werden würde – aber mit der Unterstützung des Staates und dem Gehalt, dass ihr Partner schon bald verdienen würde, würden sie es schaffen. Sie freute sich, als sie die ersten Bewegungen des Kindes spürte und begann, voller Vorfreude, kleine Dinge für das neue Baby zu kaufen.

Das Geld war knapp – aber die ersten Dinge fürs Baby mussten trotzdem besorgt werden. Foto: Bigstock

Doch dann kam die Nachricht, die alles veränderte.

„Ich war im vierten Monat und plante, was wir noch für unser Baby brauchen würden. Eine Freundin erzählte mir dann, dass es für Kinder, die nach 2017 geboren werden, kein extra Geld vom Staat mehr geben würde.“

Mary dachte, dass das unmöglich wahr sein könne.

War es aber. Und Mary und ihr Partner waren gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, an die sie vorher nicht einmal gedacht hatten. „Unser Geld reicht jetzt gerade mal so zum Überleben“, sagt sie.

Ich wusste, dass wir das weder unseren bereits geborenen noch dem ungeborenen Kind antun konnten. Erst dachten wir noch, wir bekommen das finanziell hin. Aber selbst, wenn wir beide einen Job bekommen würden, würden wir kaum überleben können.“

So sah Mary dem Alptraum ins Auge und sagte den nächsten Kontrolltermin beim Frauenarzt sowie ihrer Hebamme ab.

Nach vier Monaten Schwangerschaft brauchte sie stattdessen eine Vollnarkose und eine Operation – sie ließ das Kind abtreiben.

Sie weinte bei jedem Termin, der sich um die Abtreibung drehte – und sie wachte weinend nach der Operation auf.

Ich denke, ich werde mir das niemals vergeben. Ich hätte diese Abtreibung irgendwie verhindern sollen. Mein Partner war ebenfalls am Boden zerstört, aber er riss sich sehr zusammen, weil ich schon so aufgebracht war.“

Selbst, als es an sich schon beschlossene Sache war, dass Mary ihr Baby abtreiben lassen würde, überlegte die beiden jeden Tag fieberhaft, ob sie es nicht doch irgendwie hinbekommen würden. „Sogar an dem Tag der Abtreibung meinte mein Partner noch:, Sind wir sicher, dass wir abtreiben lassen? Es muss doch einen Weg geben, wie wir es behalten können!`

Mary fühlt sich schuldig, schämt sich und ist wütend: „Die Regierung gibt nichts auf Kinder oder meine Familie – ich wurde bestraft, weil ich arm geboren wurde.

Ich habe zwei Söhne – eine Chance auf eine Tochter wurde mir verwehrt, da wir nicht in völliger Armut leben wollten.

Ich bin angewidert von der Regierung. Eine Grenze von zwei Kindern ist doch krank und ekelhaft.

Die rechtliche Grundlage in Großbritannien.

Natürlich spielen finanzielle Überlegungen immer eine Rolle, wenn ein Paar seinen Nachwuchs „plant“. Die Zwei-Kinder-Grenze des „Universal Credits“ wird in diesem Zusammenhang aber besonders scharf kritisiert, weil es die grundlegende finanzielle Sicherheit für ein drittes (viertes etc. Kind) einfach komplett wegnimmt.

Begründet wird diese Grenze von den Verantwortlichen so, dass das britische Sozialleistungsgesetz Gerechtigkeit zwischen denjenigen, die ins Sozialsystem einzahlen und ihre Kinder selbst finanzieren, und den Empfängern der Unterstützung schaffen will.

In Marys Fall aber bedeutete dieses Gesetz das Platzen eines Traumes und eine Trauer, die für immer bleiben wird.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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