Es gibt Themen, die unglaublich wichtig sind, und die wir trotzdem am liebsten verdrängen würden. Eines davon ist das Thema Organspende. Denn es bedeutet zwangsläufig, sich mit dem eigenen Tod auseinander zu setzen. Trotzdem ist es unglaublich wichtig, für sich selbst eine Entscheidung zu treffen – wie auch die Echte Geschichte von Theresa zeigt, deren Sohn mit einer starken Schädigung seiner Nieren zur Welt kam, und irgendwann auf eine Organspende angewiesen sein wird:
„Nach einer Eileiter-Schwangerschaft, bei der mir ein Eileiter entfernt werden musste, bin ich im Januar 2021 nach längerer Zeit des Kinderwunsches erneut schwanger geworden. Die Freude war natürlich riesig! Alles war super und unproblematisch bis zum letzten großen Ultraschall in der 31. Woche, bei dem meine Frauenärztin mir verkündete:
‚Ihr Baby hat vergrößerte Nieren.‘
Der Satz liegt mir in den Ohren, als wäre es erst gestern gewesen. Denn er hat unser Leben nachhaltig verändert und tut es bis heute. Mein Herz fing an zu klopfen. Geschockt fragten wir meine Frauenärztin, was das zu bedeuten hätte. Sie antwortete, dass es sein könne, dass unser Sohn nach der Geburt operiert werden müsse. Oft würde es sich zwar wieder verwachsen, aber es müsse in der Feindiagnostik abgeklärt werden.
Unter Tränen habe ich die Praxis verlassen.
Niemals hätten wir in so einem späten Stadium der Schwangerschaft mit so einer Diagnose gerechnet, nachdem vorher immer alles in Ordnung war.
In der gleichen Woche haben wir einen Termin in der Pränataldiagnostik bekommen, wo uns zunächst zwei Optionen genannt wurden:
Option 1: Das Baby wird sofort geholt.
Option 2: Dem Baby wird durch den Mutterleib ein sogenannter Shunt in die Niere und Blase gelegt, damit der Urin abfließen kann.
Zur Klärung wurden wir an eine spezialisierte Uniklinik überwiesen. Dort folgte sehr zeitnah ein Termin in der Pränataldiagnostik mit dem leitenden Direktor der Abteilung.
Ich weiß noch genau, wie wir nach dem Ultraschall dort saßen und voller Angst auf seine Diagnose gewartet haben.
Er eröffnete uns relativ nüchtern, dass der Gesundheitszustand unseres Babys bei der Geburt unklar sei, die Nieren schlecht aussähen, man von einer großen Schädigung ausgehen könne, und es möglich sein könne, dass der Kleine nach der Geburt sofort an die Dialyse müsse.
Die Worte haben uns den Boden unter den Füßen weggerissen.
Ich war wie paralysiert und konnte nur noch weinen.Doch es ging noch weiter: Die Lungen könnten durch das wenige Fruchtwasser möglicherweise nicht genug ausgereift sein. Sogar die Möglichkeit eines späten Schwangerschaftsabbruchs wurde uns „angeboten“.
Ich weiß noch, wie ich da saß und nur dachte, das darf nicht wahr sein, das passiert hier gerade nicht wirklich, das ist nur ein Alptraum. Ich konnte einfach nicht glauben, dass uns gerade so eine niederschmetternde Diagnose traf.
Das war die schlimmste Zeit unseres Lebens.
Nie zuvor in meinem Leben habe ich so eine Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung gefühlt.
Nach dem Termin sind mein Mann und ich nach Hause gefahren und konnten nur noch weinen. Wir haben uns dann entschieden, eine Fruchtwasser-Auffüllung durchzuführen, damit der Kleine sich weiter entwickeln kann und bessere Chancen bei der Geburt hat. Dazu wurde mir über eine Kanüle in der Bauchdecke eine fruchtwasserähnliche Lösung in die Gebärmutter gespritzt. Es folgten engmaschige Kontrollen in der Pränataldiagnostik, und man konnte stetig dabei zuschauen, wie das Fruchtwasser immer weniger wurde.
Die Geburt musste dann aufgrund des fehlenden Fruchtwassers in der 40. Schwangerschaftswoche eingeleitet werden.
Von montags bis donnerstags lag ich in den Wehen mit ständigen Wehenstürmen, bis es aufgrund eines Geburtsstillstands die Entscheidung für einen Kaiserschnitt fiel.
Als wäre nicht alles schon genug gewesen, war der Kaiserschnitt sehr traumatisch.
Unser Sohn war mit seinem Kopf so im Becken eingeklemmt, dass der Oberarzt ihn nicht aus meiner Gebärmutter herausbekam. Alles wurde hektisch um mich herum, und ich hörte nur, wie der Oberarzt „‘Scheiße, scheiße‘ rief und nach der leitenden Ärztin und Blutkonserven verlangte.
Mein Körper wurde mit solch einer Gewalt über den OP-Tisch gezogen, dass sich das Gefühl für immer bei mir eingebrannt hat.
Ich habe mich in dem Moment nicht wie eine Mutter gefühlt, die gerade ihr Baby zur Welt bringt. Wie eine Maschine habe ich dort gelegen und musste das über mich ergehen lassen. Es war einfach schrecklich! Schließlich hat der Arzt es unter Einsatz einer Geburtszange geschafft, den Kleinen zu holen.
Ich hörte nur den Schrei, dann haben die Ärzte meinen Sohn direkt weggebracht.
Ich konnte ihn nicht einmal anschauen. Als ich noch auf dem OP-Tisch lag und versorgt wurde, kam der operierende Oberarzt zu uns und entschuldigte sich dafür, was passiert ist. In 13 Jahren, in denen er schon Kaiserschnitte durchführt, hat er so eine Situation nur zwei Mal erlebt.
Später erfuhr ich, dass meine Gebärmutter aufgrund der Komplikationen weiter geöffnet werden musste als normalerweise üblich. Damit wurde mir die Möglichkeit genommen, weitere Kinder auf natürlichem Wege auf die Welt zu bringen. Eine Konsequenz, die ich erst später so richtig verstanden und realisiert habe.
Unser Sohn wurde morgens um halb 9 geboren und abends um halb 8 konnten wir ihn das erste Mal auf der Intensivstation besuchen.
Es war so furchtbar, nicht zu wissen, was mit ihm ist, und dass einem sein eigenes Baby so brutal entrissen wurde. Als ich ihn das erste Mal sehen durfte, und er mir auf die Brust gelegt wurde, konnte ich nicht viel empfinden außer Angst. Die Glücksgefühle, die sich nach einer Geburt einstellen sollten, waren nicht da.
Das bricht mir immer noch das Herz.
Zum Glück war er direkt stabil, und die Prognosen der Dialyse und nicht ausgereiften Lungen haben sich nicht bestätigt.
Die Nierenwerte zeigten eine Nierenschädigung, aber nicht so dramatisch, dass man direkt an Dialyse denken musste.
Es stellte sich dann allerdings heraus, dass er bei der Geburt einen Schädelbruch erlitten hat. Wir mussten das über einen gewissen Zeitraum in der Neurologie kontrollieren lassen, Gott sei Dank hat es sich verwachsen. Nur eine kleine knöcherne Erhebung erinnert uns daran, die man nur sieht, wenn man es weiß.
In den ersten Lebenstagen hat unser Sohn dann einen Blasenkatheter über die Bauchdecke gelegt bekommen, um die Nieren zu schützen.
Dieser hat uns bis zu seinem 3. Lebensmonat begleitet, ab dann hat er ein dauerhaftes Blasenstoma bekommen, das er auch heute noch hat.
Ich wurde nach drei Tagen aus der Uniklinik entlassen, und unser Sohn musste noch dort bleiben. Es hat uns das Herz gebrochen. Ich erinnere mich noch genau daran, wie leer ich mich auf dem Weg nach Hause gefühlt habe.
Noch nie in meinem Leben habe ich so eine Traurigkeit gefühlt, ich konnte nur noch weinen.
Glücklicherweise durften wir ihn nach einer Woche mit nach Hause nehmen, mussten aber alle zwei Tage in die Kindernephrologie zur Kontrolle seiner Blutwerte.
Ich hatte überhaupt keine Gelegenheit, mich nach der OP in irgendeiner Form um mich zu kümmern. Stattdessen musste ich mich wenige Tage nach dem Kaiserschnitt mit frischer Narbe alle zwei Tage für 90 Minuten ins Auto setzen. Es war eine sehr kräftezehrende Zeit.
Unser Sohn ist mittlerweile ein ganz normal entwickelter 3,5-jähriger Junge, ein Sonnenschein in jeder Lebenslage.
Er lebt ganz normal, bis auf die Tatsache, dass er einige Medikamente für seine Nieren bekommt, nicht zu viel Eiweiß zu sich nehmen darf und zusätzlich das Blasenstoma hat. Das heißt, er ist auf eine Windel angewiesen, da der Urin über ein Loch unterhalb des Bauchnabels in seine Windel läuft.
Alle drei bis vier Monate müssen seine Nierenwerte kontrolliert werden.
Was wir wissen: Irgendwann wird er eine Nierenspende benötigen.
Denn seine Nieren sind so stark geschädigt, dass sie nicht sein Leben lang ausreichend funktionieren werden. Wann das sein wird, kann uns niemand sagen. Ob ein Jahr, fünf Jahre oder 20 Jahre – wir wissen es nicht. Eine Ungewissheit, mit der wir leben müssen.
Wir sind aber sehr dankbar, dass seine Nierenwerte seit der Geburt stabil sind.
Trotzdem ist es natürlich so, dass wir vor jedem Kontrolltermin bangen, aus Angst, dass sich die Werte verschlechtert haben könnten. Manchmal fällt es mir schwer, mit den Gefühlen und der Ungewissheit umzugehen. Aber dann schaue ich meinen Sohn an und weiß, für ihn ertrage und tue ich alles.
Ich habe mir oft die Frage nach einem „Warum“ gestellt.
Mittlerweile weiß ich, darauf gibt es keine Antwort. Wir haben ein ganz besonderes Kind geschenkt bekommen, und er wird für immer unser ganz besonderer Löwenjunge bleiben.
Eine Freundin meinte mal zu mir in der Zeit nach der Diagnose, als ich noch schwanger war: ‚Ich kenne niemanden, der so ein großes Herz hat wie du, du schaffst das‘ – und ich glaube, das lässt mich auch in schwierigen Situationen weitermachen.
Ich wünsche mir nichts mehr, als dass er so lange wie möglich mit möglichst wenigen Einschränkungen ein normales Leben führen und noch ganz lange das glückliche, fröhliche und sorgenlose Kind sein kann, das er ist.
Die Ereignisse haben mich als Mensch und meinen Blick auf das Leben verändert.
Ich weiß, egal wie schwierig das Leben werden kann, irgendwie schafft man alles. Man sagt nicht umsonst ‚Mamas haben Superpower‘ – für unsere Kinder ertragen und schaffen wir alles.
Ich würde mir wünschen, dass wir alle anderen Menschen mit ein bisschen mehr Rücksicht und Vorsicht begegnen und nicht sofort urteilen. Denn man kennt nie die Pakete, die ein einzelner zu tragen hat.
Die Diagnose meines Sohnes hat mich auch dazu gebracht, mich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen.
Leider ist es so, dass man sich mit solchen doch sehr wichtigen Themen erst dann beschäftigt, wenn man selbst in irgendeiner Form betroffen ist. Insgesamt gehe ich mit einem größeren Bewusstsein für solch sensible Themen durch die Welt. Das habe ich meinem Sohn zu verdanken.
Trotz unserer Geschichte haben wir uns für ein zweites Kind entschieden und mittlerweile habe ich noch einen gesunden Sohn zur Welt gebracht. Das Geburtserlebnis hat mich – zumindest was die Geburt angeht – zu Teilen geheilt, wenn auch nicht ganz, der Schmerz wird immer bleiben.
Die beiden gemeinsam aufwachsen zu sehen, ist das schönste Geschenk, was es gibt. Und ich würde es für nichts in der Welt jemals eintauschen wollen.“
Vielen Dank, liebe Theresa, dass du eure bewegende Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen euch von Herzen alles Gute!
Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.
Das Thema Organspende ist einfach so wichtig!
So wie Theresas kleiner Sohn irgendwann auf eine neue Niere angewiesen sein wird, warten in Deutschland viele Menschen auf eine Organspende, die ihr Leben rettet. Laut der „Deutschen Stiftung Organtransplantation“ standen im Jahr 2024 bundesweit 8.260 Menschen auf der Warteliste. Gleichzeitig haben 953 Menschen in Deutschland ihre Organe für Transplantationen gespendet.
Ich weiß, es ist für viele von uns ein schwieriges Thema, das wir gern ausblenden oder zumindest ganz weit weg schieben. Dabei ist es so wichtig!
Deshalb findet jeden ersten Samstag im Juni der „Tag der Organspende“ statt.
Er soll auf das Thema aufmerksam machen und uns alle dafür sensibilisieren. Aber keine Sorge: Es geht dabei nicht darum, jemanden zu etwas zu überreden. Wichtig ist, dass wir alle uns einmal mit dem Thema beschäftigen und eine bewusste Entscheidung treffen – für oder gegen eine Organspende. Wenn ihr euch sicher seid, was ihr für euch möchtet oder nicht möchtet, solltet ihr das am besten einmal schriftlich festhalten. Dafür gibt es auf jedem Organspendeausweis die Möglichkeit, seine Entscheidung für oder gegen eine Spende zu dokumentieren.
Alle wichtigen Infos und Antworten zum Thema findet ihr zum Beispiel auf organspende-info.de. Dort könnt ihr auch einen Organspendeausweis online ausfüllen oder kostenfrei zuschicken lassen.
Wie ist es denn bei euch: Habt ihr euch auch schon mal damit beschäftigt? Habt ihr vielleicht sogar einen Organspendeausweis? Oder ist das Thema für euch komplett neu?