Mein Freund ist schwarz – und er spürt den Rassismus in den USA jeden Tag!

Das Video vom Tod des Afroamerikaners George Floyd hat uns alle sehr schockiert. Doch schon vorher gab es diese Polizeigewalt gegen schwarze Menschen – in Deutschland und auch in den USA. Dort werden die Proteste immer heftiger. Wir haben mit der Echten Mama Naomi gesprochen. Sie hat uns mit ihrem Beitrag über ihren schwarzen Freund, der für ihren Sohn ein toller Ersatzvater ist, sehr berührt.

Naomi schreibt hier:

Ich möchte euch erzählen, wie es hier, in Ohio (USA), wo ich wohne, wirklich ist. Mein Freund ist schwarz. Schon als er ein Kind war, hat die italienische und libanesische Seite seiner Familie gesagt, dass sie keine ,N***er` mögen! Aber sie redeten dabei ja ,natürlich nicht von ihm`!

Als er 10 Jahre alt war, lief er mit seinem Kumpel (ebenfalls dunkelhäutig) über die Straße, als ein alter Mann in seinem Truck auf die beiden zuraste und ,Ihr scheiss N***er !` schrie, er ist sogar über den Randstein gefahren, die beiden mussten rennen und dann in den Graben hüpfen.

ER WAR 10 JAHRE ALT!

Als er 14 war, hatte er seine erste Freundin, sie war weiß. Ihre Eltern zogen ihn zur Seite, nachdem sie ihn für einige Wochen kannten und meinten ,Du bist der netteste, wohlerzogenste Junge, den wir kennen, aber unsere Tochter kann nicht mit einem Schwarzen zusammen sein.`

Stellt euch mal vor, dass euch mit 14 gesagt wird: ,DU bist klasse, aber du bist es trotzdem nicht wert, mit unserer Tochter zusammen zu sein, wegen deiner Hautfarbe!?` Die beiden durften nicht in der Öffentlichkeit gesehen werden und durften nicht zusammen zum Prom (Abschlussball). 2 Jahre lang haben sie sich heimlich getroffen.

Er wird, seitdem er Autofahren darf, etwa zweimal im Monat von der Polizei angehalten.

Er hat immer sichergestellt, dass er alle Papiere dabei hat. Dass alles am Auto intakt ist, damit ihn niemand für so etwas aus dem Verkehr ziehen kann. Wenn die Polizei kommt, hält er die Hände so, dass man sie sieht. Er muss aufzählen, wo er war, und es wird immer nach Drogen gesucht. Er hat noch nie Drogen genommen oder Alkohol getrunken.

Seine Freunde damals meinten: ,Du bist nicht so wie die anderen Schwarzen, du bist einer von den Coolen.`

DAS IST KEIN KOMPLIMENT!!! So etwas ist enttäuschend und verletzend zu hören. Sie mögen IHN, aber alle anderen Schwarzen wurden als ,aus dem Ghetto kommend` und ähnliches abgestempelt.

Wenn Menschen ihn kennengelernt haben (das machen sie übrigens jetzt immer noch) sagen sie zu ihm: ,Du sprichst aber GUT/ drückst dich gut aus!` DAS IST AUCH KEIN KOMPLIMENT!!!

Oder sie meinen: ,Du sprichst aber weiß!`

Leute, so eine Scheisse gibt es nicht! Als er letztes Jahr ein Auto kaufen wollte, haben sie ihm alles übers Internet soweit genehmigt und eingeleitet, seine Finanzen überprüft. Grünes Licht gegeben. Er kommt dort an… Sie sehen, wie er aussieht. Und ,plötzlich` gibt’s ein Problem (was nicht möglich ist, weil sie schon alles überprüft hatten).

Er meinte dann zu einem Verkäufer dort: ,Wäre ich weiß, hätten Sie mir das Auto verkauft?` und dieser meinte: ,Ja.`

Wenn wir mal ausgehen, was wir fast nie machen, weil wir uns von großen Menschenmengen fern halten (vor allem, wenn’s dort Alkohol gibt), kommen die Police Officers meisten sofort her, mustern ihn – ,Racial Profiling` (d.h er wird, weil er schwarz ist, gleich unter die Lupe genommen, denn bei einem Schwarzen besteht stets der Verdacht, dass da was nicht stimmt).

Sie lassen Sprüche ab wie ,I hope you`re not here to start trouble!` –  als ob er, wenn er und ich auf ein Date gehen, Ärger machen möchte… Wäre er weiß, würden wir solche Kommentare nicht hören. Ein Police Officer meinte auch schonmal ,I wouldn’t wrestle you, I’d shoot you.` ( Ich würde nicht mit dir kämpfen, dich würde ich erschießen).

Ab dem Zeitpunkt fühlt er sich endgültig unwohl und nicht mehr sicher, und ich habe Angst um ihn.

Jeden Tag hat er Angst, denn es könnte sein letzter sein.

Da schon so viele Unschuldige ermordet wurden und die Täter immer noch frei herum laufen. Als wir mal gestoppt wurden von der Polizei, hatte der Polizist solche Angst, das er gezittert hat. Er hat uns 45 Minuten lang ,gecheckt`. Als er nach seiner I.D. gefragt hat, hat mein Freund mich gebeten, sie her zu geben. Denn wenn er nur nach dem Geldbeutel greift, darf der Polizist schießen, denn es hätte ja eine Waffe sein können.

Wir hatten meinen Sohn im Auto. Ich hatte Angst. Er hatte Angst. Sie haben seine I.D. durchs System laufen lassen (um nach Kriminaldelikten zu sehen, aber er hat keine). Und hat uns dann 160$ Strafe zahlen lassen, für nicht angeschnallt sein… Wir waren alle angeschnallt. Er muss immer aufpassen, was er anzieht, damit er nicht auffällig aussieht. Er muss schauen, dass er sich draußen anders verhält und wenn wir ausgehen, sitzt er immer in der Nähe der Tür.

Als ich ihn damals kennenlernte, meinte jemand aus der Familie: ,Schämst du dich nicht, deinem Sohn so etwas anzutun? Das ein schwarzer Stiefvater ihn von der Schule abholt und er gehänselt wird?` Oder ein anderer hatte meinen Sohn auf ihrem Schoß (da war er 2) und meinte: ,Wie süß, deine Mama wird dir viele kleine ni***let Geschwister schenken, aber du wirst immer mein Liebling sein!`

Meinem Kind wurde von der Familie das N-Wort beigebracht. Eines Morgens wurden meinem Freund seine Reifen durchgestochen. Einfach so. Leute fragen mich, ob ich wegen seines Geschlechtsteils mit einem N***er zusammen bin. Wenn wir einen Laden betreten, ziehen die Leute oftmals ihre Taschen ,enger` an sich. Weil schwarz = gefährlich… Würde mir mit einem weißen Partner nicht passieren.

Als er sich aus dem Auto ausgeschlossen hat, (da ruft man hier die Polizei) kam ein Police Officer, ich bin direkt an seiner Seite geblieben, weil ich Angst hatte, dass etwas passiert. Menschen sind vorbei gelaufen/ haben aus ihren Fenstern gesehen, und jeder einzelne Gesichtsausguck bedeutete: ,Was hat DER wohl angestellt`– weil schwarz = kriminell.

Wäre er weiß gewesen, hätten Menschen eher gefragt, ob er Hilfe braucht.

Das muss aufhören.

Es muss einfach aufhören. Diese Gedanken, die Menschen haben, wenn sie jemanden sehen, der dunkelhäutig ist. Das muss aufhören. Wenn Familie und Freunde rassistisch sind, muss man sofort was dagegen sagen. Und es nicht entschuldigen.

Mein Freund ist der liebste Mensch… aber es bräuchte nur eine Frau, die die Polizei ruft und sagt ,I feel uncomfortable, this black man is making me uncomfortable` damit er vielleicht nicht mehr bei uns ist.

Ich hoffe einfach, dass mein hier manchen die Augen öffnet, wie krass es wirklich ist. WIR können etwas verändern. Aber wir müssen unser Bestes geben. Und teilweise aufwachen, wo auch in uns dieser Rassismus ,angelernt` wurde. Wir müssen uns von diesem angelernten Schwachsinn befreien.

Stell dir vor, das wäre DEIN Mann! DEIN Sohn! Oder auch deine Freundin/ Freund. Jemand, den du gern hast. Wenn du wirklich denkst, das du mehr wert bist als die andere Person, dann gehe in dich. Wieso fühlst du das? Wieso hast du komische Gedanken, wenn du jemand mit einer anderen Hautfarbe siehst? Du wurdest so nicht geboren!

Schaut euch Dokumentationen an, über die Geschichte damals. Den Sklavenhandel. Bis heute werden unsere schwarzen / POC-Mitbürger unterdrückt. Getötet, und die Täter kommen damit davon.

Bitte, BE the Change.

Denkt selbst nach über die Handlungen. Auch anderen Mitbürger gegenüber. Es ist so viel Information da draußen, die kostenlos ist. Bitte schaut nicht weg. Lasst uns die Welt besser machen, damit niemand mehr so leben muss & unterdrückt wird.“

Interview mit Naomi zur Lage in den USA:

Naomi, wie ist die Lage in den USA?

Wir wohnen in Ohio. Hier gibt es ziemlich viele Proteste. Die Proteste in meiner Stadt waren friedlich, dennoch hat die Polizei ( ohne jeglichen Verstoß der Demonstranten) bei dem ersten großen Protest die Menschen mit Tränengas besprüht. In unserer Nachbarstadt ist ein Mädchen deshalb verstorben, denn sie haben ihr das Gas direkt ins Gesicht gesprüht haben. Sie hatte Asthma und ist an den Folgen verstorben.

Bei den Protesten kommen die Menschen zusammen, jeder hat Schilder. Es wird gerufen, eine oder zwei Personen haben meist ein Megaphon. Aber all das ist erlaubt. Und erst wenn die Polizei ekelhaft wird, fing das Ausarten an. Es wurden auch Steine von der Polizei selbst und anderen Leuten genau dort hin gelegt, wo die Proteste gehalten werden. Das finde ich auch komisch. Es wird quasi Streit angezettelt.

Und wie geht es euch?

Mein Sohn ist 4 (bald 5). Er hat noch nicht all zu viel mitbekommen. Wir haben ein paar gute Bücher gekauft. In denen wird das Thema Rassismus aufgegriffen. Ein Kind sollte auf jeden Fall wissen, dass es andere Hautfarben etc. gibt. Ich finde es nicht gut, wenn Leute behaupten: „Ich sehe keine Farbe.“ Denn das stimmt einfach nicht. Kinder sollten bewusst lernen, dass Menschen verschieden sind. Trotzdem sind wir alle gleich wertvoll. Jeder Mensch ist wertvoll, egal, welche Hautfarbe er hat. Und wir alle haben das Recht, geschätzt und geliebt zu werden.

Leider hat mein Ex Freund und der Vater meines Sohnes schon seitdem wir getrennt sind, viel Negatives erzählt. Er benutzt auch das N-Wort immer wieder. Mein Kleiner hat bis jetzt nichts davon gesagt. Er liebt meinen Partner über alles. Er sagt manchmal „Lonnie ist braun und ich, ich bin gelb.“

Bald kommt mein Sohn in die Schule. ich möchte, dass er auf eine Schule geht, in der es normal ist, dass es viele Nationalitäten gibt. Hier gibt es viele teure Schulen, in die vor allem weiße Kinder gehen. Das möchte ich nicht fördern.

Wir wünschen Naomi und ihrer Familie alles Gute!

Welche Erfahrungen habt ihr mit Rassismus gemacht? Wir freuen uns über eure Kommentare!

Sarah Wiedenhoeft
Hamburger Deern, Journalistin, Mutter eines Sohnes. Immer auf der Suche nach besonderen Menschen und dankbar, ihre Geschichten zu erzählen.

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