Lehrerin kündigt und packt aus: „Die Eltern gaben mir die Schuld an allem!“

An allem ist nur die Lehrerin schuld!

Dieser Grundsatz scheint in jeder Grundschule gültig. Die Eltern finden, ihr Kind wird nicht genug gefördert, zu viel gefördert, schlecht behandelt, nicht gut genug beaufsichtigt. Steht im Zeugnis am Ende keine 1, dann ist auch das definitiv nicht dem kleinen Schüler zuzuschreiben, sondern der bösen Lehrerin, die keine Ahnung hat, was eigentlich in unserem Kind steckt.

Richtig?

Jessica Gentry, eine ehemalige Lehrerin, hat nun zum Gegenschlag ausgeholt. Sie fragt: Wissen Eltern eigentlich, dass sie mit diesem Verhalten das Leben von Lehrerinnen zur Hölle machen?

Sie erklärt, dass sie ganz offen und ehrlich darlegt, was dazu geführt hat, dass sie kündigt. Das tat die Lehrerin einer Grundschule in Virginia nämlich nach 12 Jahren in ihrem Beruf.

Fünf Gründe seien es, einige davon plausibel, die anderen nicht. Die „lausige Bezahlung“ aber sei keiner davon!

  1. Schlechte Eltern

Die Aussage, Kinder hätten sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geändert, hält sie für unwahr. „Nein. Definitiv nicht. Kinder sind Kinder. Die Eltern haben sich verändert. Die Kinder sind nur die unschuldigen Opfer dessen“, meint Jessica. Dadurch, dass Eltern mehr arbeiten, ihre Kinder Smartphones, Tablets und Co. überließen und außerdem andere Familienformen die klassische Mama-Papa-Kinder-Familie ablösen, hält sie für die Ursache allen Übels.

Leider hat sie nicht einkalkuliert, dass das gar nicht den Tatsachen entspricht. Denn Eltern arbeiten heutzutage tendenziell weniger und weniger schwer als in den Generationen vor uns. Laut einer Studie, zum Gegenschlag, haben Väter seit 1965 die Zeit, die sie mit ihren Kindern verbringen, vervierfacht. Auch Mütter verbringen deutlich mehr Zeit mit ihren Kindern als früher.

Trotzdem – Jessica Gentry findet, dass sich auch die Art und Weise, wie Kinder erzogen werden, zum Negativen verändert habe. Dass es Veränderungen gibt, lässt sich nicht verleugnen – schließlich sind drakonische Strafen, körperliche Züchtigung und psychische Gewalt inzwischen sehr viel seltener geworden und Kinder werden mehr wie fühlende, denkende Wesen wahrgenommen. Das sei aber gar nicht so toll, meint Jessica. Dadurch fehle ihnen nämlich der Umgang mit klaren Grenzen. „Kinder benehmen sich in dem Umfeld am schlechtesten, in dem sie sich am wohlsten fühlen. (…) Die Kinder, die in der Schule die Tische umwerfen? Sie haben kein sicheres Umfeld zuhause. Unsere Klassenzimmer sind die ersten Orte, an denen sie jemals ein ,Nein‘ hörten, Grenzen aufgezeigt bekamen, an denen Liebe durch Respekt vermittelt wird.“

  1. Zu viel Technologie im Klassenraum

Unsere Welt ist digital geworden, und viele Schulen wollen dem Rechnung tragen. Sie haben Computer und Tablets im Klassenzimmer, um den Kindern früh den richtigen Umgang damit lehren zu können. Für Jessica Gentry ist das aber keine neue Herausforderung, sondern das wahre Grauen. Sie findet, das gehe zu Lasten der Beziehung: „Es soll 1:1 sein, Schüler und Technologie. Oh. Okay. Also vergessen wir die Basis der Beziehungsbildung und des praktischen Lernens. Kinder können jetzt schon keine sozialen Hinweise mehr lesen und sich in sozialen Situationen angemessen benehmen…. lasst sie uns mit noch mehr Geräten konfrontieren, denn das sieht gut aus auf unserer Website.“

  1. Zu viele Fortbildungen

Ebenfalls eine nicht so tolle Sache für Lehrerinnen seien die Fortbildungen, die sie besuchen müssten. Statt zwei Planungszeiten in der Woche, in denen der Unterricht vorbereitet werden kann, müssten Lehrer nun auf Fortbildungen gehen. Diese seien nicht hilfreich oder interessant, so Jessica, die von einem neuen Mathe-Einstufungstest erzählt: „Wir mussten an einem Schultag ein Training absolvieren (weniger Zeit mit unseren Schülern), dann dauerte es DREI WOCHEN es durchzuführen…. einzeln…. bei 21 Schüler. So. Eine. Zeitverschwendung. All die Informationen, die dadurch gesammelt wurden, hätte ich auch so geben können, ohne die kostbare Lehr-Zeit dafür zu reduzieren.“

  1. Eltern verkommen zu Kunden

Die Eltern zufriedenzustellen, das sei eine der Hauptaufgaben geworden. Sie seien keine Partner mehr, sondern Kunden. Eltern horten sich in Facebook-Gruppen zusammen, um sich über die Lehrer ihrer Kinder aufzuregen, darüber, dass sie „blaue Briefe“ bekommen, darüber, dass die Anwesenheitspflicht eingehalten werden müsse. Und alle möglichen anderen Sonderwünsche hätten Eltern, die Lehrer erfüllen müssten: „Ich hatte schon Eltern, die mich an Elternsprechtagen versetzt haben, die dann anriefen und petzten, weil ich mich weigerte, eine weitere Alternative nach der Schule anzubieten. Ich hatte schon Eltern, die mir erzählt haben, dass ich zu ihrem Kind nicht ,Nein‘ sagen darf.

  1. Das kaputte Schulsystem

Das kostete Jessica Gentry viele Nerven: Sie erklärt, sie liebe Kinder und wolle ihnen wirklich helfen. Das sei aber im Schulsystem nicht vorgesehen. Versuchte sie, sich mit der Schulleitung und Kollegen darüber auszutauschen, wie sie das besser machen könnte, tat man ihre Anliegen als nichtig ab: „In einem Meeting nach dem anderen zu sitzen, um mehr Unterstützung zu betteln und dann zu hören ,nimm dir die Schüler nicht so zu Herzen‘… das reißt einen innerlich auseinander. Sie zu sehen, wenn sie in die Schule kommen… mit schmutzigen Klamotten…. Chaos zu Hause…. und zu wissen, dass sie mehr brauchen, als du ihnen in einem Klassenzimmer mit 21 Schülern geben kannst, mit weniger und weniger Unterstützung, mehreren gesprochenen Sprachen, verschiedenen Behinderungen…. das zerbricht einen.“ Sie habe ihre Familie vernachlässigt, durch die belastende Situation in der Schule keine Energie mehr für private Aktivitäten gehabt.

Darum wollte sie am Ende ihre Familie nicht mehr unter der Situation leiden lassen und durch ihre Kündigung auch ihre emotionale und psychische Gesundheit schützen, so Jessica.

Inzwischen arbeitet sie als selbstständige Gesundheitsberaterin und startet sogar ein Ferienprogramm für Lehrer und Lehrerinnen. In dem sollen sie lernen, besser auf sich selbst zu achten und sich in der schulfreien Zeit besser zu erholen.

Rebecca
Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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